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US-Präsident Trump unter Druck
"Er hat auch das Recht, die FBI-Untersuchung zu stoppen"

US-Präsident Donald Trump sei politisch beschädigt, sollte er Justizermittlungen behindert haben, sagte Thomas Kleine-Brockhoff von der US-Stiftung German Marshall Fund im Dlf. Schon jetzt sei die Handlungsfähigkeit des Präsidenten beeinträchtigt. Die Ermittlungen würde Trump wohl "am liebsten beseitigen".

Thomas Kleine-Brockhoff im Gespräch mit Ann-Kathrin Büüsker | 16.06.2017
    US-Präsident Donald Trump schaut etwas missmutig
    US-Präsident Donald Trump (imago stock&people)
    Ann-Kathrin Büüsker: Nun also doch: Die "Washington Post" war gestern die erste Zeitung, die darüber berichtete, mit Berufung auf interne Quellen, in den USA soll Sonderermittler Mueller auch gegen US-Präsident Donald Trump ermitteln. Der dementierte das am Nachmittag zwar, aber der Zweifel ist gesät. Und vielleicht ist das auch das Entscheidende mit Blick auf die ganze Causa Russland, die möglichen Kontakte des Wahlkampfteams, die Frage, ob FBI-Direktor Comey deswegen entlassen wurde. Ob sich das alles gerichtsfest beweisen lässt, das scheint zum derzeitigen Zeitpunkt überhaupt nicht klar. Aber auf den Präsidenten wirft das alles kein gutes Licht, auf sein Team irgendwie auch nicht. Was macht das alles mit Washington? Darüber möchte ich mit Thomas Kleine-Brockhoff sprechen, er leitet das Büro des German Marshall Funds, einer US-Stiftung, die sich der Förderung der transatlantischen Beziehungen widmet. Guten Morgen, Herr Kleine-Brockhoff!
    Thomas Kleine-Brockhoff: Guten Morgen!
    "Die Untersuchungen führen in das Oval Office hinein"
    Büüsker: Wenn die "Washington Post" tatsächlich recht hat und gegen Trump ermittelt wird, was würde das bedeuten?
    Kleine-Brockhoff: Erstmal heißt das, dass der Bereich der Ermittlungen ausgeweitet ist, denn wir wissen, dass es um die Causa Russland geht. Aber was ist die Causa Russland? Die besteht ja schon jetzt aus mehreren Teilen. Da geht es zumeist erst mal um den Versuch der russischen Seite, die Wahlen zu beeinflussen und in welcher Weise das überhaupt geschehen ist. Das ist eigentlich der Ausgangspunkt der Untersuchungen des FBI vor elf Monaten gewesen. Dann geht es um die Zusammenarbeit des Trump-Wahlkampfteams mit den Russen, ob es eine solche gegeben hat. Und drittens geht es um finanzielle Abhängigkeiten und Verstrickungen. Und nun geht es um die Frage, und das ist der vierte Teil, der seit gestern diskutiert wird, ob der Präsident aktiv daran teilgehabt hat, die Justiz zu behindern, diese Untersuchungen zu führen. Und das ist in der Tat ein gravierender Vorwurf, weil er die Untersuchungen in das Oval Office, in das Büro des Präsidenten hineinführt. Aber die ganze Untersuchung ist geheim, wir können darüber nur spekulieren. Wir können sogar über das Ausmaß – und die vier Punkte, die ich gerade genannt habe, wissen wir nur durch Presseberichte. Das heißt, wir werden uns da mit dem Konkreten noch eine Weile gedulden müssen.
    Büüsker: Rechnen Sie denn damit, dass am Ende tatsächlich was dabei herumkommt?
    Kleine-Brockhoff: Die Behinderung der Justiz ist ein ganz komplexer und komplizierter Vorwand – Vorwand sage ich schon – Vorwurf, der schwer zu beweisen ist. Erst mal ist es ja so, dass der Präsident das Recht hat, jede Untersuchung, jede FBI-Untersuchung zu stoppen. Er ist der Einzige, der das kann, er hat dazu das Recht. Er hat auch das Recht, die FBI-Untersuchung zu stoppen. Er ist derjenige, der den Sonderermittler eingesetzt hat. Er kann ihn auch wieder absetzen. Das heißt, eine Ermittlung zu behindern eines Ermittlers, den er selbst einsetzen und absetzen kann, ist an sich schon eine hochkomplexe und schwierige Sache. Die ist politisch für ihn, sollte er es tun, ungemein schädlich, und es gibt ja auch schon erste Berichte, dass er vorgehabt haben soll, den Sonderermittler, den er eben vor vier Wochen erst eingesetzt hat, wieder abzusetzen, und dass sein Team ihn davon abgebracht habe. Nicht, weil es juristisch nicht möglich ist, sondern weil es politisch so schädlich wäre für ihn.
    Büüsker: Glauben Sie denn, dass er diese Untersuchung letztlich noch stoppen wird?
    Kleine-Brockhoff: Da kann man bei Donald Trump ja nur spekulieren. Das kann ja Dienstag so und Mittwoch so sein. Das ist eine zu schwierige Frage, um beim Charakter dieses Präsidenten eine Antwort zu finden.
    "Trump ist in den meisten seiner politischen Positionen ein Außenseiter"
    Büüsker: Ihre Wahrnehmung ist aber schon so, wenn ich Sie da richtig verstehe, dass sein Team da noch einen gewissen Einfluss auf ihn hat?
