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US-Präsidentschaftskandidat Jeb Bush
Erst rechte Instinkte ansprechen, dann in die Mitte

Der Republikaner Jeb Bush will US-Präsident werden. Dafür müsse er sehr unterschiedliche Gruppen ansprechen, sagte Karsten Voigt, ehemaliger Koordinator der Bundesregierung für deutsch-amerikanische Zusammenarbeit, im DLF. Vor der Ernennung müsse er die rechten Instinkte ansprechen, im Wahlkampf dann auf die Mitte zugehen.

Karsten Voigt im Gespräch mit Dirk Müller | 16.06.2015
    Karsten Voigt.
    Karsten Voigt, ehemaliger Koordinator für deutsch-amerikanischen Zusammenarbeit, auf einer Aufnahme aus dem Jahr 2008. (imago/Wolf P. Prange)
    Der SPD-Politiker Voigt betonte, Bush "muss für eine Einwanderungsreform zugunsten der Hispanics eintreten, um die Wahlen zu gewinnen." Um aber überhaupt der Kandidat der Republikaner zu werden, müsse er sich vorher zurückhalten, da die Reform bei den Republikanern auf Widerspruch stoße.
    Ähnlich sei es auch bei der demokratischen Kandidatin Hillary Clinton. Die müsse erst die linke Basis ansprechen, um dann im Wahlkampf auf die Mitte zuzugehen. Der SPD-Politiker sagte weiter, er erwarte, dass Bush als Präsidentschaftskandidat nominiert werde.
    Typisch für die USA ist nach Ansicht von Voigt ein Spannungsverhältnis zwischen einer Bevölkerung, die zum Populismus neigt und betont, dass jeder es von unten nach oben schaffen könne. "Und daneben gibt es dann immer wieder die großen politischen Familien, die Elite." Clinton und Bush stammten zwar nach dem Empfinden der Bürger aus der Elite. Dennoch habe die Bevölkerung das Gefühl, in den USA sei jeder gleich.

