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US-Sanktionen
"Es ist durchaus ein Handelskrieg"

Der US-Kongress hat die Sanktionen gegen Iran, Nordkorea und Russland verschärft. Heribert Dieter von der Stiftung Wissenschaft und Politik wertet dies als nicht besonders kluge Politik der Amerikaner. "Die Frage muss gestellt werden, was soll mit diesen Sanktionen erreicht werden", sagte Dieter im Dlf.

Heribert Dieter im Gespräch mit Daniel Heinrich | 03.08.2017
    Das Bild zeigt US-Präsident Donald Trump und den russischen Präsidenten Wladimir Putin.
    Putin und Trump im Gespräch - "Die Sanktionen sind sehr gewagt", sagt Heribert Dieter, Experte für internationale Wirtschaftsbeziehungen. (dpa-Bildfunk / AP / Evan Vucci)
    Silvia Engels: Mit seiner Unterschrift hat US-Präsident Trump das Gesetz über neue US-Sanktionen gegen Iran, Nordkorea und Russland in Kraft gesetzt. Über mögliche Folgen sprach gestern mein Kollege Daniel Heinrich mit Professor Heribert Dieter, Experte für internationale Wirtschaftsbeziehungen der Stiftung Wissenschaft und Politik. Er wollte wissen, ob die Sanktionen so rechtswidrig und perspektivlos seien, wie der Kreml das behauptet.
    Heribert Dieter: Sie sind zumindest sehr gewagt. Also, der russische Ministerpräsident Medwedew hat ja von einem Handelskrieg gesprochen, und viel weniger ist das tatsächlich nicht. Es ist eine Entscheidung der amerikanischen Regierung, genauer gesagt: des amerikanischen Kongresses, die Sanktionen zu verschärfen, und die Frage muss gestellt werden, was soll mit diesen Sanktionen erreicht werden. Soll mit diesen Sanktionen erreicht werden, dass die russischen Truppen aus der Krim abziehen, dass Putin seine Politik hinter sich … Ich glaube, das wird nicht geschehen, aber auf dem Weg dahin wird einiges Porzellan zertrümmert, und insofern glaube ich, dass es tatsächlich keine besonders kluge Politik der Amerikaner ist.
    "Das gibt Anlass zur Sorge"
    Daniel Heinrich: Sie nehmen mir die Fragen vorweg, Herr Dieter. Sie haben den russischen Regierungschef Medwedew schon angesprochen. Ist es denn ein Handelskrieg?
    Dieter: Ja, es ist durchaus ein Handelskrieg. Die Amerikaner und, wie gesagt, der amerikanische Kongress - Herr Trump selber hat sich da ja etwas zurückgehalten -, aber der amerikanische Kongress hat mit überwältigender Mehrheit entschieden, dass Firmen, die mit Russland Geschäfte machen, von Amerikanern sanktioniert werden. Das ist natürlich etwas, was eine gewisse Tradition hat, aber es ist zugleich ein Eingriff in die wirtschaftlichen Aktivitäten anderer Länder. Amerika möchte darüber entscheiden, wer mit wem Geschäfte macht, und zwar nicht nur die eigenen Firmen reglementieren, sondern auch die Firmen in verbündeten Ländern, und das ist natürlich sehr weitreichend und gibt zu Sorge Anlass.
    Russland liefert ein Drittel des gesamten Gasverbrauchs der EU
    Heinrich: Der US-Präsident Donald Trump, er spricht von Energiedominanz, die er aufbauen will. Die USA möchten Russland als wichtigsten Gaslieferant für Europa ablösen. Welche Vor-, welche Nachteile hat das für Europa, hat das für Deutschland?
    Dieter: Also für Deutschland ist zunächst mal die Versorgung mit russischem Gas immer eine relativ stabile Sache oder genauer gesagt: eine sehr stabile Sache gewesen. Mitten im Kalten Krieg, mitten in der größten politischen Spannung hat Russland zuverlässig Gas geliefert. Russland liefert heute etwa ein Drittel des gesamten Gasverbrauchs in der Europäischen Union. Das kann man als zu hoch betrachten, das kann man aber auch als angemessen betrachten, weil es ein großer, leistungsfähiger Produzent in unserer Nachbarschaft ist.