    Kleine-Brockhoff: Ja, wir sehen das ja in der gesamten Politik von Donald Trump, dass wir – die Schwankungen, die Amplituden sind eigentlich diesem Einfluss zuzuschreiben. Denn er ist ja in den meisten seiner politischen Positionen ein Außenseiter im amerikanischen Spektrum, übrigens auch und vor allem im konservativen Spektrum. Und die Frage ist einfach immer, inwiefern er sich von seinen eigenen Leuten da einfangen lässt in den Mainstream hinein. Und an welchen Momenten und in welchen Situationen und auf welche Fragen er mit seinem eigenen Impuls - den ich für sehr konstant in den ersten vier Monaten halte, wenn man nur seine eigenen Intentionen verfolgt, dann ist das sehr konstant.
    Büüsker: Was meinen Sie damit?
    Kleine-Brockhoff: Er hat ja eine konsistente populistische Politik, die sowohl populistisch wie nationalistisch ist. Und dieses Äußerungen sind konsistent. Das, was aus dem Weißen Haus kommt, eher nicht. Und so sehen wir das auch in dieser Untersuchung: Er würde das Ganze am liebsten gleich beseitigen, würde vermutlich den Ermittler gar nicht erst eingesetzt haben. Jetzt, da er da ist, würde er ihn gern wieder entlassen. Heute Morgen hat er sich schon auf Twitter darüber empört, über diese Untersuchung. Das heißt also, ginge es nur nach ihm, würde er dort mit dem Hammer reinschlagen, aber seine Leute halten ihn zurzeit noch davon zurück.
    Büüsker: Jetzt mal komplett beiseitegeschoben, was am Ende vielleicht praktisch bei diesen Untersuchungen herauskommt, ob sich vielleicht auch eine Einflussnahme von Russland in irgendeiner Art und Weise nachweisen lässt: Allein diese Diskussion um das alles, die anhaltenden Verdachtsmomente, der Vorwurf auch von FBI-Direktor Comey, dass der Präsident gelogen habe, wie sehr beschädigt das das Amt des Präsidenten?
    Kleine-Brockhoff: Das Amt des Präsidenten vielleicht noch nicht, aber das, was es beschädigt, ist seine politische Handlungsfähigkeit. Dieser Präsident basiert und kann sich stützen auf eine große Mehrheit im Kongress, in beiden Häusern. Das passiert ja im amerikanischen politischen System nicht ganz so häufig, dass beide Häuser des Kongresses und das Präsidentenamt in der Hand der gleichen Partei sind. Und das ist eigentlich der Moment, der manchmal auch nur zwei Jahre dauert, weil dann die Wähler wieder in die andere Richtung tendieren, es nur zwei Jahre oder weniger gibt, um legislative Vorhaben durchzusetzen. Und dieses kleine Fenster der Reform, das wird jetzt vergeudet aus Sicht von Trump durch solcherlei Untersuchungen. Er ist gefesselt. Ohnehin würde ich Washington im Moment beschreiben als eine Art großes Fest der Liliputaner, die den Gulliver mit vielen kleinen Stichen und vielen kleinen Drähten fesseln. Diese Justizermittlungen sind ein Teil des Bildes, das sich ergibt, das einen gefesselten Präsidenten vor sich sieht, der wenig Handlungsraum hat. Und aus deutscher Sicht würde ich daran allerdings die Sorge anschließen, dass natürlich Präsidenten, die innenpolitisch gefesselt sind durch entweder Ermittlungen oder den Kongress oder die Öffentlichkeit, dass die sich dann gern der Außenpolitik zuwenden.
    "Wir sehen einen Machtkampf vor uns"
    Büüsker: Herr Kleine-Brockhoff, als Donald Trump an die Macht gekommen ist, da haben wir sehr intensiv auch auf die Leute geguckt, die an seiner Seite sind, und eine Person, die ja durchaus umstritten ist, ist Steve Bannon, Berater des Präsidenten. Der hat des Öfteren den großen Plan gezeichnet, das System Washington von innen zu sprengen. Könnte dieser Plan wahr werden?
    Kleine-Brockhoff: Wir sehen ja einen Machtkampf vor uns. Es ist ja auch nicht das erste Weiße Haus, das mit verschiedenen Fraktionen personell bestückt ist, und die Bannon-Gruppe der Nationalisten hat sicherlich diese Vorstellung. Und immer mal wieder sieht man auch, dass die erfolgreich ist. Aber es ist ebenso sichtbar, dass diese Gruppe umgeben, man könnte sagen, eingemauert ist von Traditionalisten. Und dann gibt es mindestens noch eine dritte Gruppe, das sind die Familienangehörigen, die eine hohe persönliche Loyalität, aber ansonsten eine moderierende Stimme sind. Das heißt also, in dem Konzert allein schon innerhalb des Weißen Hauses, ist der Einfluss der Bannon-Gruppe wahrnehmbar, vorhanden, aber doch begrenzt.
    Büüsker: Das heißt, Sie machen sich keine Sorgen um Washington?
    Kleine-Brockhoff: So weit würde ich nicht gehen. Wir erleben ja eine Verunsicherung über den Umgang mit den Vereinigten Staaten aus deutscher, aus europäischer Sicht. Im Grunde jeder Partner weiß nicht so genau, mit wem er dort eigentlich redet, und mit welcher Richtung er es gerade zu tun hat und welchen Einfluss die gerade auf den Präsidenten haben. Und deswegen ist die Vorherschau auf das, was amerikanische Politik ist, so schwer wie in meiner Beobachtungszeit der Politik noch nie.
    Büüsker: So die Einschätzung von Thomas Kleine-Brockhoff. Er leitet das Berliner Büro des German Marshall Fund. Vielen Dank für das Interview heute Morgen hier im Deutschlandfunk!
    Kleine-Brockhoff: Ich danke Ihnen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.