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Leistungssportler in den USA
Hochbezahlt und trotzdem pleite

Hohe Schulden und Konkurs trotz Millionengehalts - kein Einzelfall unter US-Sportlern. Ein Kreditvermittler in Florida besorgt ausschließlich Athleten Darlehen. Die Firma verdient bestens, schützt ihre Kunden aber nicht vor sich selbst.

Von Jürgen Kalwa | 28.01.2023
Evander Kane und Ryan Nugent-Hopkins gratulieren Leon Draisaitl nach einem Tor.
Evander Kane (links) mit seinen Mannschaftskollegen Leon Draisaitl und Ryan Nugent-Hopkins bei den Edmonton Oilers. (picture alliance / ASSOCIATED PRESS / Mark Humphrey)
Selbst wenn man normale Maßstäbe anlegt, ragt der Kanadier Evander Kane aus dem durchschnittlichen Profil eines nordamerikanischen Eishockeystürmers heraus. Er ist nicht nur schnell und torgefährlich, sondern auch aggressiv und furchtlos und kassiert deshalb viele Strafminuten.
Kane fällt auch aufgrund seiner Hautfarbe aus dem Rahmen und ist selbstbewusst genug, damit umzugehen. “Ich bin schwarz”, hat er mal gesagt. “Und das in einem weißen Sport. Mit weißen Trainern, weißen Teammanagern, weißen Klubbesitzern, weißen Fernsehkommentatoren.”
Vor allem aber hat sich Kane, der seit einer Weile mit dem Kölner Leon Draisaitl bei den Edmonton Oilers spielt, aufgrund einer ganz anderen Geschichte einen Namen gemacht. Mit einem Antrag auf privaten Konkurs 2021. Damals spielte er noch bei den San Jose Sharks und verdiente immerhin sieben Millionen Dollar brutto im Jahr. Wie groß war sein Schuldenstand? Exorbitant: 27 Millione Dollar Schulden soll Kane gehabt haben.

Lehner soll 50 Millione Dollar Schulden haben

Seitdem arbeitet das Mahlwerk des amerikanischen Insolvenzsystems die Sache ab. Währenddessen produzierte vor ein paar Tagen die Nachricht eines weiteren spektakulären Konkurses Schlagzeilen. Der schwedische Torhüter Robin Lehner von den Vegas Golden Knights, so wird derzeit von vielen Medien spekuliert, soll Schulden in einer Größenordnung von bis zu 50 Millionen Dollar angehäuft haben. Der Kassensturz mit den Details und der tatsächlichen Gesamtsumme steht allerdings noch aus.
Was erst auf den zweiten Blick ins Auge fällt: Auf der Liste der Gläubiger von Kane UND von Lehner findet sich ein Name. Ein Darlehensvermittler, der sich auf Kredite für Sportler spezialisiert hat. Die Firma nennt sich Sure Sports Lending, sitzt in Florida und ist gut im Geschäft. Man lebt von Maklergebühren.
Erfolgreiche Abschlüsse werden per Facebook-Video von Mitarbeitern bekanntgegeben. So wie Anfang 2022, als man einen enormen Kredit für einen namentlich nicht genannten Baseball-Profi feierte. Mit einem Gongschlag: 2,125 Millionen Dollar zu 4 Prozent Festzins für einen Baseballspieler, der schon Meister war und in die Hall of Hame des Sports einziehen werde.

8,5 Prozent Courtage für Sure Sports

Wieviel Sure Sports dabei verdient, wenn alles gut läuft, wurde im Fall von Kane erstmals öffentlich aufgerechnet. Man hätte gerne von Kane 1,2 Millionen Dollar. Und zwar auf der Basis eines Kreditvolumens von insgesamt 14 Millionen Dollar. Anders gerechnet: rund 8,5 Prozent Courtage. Der New Yorker Journalist Daniel Kaplan, der sich für die einflussreiche Online-Sportpublikation “The Athletic” um den Bereich Sportkommerz kümmert, sagte dem Deutschlandfunk, wie es dazu kam: Es handelte sich um eine ständig drehende Spirale aus immer mehr Schulden und immer neuen Krediten:
“Die neuen Darlehen dienten dazu, alte zu tilgen. Er hat sich im Laufe der Jahre insgesamt 46 Millionen Dollar geliehen, von denen nur etwa 9 Millionen übrig blieben. Mit dem Rest wurden alte Schulden bezahlt und Gebühren beglichen. Es war ein Kreislauf."
Sure Sports gilt unter Athleten als gute Adresse. Die Firma bezirzt schon junge Spieler in der frühen Karrierephase, ehe sie lukrative Verträge abschließen. Und sie greift Agenten unter die Arme, die diesen Athleten zumeist die Kosten für den Lebensunterhalt vorstrecken. Daniel Kaplan sagt über diese Überbrückungshilfen und das Wirken von Firmengründer und Chef Leon C. McKenzie, der 2009 diese Nische auf dem Finanzmarkt entdeckte:
“Er arrangiert zum Beispiel sechsmonatige Darlehen, die man zurückzahlt, sobald das erste Gehalt eintrifft. Daran ist nichts verwerflich. Aber die Sache mit Evander Kane ist etwas ganz anderes.”

Glücksspielsucht als Kernproblem bei Kane

Sie ist nicht nur anders, sondern sehr umstritten. Und das nicht nur, weil Kane offensichtlich von Glücksspielsucht getrieben war, wie er dem Fernsehsender ESPN gegenüber zugegeben hat: “Ich habe ein Glücksspielproblem. Das ist wie ein Alkoholproblem oder ein Drogenproblem. Da verlierst du manchmal die Kontrolle über dich.”
Ein Problem, das mit Hilfe des Kreditvermittlers eine Weile lang verschleiert werden konnte. Sure Sports könnte allerdings diesmal draufzahlen. Kanes Anwälte wollen, dass das Insolvenzgericht die Ansprüche aberkennt. Die Firma habe nicht nur den Eishockey-Profi schlecht beraten, sondern angeblich zusätzlich von den kreditgebenden Geldinstituten eine Courtage erhalten. Ein Interessenkonflikt erster Güte.

Kane und Lehner als Ausnahmen

Die Schlagzeilen über die beiden NHL-Spieler erwecken den Eindruck, als sei Verschuldung und Konkurs für amerikanische Athleten ein markantes Problem. Daniel Kaplan glaubt, dieser Eindruck täuscht:
"Das kam wahrscheinlich viel häufiger vor, als die Sportler noch weniger Geld verdient haben. Aber es gibt immer wieder Fälle, die Menschen in Staunen versetzen – angesichts der enormen Summen. Kane und Lehner sind eher die Ausnahmen. Die Ligen und Teams sind sich der Problematik schon lange bewusst und schulen sehr gezielt die jungen Profis im Umgang mit Geld.”
Anders sieht es mit jenen Sportlern an den Universitäten aus, die seit Neuestem nicht mehr lupenreine Amateure sind und Werbeverträge abschließen dürfen. Wie gut deren Verhältnis zu Geld ist und welchen Lebensstil sie sich womöglich auf Pump leisten und daran Pleite gehen, wird man in Amerika erst in Zukunft herausfinden.