    Wenn wir auf amerikanisches Gas umsteigen sollten, dann würde das natürlich zum einen die wirtschaftliche Entwicklung in Russland weiter dämpfen, die ohnehin geschwächt ist – allerdings nicht wegen der Sanktionen, sondern wegen des sich halbiert habenden Ölpreises –, zum anderen werden wir natürlich darauf angewiesen, dass uns die Amerikaner zuverlässig beliefern. Nachdem, was wir in den letzten Monaten erleben, darf man die Frage stellen, ob die Amerikaner tatsächlich so zuverlässig werden, wie sie das im Energiemarkt sein sollten.
    Neben Öl und Gas wenig zu exportieren
    Heinrich: Wir kommen gleich noch mal, Herr Dieter, auf die Verhältnisse in Russland, aber lassen Sie mich da noch mal einhaken. Diese Diversifizierung, die ja dann damit einhergehen würde, ist die nicht von Vorteil für Europa, für Deutschland, will sagen: Machen wir uns nicht zu sehr abhängig von russischen Energielieferungen?
    Dieter: Die Frage ist doch, warum Russland die Energielieferungen einstellen sollte. Russland hat relativ wenig zu exportieren. Neben Öl ist das Gas und sonst relativ wenig. Die russische wirtschaftliche Entwicklung hängt von diesen Rohstoffexporten in sehr hohem Maße ab, und es will mir nicht einleuchten, dass man unterstellt, dass Russland ein Interesse daran haben könnte, die Kuh sozusagen nicht länger zu melken.
    Negative Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung
    Heinrich: Herr Dieter, die Folgen, dieser Sanktionen, die sind jetzt schon sichtbar an der russischen Wirtschaft: Der Rubel ist unter anderem eingebrochen gegenüber dem Euro. Diese verschärften Sanktionen, jetzt noch mal, der USA, wie hart und vor allem welche Bereiche der russischen Wirtschaft werden denn dann getroffen, und vor allem welche Teile der russischen Gesellschaft?
    Dieter: Es wird natürlich, auch wieder wie zu Beginn der Sanktionen, zu einem Rückgang von ausländischen Investitionen geben. Mercedes hat ja gerade ein neues Werk in Russland, in der Nähe von Moskau eröffnet. Es werden sich sehr viele Unternehmen fragen, ob sie Pläne zur Realisierung von Direktinvestitionen in Russland - ob sie die umsetzen sollen. Insgesamt leidet natürlich die russische Wirtschaft, wie schon erwähnt, unter dem deutlichen Rückgang des Ölpreises. Man soll bei der Gelegenheit vielleicht einmal daran erinnern, dass der Ölpreis, der im Moment so bei 50 Dollar pro Barrel, pro Fass liegt, dass der mal bei 10 Dollar pro Barrel lag, und das war jenes Jahr, als Vladimir Putin erstmals an die Macht kam im Jahr 1999.
    Insofern also mit den Sanktionen den Niedergang der russischen Wirtschaft zu begründen, halte ich für etwas gewagt. Es sind eher die niedrigen Energiepreise, die Russland im Export erzielt. Nach meiner Wahrnehmung ist es nicht so, dass die russische Gesellschaft jetzt das Regime Putin infrage stellt, sondern sie scheinen sich, wie das in den letzten Jahren schon zu beobachten war, eher hinter Putin zu scharen und ihn zu unterstützen und er sich vom Westen alleingelassen fühlt. Das wäre das, was ich davon erwarten würde von diesen verschärften Sanktionen. Natürlich hat das negative Auswirkungen auf die russische wirtschaftliche Entwicklung, aber nach meiner Wahrnehmung sind die Sanktionen nicht der Hauptgrund für die schlechte wirtschaftliche Lage.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.