    Das Interview in voller Länge:
    Dirk Müller: Die Amerikaner haben und hatten ja nie einen König, also einen Monarchen an der Spitze. Darin sind sie ja alle Republikaner. Aber vielleicht schätzen sie deshalb als eine Art Ersatzhandlung so ihre großen, ihre einflussreichen Familien, die Kennedys zum Beispiel oder auch die Rockefellers, oder auch die Bushs, George Bush zum Ersten, George Bush zum Zweiten und jetzt Jeb Bush, ein Moderater unter den Republikanern, der jetzt ins Rennen einsteigt ums Weiße Haus, mit großer Wahrscheinlichkeit vielleicht auch der Gegner von Hillary Clinton.
    Jeb Bush ist offiziell jetzt Kandidat der Republikaner, reichlich spät, aber wohl nicht zu spät - unser Thema mit SPD-Politiker und USA-Kenner Karsten Voigt, viele Jahre Regierungsbeauftragter für die deutsch-amerikanischen Beziehungen. Guten Morgen!
    Karsten Voigt: Guten Morgen, Herr Müller.
    Müller: Herr Voigt, braucht die Welt noch einen Bush?
    Voigt: Die Frage ist ja erst mal nicht, ob die Welt auf einen neuen Bush wartet, sondern die Frage ist, ob die Amerikaner auf einen neuen Bush warten. Und dann ist noch an uns Deutsche die Frage gerichtet, die wir uns untereinander beantworten müssen: Wird es ein George Bush Junior - dann würden die meisten Deutschen sagen, oh, bloß Gott nicht -, oder wird das eher eine Ausgabe von dem Bush Senior - mit dem haben die Deutschen damals während der deutschen Wiedervereinigung sehr gute Erfahrungen gemacht.
    Müller: Und was würden Sie sagen aus Sicht der Amerikaner? Sie sind ja so ein halber Amerikaner. Brauchen wir noch mal einen Bush?
    Voigt: Ich glaube nicht, dass ich so ein halber Amerikaner bin, und ich bin erst recht kein halber Republikaner. Deshalb sind meine instinktiven Neigungen wie übrigens die der meisten Deutschen eher auf die Kandidatin der Demokraten gerichtet, nämlich auf Hillary Clinton. Aber auch sie ist ja eine Frau, die aus der demokratischen Elite kommt und nicht etwa jetzt noch als eine Kandidatin empfunden wird, die sie früher mal war und der früher auch Obama war, nämlich die direkt aus dem Volk es von unten nach oben geschafft hat.
    Müller: Das hatte ich als zweite Frage auch noch notiert. Braucht die Welt dann im Gegenzug noch einmal eine Hillary Clinton?
    Voigt: Ja, das ist es eben. Wir haben in Amerika ja eine sehr interessante Situation, die sich in der amerikanischen Geschichte schon häufiger ergeben hat. Das Spannungsverhältnis zwischen einer Bevölkerung, die doch immer sehr zum Populismus neigt und die immer sagt, hier in Amerika kann jeder es von unten nach oben schaffen, und daneben gibt es dann immer wieder diese großen politischen Familien, die Leute aus der Elite, das Bedürfnis nach einem säkularisierten Monarchen - das ist ja in gewisser Weise dann auch der Präsident -, und dann die Eliteschulen. Wir haben dieses Populistische und dieses Elitäre immer seit Beginn der USA nebeneinander und auch in diesem Wahlkampf wieder stoßen diese beiden Elemente aufeinander mit den beiden Kandidaten, die im Gefühl der Bevölkerung aus der Elite stammen und wo eine Bevölkerung, die gleichzeitig populistische Instinkte hat, Gefühle hat, das Gefühl hat, in Amerika ist im Prinzip jeder gleich.
    "Hispanics spielen bei den US-Wahlen eine große Rolle"
    Müller: Was aber dann aufgrund dessen nicht stimmt, weil sich doch dann letztendlich die elitären Politiker durchsetzen können, die am meisten Geld auch auftreiben für ihre Wahlkämpfe?
    Voigt: Ja, das stimmt, aber nicht immer. Obama war jemand, der es geschafft hat mit dem vielen kleinen Geld, und er war ja gar nicht der Spitzenkandidat. Der Führungskandidat war damals schon Hillary Clinton, also eine Person aus der Elite, und Obama hat sie geschlagen.
    Also man kann gar nicht sagen, dass in Amerika das immer das große Geld macht und es immer derjenige oder diejenige schafft, die aus der Elite kommt.
    Aber in diesem Fall, anders als bei der Wahl von Obama, haben wir jetzt eine Situation bei Demokraten, wo jemand da ist wie Hillary Clinton, die zwar als Familie ursprünglich auch ganz klein angefangen hat, genau wie ihr Mann, aber die inzwischen zur Elite gezählt werden, zurecht, die auch reich geworden sind, und auf der anderen Seite haben wir einen Präsidentschaftskandidaten der Republikaner, der aus einer alten reichen Familie kommt und der auch aus der Elite seiner Partei kommt, der aber es erstaunlicherweise immer wieder gut geschafft hat, die Hispanics anzusprechen, und die spielen ja bei der Wahl eine große Rolle bei der Entscheidung.
    "Jeb Bush wird versuchen, republikanische Urinstinke anzusprechen"
    Müller: Jetzt ist Jeb Bush ja mit einer Mexikanerin verheiratet. Das ist ja durchaus dann ein Vorteil, das glaubwürdig nach außen hin auch zu verkörpern, dass es um eine liberalere Einwanderungspolitik geht, dass es um eine bessere Integration auch der vielen, vielen Millionen Hispanics in den USA geht.
    Ist das ein Mann, Jeb Bush - über den wollten wir ja ursprünglich reden, Karsten Voigt -, der so Mitte ist, dass er genug sein könnte, in Amerika ganz vorne zu stehen?
    Voigt: Er wird jetzt während der Nominierung versuchen, die republikanische Basis anzusprechen. Das heißt, er wird versuchen, republikanische Urinstinkte, konservative Instinkte und auch nach unserem deutschen Empfinden und auch nach dem Empfinden vieler Amerikaner sehr rechte Instinkte anzusprechen.
    Aber er muss das in einer Weise tun, dass er im Wahlkampf dann auf die Mitte zugehen kann, denn die braucht er, und er braucht insbesondere die Hispanics. Und da ist die große Frage, die ja auch schon vorher in dem Gespräch vorher mit Marcus Pindur deutlich geworden ist, dass er eigentlich für eine Reform der Einwanderungsgesetzgebung zugunsten der Latinos eintreten muss, um die Wahlen zu gewinnen, dass er aber während seiner Nominierung in der republikanischen Partei damit auf Widerspruch stoßen würde, und deshalb wird er diesen Punkt so fassen, dass er beides machen kann, dass er einerseits während der Nominierung noch seine Stammwähler ansprechen kann, um später im Wahlkampf die Latinos, die ja bisher überwiegend die demokratische Partei gewählt haben, dann doch für sich zu gewinnen.
    Müller: Aber das ist ja ziemlich kompliziert. Das heißt, er muss erst mal ein rechter Kandidat sein, um die eigenen Leute zu überzeugen, und wenn er das dann geschafft hat, darf er in die Mitte rücken.
    Voigt: Genau so ist es. Und bei Hillary ist das sozusagen Umgekehrte spiegelbildlich dann auch so. Sie muss erst die eigene Basis ansprechen, um später in der Mitte die vielen Leute, die sich nicht repräsentiert fühlen durch die Kerntruppen der Parteien, dann doch wieder für sich zu gewinnen.
    "Das wird ein spannendes Rennen"
    Müller: Wir wollen jetzt nicht zu sehr in der Historie kramen. Aber ist es nicht so - wir haben das jetzt nicht überprüft, aber zumindest haben ja viele von uns das Gefühl -, acht Jahre Demokraten, acht Jahre Barack Obama, dort hat es viel, viel, viel Kritik in vielen Bereichen gegeben, nicht nur in der Außen- und Sicherheitspolitik. Reagieren die Amerikaner dann in der Regel, wenn man das so formulieren darf, nicht so, dass sie dann sagen, jetzt wird es mal wieder Zeit für einen Republikaner?
    Voigt: Ja, das ist das normale Gefühl. Aber wie das immer mit politischen Regeln ist: Man weiß nicht, ob sie in diesem Fall dann auch sich umsetzen und realisieren. Das heißt, es ist keineswegs gesagt, dass die Hillary Clinton nachher im Kampf gegen einen republikanischen Kandidaten es macht, obwohl sie jetzt als Favoritin aussieht, und Jeb Bush wird vielleicht größere Schwierigkeiten bei der Nominierung haben als alle erwarten. Ich persönlich erwarte, dass er dann trotzdem nominiert wird, aber das wird ein spannendes Rennen und man sollte nicht glauben, dass dieses spannende Rennen jetzt schon entschieden ist.
    Müller: Danke an Karsten Voigt, SPD-Politiker, USA-Kenner und viele Jahre Regierungsbeauftragter für die deutsch-amerikanischen Beziehungen. Einen schönen Tag noch!
    Voigt: Einen schönen Tag.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.