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Bestätigung in Washington
US-Regierung liefert der Ukraine Streumunition

Die US-Regierung will der Ukraine nun tatsächlich Streumunition zur Verteidigung gegen Russland liefern. Es sei eine schwierige Entscheidung gewesen, aber Präsident Biden wolle diesen Schritt gehen, sagte sein nationaler Sicherheitsberater, Sullivan, im Weißen Haus. Biden habe sich über den Schritt mit den Verbündeten abgesprochen.

    Jake Sullivan steht im Weißen Hauses während eines Pressebriefings an einem Redepult. Hinter ihm sind eine US-Flagge und ein großes Logo des Weißen Hauses zu sehen.
    Jake Sullivan, nationaler Sicherheitsberater des Weißen Hauses, gibt die Lieferung von Streumunition durch die US-Regierung an die Ukraine bekannt. (Patrick Semansky / AP / Patrick Semansky)
    "Wir sind uns bewusst, dass Streumunition das Risiko birgt, dass Zivilisten durch nicht explodierte Munition zu Schaden kommen. Deshalb haben wir die Entscheidung so lange aufgeschoben, wie wir konnten", verteidigte er das Vorgehen. Die Ukraine würde die Streumunition im eigenen Land zur Verteidigung einsetzen. Sullivan betonte, auch Russland setze Streumunition im Nachbarland ein. "Wir werden die Ukraine in dieser Konfliktphase zu keinem Zeitpunkt schutzlos zurücklassen - Punkt".
    Die Regierung in Kiew fordert bereits seit längerem die Lieferung von Streumunition. Als solche werden Raketen und Bomben bezeichnet, die in der Luft über dem Ziel bersten und viele kleine Sprengkörper - sogenannte Submunition - verstreuen oder freigeben. Streumunition ist vor allem deswegen umstritten, weil ein erheblicher Prozentsatz ihrer Sprengkörper nicht detoniert, sondern als Blindgänger vor Ort verbleibt und so die Bevölkerung auch lange Zeit nach Ende eines Gefechts noch gefährdet, sofern sie nicht akkurat geräumt wird. Washington verweist nun darauf, dass man "Geschosse mit einer geringeren Rate an Blindgängern" zur Lieferung auswählen werde, als das bei älterer Munition dieser Art der Fall sei.

    Vertragliche (Nicht-) Verpflichtungen

    In der US-Regierung wird seit einer Weile über die Lieferung der viel kritisierten Munition diskutiert. Deutschland ist wie mehr als 100 weitere Staaten einem Vertrag zur Ächtung von Streumunition beigetreten - dem sogenannten Oslo-Übereinkommen. Die USA haben das Abkommen nicht unterschrieben.
    In dem Vertrag verpflichten sich Staaten, "unter keinen Umständen jemals Streumunition einzusetzen, zu entwickeln, herzustellen, auf andere Weise zu erwerben, zu lagern, zurückzubehalten oder an irgendjemanden unmittelbar oder mittelbar weiterzugeben". Es heißt unter anderem, dass man entschlossen sei, "das Leiden und Sterben zu beenden", das durch Streumunition verursacht werde. Man sei besorgt, dass "Streumunitionsrückstände Zivilpersonen, einschließlich Frauen und Kindern, töten oder verstümmeln" könnten.

    Deutschland außen vor

    Die Bundesregierung hatte mit Blick auf die Pläne der US-Regierung Verständnis signalisiert. "Wir sind uns sicher, dass sich unsere US-Freunde die Entscheidung über eine Lieferung entsprechender Munition nicht leicht gemacht haben", sagte Regierungssprecher Hebestreit. Nach Aussage von Verteidigungsminister Pistorius kommt es für Deutschland selbst nicht in Frage, die Ukraine mit Streumunition zu beliefern. Er verwies in diesem Zusammenhang auf das Osloer Abkommen.
    Die Forderung der Ukraine hatte bereits bei der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar für Aufsehen gesorgt. Vizeregierungschef Kubrakow argumentierte damals, diese Art von Munition könne dazu beitragen, dass man den Angreifern standhalten könne. Außenminister Kuleba wies darauf hin, dass die Ukraine den völkerrechtlichen Vertrag zum Verbot des Einsatzes von Streumunition nicht unterzeichnet hat.
    Zuletzt hatte sich angedeutet, dass die US-Regierung die Lieferung der viel kritisierten Munition in Erwägung zieht. Die Ukraine setzt diese - ebenso wie Russland - bereits ein. Der US-Sender CNN hatte jüngst berichtet, dass die ukrainische Gegenoffensive nicht die von der US-Regierung erhofften Fortschritte mache. Streumunition könnte den Ukrainern demnach auf dem Schlachtfeld helfen. Dagegen sprach der russische Botschafter in den USA, Antonow, von einer "Geste der Verzweiflung", mit der die USA die Menschheit einem neuen Weltkrieg näher brächten.

    Kritik an Liefer-Plänen

    Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz hatte sich gegen eine Lieferung von Streumunition aus den USA an die Ukraine gewandt. Überall dort, wo solche Projektile in großem Ausmaß eingesetzt worden seien, hätten sie eine hohe Zahl vermeidbarer ziviler Opfer verursacht, kritisierte das IKRK.
    Opfer seien oft Bauern und andere Feldarbeiter, die von Blindgängern verletzt oder getötet würden. Das Menschenrechtsbüro der Vereinten Nationen erklärte, solche Munition töte oder verstümmele Menschen noch lange nach dem Ende eines Konflikts. Deshalb müsse der Einsatz gestoppt werden.

    Weiterführende Informationen

    In unserem Newsblog zum Krieg in der Ukraine finden Sie einen Überblick über die jüngsten Entwicklungen.
    Diese Nachricht wurde am 08.07.2023 im Programm Deutschlandfunk gesendet.