Mittwoch, 24. April 2024

Archiv

US-Wahl 2016
"Das Rennen ist bei Weitem nicht entschieden"

Der Politikberater Julius van Laar prognostiziert für den US-Wahlkampf "eine Schlammschlacht". Er erwarte einen unheimlich negativen Wahlkampf, sagte er im DLF. Hinzu käme, dass weder Clinton noch Trump bei den Wählern beliebt seien und das Gefühl herrsche, man müsse "das kleinere von beiden Übeln wählen".

Julius van de Laar im Gespräch mit Doris Simon | 25.07.2016
    Arbeiter bereiten den Saal im Wells Fargo Center in Philadelphia für den National Convention der US-Demokraten vor.
    Politikberater Julius van Laar: "Hillary Clinton schadet auch, dass viele Leute den Eindruck haben, sie sei nicht ehrlich, sie würde Sachen machen und dann nicht die Wahrheit darüber sagen." (picture-alliance/ dpa/ epa/ CJ Gunther)
    Doris Simon: In Philadelphia beginnt heute der Parteitag der US-Demokraten und Tim Kaine ist der Mann, mit dem Hillary Clinton in den Kampf um das Präsidentenamt ziehen will. Der Senator aus Virginia soll auch die eine oder andere bekannte Schwäche der Kandidatin ausgleichen.
    Sie ist erfahren, sie ist intelligent, sie ist ein Arbeitstier, aber sie ist auch unglaublich unbeliebt, Hillary Clinton, die sich in dieser Woche auf dem Wahlparteitag der US-Demokraten stellt: als Präsidentschaftskandidatin. Ich habe vor dieser Sendung gesprochen mit dem Berliner Politikberater Julius van de Laar. Er hat 2008 und 2012 Wahlkampf gemacht für Barack Obama, unter anderem in Missouri und in Ohio.
    Julius van de Laar: Schön, bei Ihnen zu sein.
    Simon: Herr van de Laar, Barack Obama hat es geschafft, Wähler zu mobilisieren, vor allem, aber längst nicht nur junge und afroamerikanische Wähler. Kann Hillary Clinton mobilisieren und wenn ja wen?
    van de Laar: Barack Obama damals im Wahlkampf 2008 hatte natürlich den großen Vorteil, dass er einen enorm positiven Wahlkampf machen konnte, dass er vor allem aber auch einfach ein Kandidat war, der enorm beliebt war und Leute inspirieren konnte. In diesem Wahlkampf 2016 sehen wir etwas ganz anderes. Sowohl Donald Trump als auch Hillary Clinton sind extrem unpopulär. Die Beliebtheitswerte sind absolut negativ für beide Kandidaten. Dementsprechend wird es einfach eine Schlammschlacht, ein unheimlich negativer Wahlkampf werden und Wähler werden wahrscheinlich nicht zu den Urnen gehen, weil sie sich für einen der beiden Kandidaten so unglaublich begeistern, sondern eher das kleinere von beiden Übeln wählen werden.
    Simon: Sie haben ja Clinton 2008 als Gegnerin erlebt. Sie war damals eigentlich die gesetzte Kandidatin der Demokraten. Und dann kam Barack Obama, der eroberte viele Herzen, viele Menschen. Clinton, die schaffte das nicht. Die schafft es heute immer noch nicht so richtig gut, da läuft vieles über Vernunft. Wie gesagt, sie ist unbeliebt. Könnte es trotzdem klappen?
    van de Laar: Im Moment deutet vieles darauf hin. Noch mal: Der eine Faktor ist natürlich, wie unpopulär Donald Trump ist, insbesondere bei einigen Wählergruppen, vor allem vorwiegend Frauen. Dort ist er weit hinter Hillary Clinton und Frauen sind natürlich ein wesentlicher Bestandteil des Lektorats. Dazu kommen Latinos, Afroamerikaner, bei denen natürlich Donalds Trump unheimlich viele Fehler gemacht hat beziehungsweise sich auch aktiv dafür entschieden hat, diese Gruppen nicht anzusprechen und im Endeffekt auch Hetze gegen sie zu machen. Nichts desto trotz: Das Rennen ist bei Weitem nicht entschieden.
    Alle die jetzt sagen, Donald Trump ist absolut unwählbar, ich glaube, die vergessen, wie der Vorwahlkampf gelaufen ist. Da haben auch alle gesagt, meine Güte, niemals wird Donald Trump den Vorwahlkampf überleben, und jetzt haben wir gesehen, wer letzte Woche nominiert wurde. Das war Donald Trump, der alle Regeln der Wahlkampfführung im Endeffekt gebrochen hat und gewonnen hat.
    "Clinton hat das Problem der Unglaubwürdigkeit"
    Simon: Hillary Clinton schadet auch, dass viele Leute den Eindruck haben, sie sei nicht ehrlich, sie würde Sachen machen und dann nicht die Wahrheit darüber sagen. Jetzt sind kurz vor dem Parteitag noch mal E-Mails bekannt geworden, die zeigen, dass die Spitze der Partei alles möglich gemacht hat, um Bernie Sanders zu diskreditieren, den Senator aus Vermont. Die Parteispitze hat mit allen Mitteln versucht, Hillary zu pushen. Wie sehr wird ihr das denn schaden?
    van de Laar: Um ganz ehrlich zu sein, glaube ich, dass es relativ offensichtlich war während des Wahlkampfs, dass man immer wieder gemerkt hat, die demokratische Partei geht auf jeden Fall in die Richtung Hillary Clinton, unterstützt sie ein bisschen mehr hier, ein bisschen mehr da, äußert sich ein bisschen positiver über Hillary Clinton.
    Hillary Clinton wird niemals die Kandidaten sein, die die Herzen und die wirklich die Aspiration der unentschlossenen Wähler, vor allem aber auch des progressiven Flügels der demokratischen Partei erreichen kann. Sie wird niemals wirklich die Herzenskandidaten der Bernie Sanders Wähler sein. Insofern glaube ich, dass sie da nicht wirklich Schaden genommen hat.
    Das größere Problem für Hillary Clinton ist aber in einer gewissen Weise die Unglaubwürdigkeit. Sie hat einfach schon unheimlich viele Skandale durchgemacht. Das geht zurück zu den Jahren, in denen Bill Clinton, ihr Ehemann, im Weißen Haus war, aber auch wieder rund um Bengasi, wo es doch einige kommunikative Schwierigkeiten gab, die die Republikaner eiskalt ausgenutzt haben.
    Simon: Damals der Angriff auf die US-Botschaft in Libyen.
    van de Laar: Absolut! Vielen Dank. - Es zieht sich einfach so eine rote Linie durch Hillary Clintons Lebenslauf, wo einfach doch viele Fragen aufgekommen sind: Spielt Hillary Clinton mit denselben oder nach denselben Regeln, die der Rest von uns auch anerkennen müssen? Und das ist auf jeden Fall eine Flanke, die die Republikaner sehr, sehr hart angreifen.
    Clinton sollte sich auf "den Kontrast mit Donald Trump vorbereiten"
    Simon: Was würden Sie machen als Politikberater, wenn Sie jetzt im Team Hillary wären?
    van de Laar: Hillary Clinton hat zwei Optionen. Die eine Option ist, ganz klar zu sagen, wir gehen auf den absoluten Kontrast gegen Donald Trump. Donald Trump hat in seiner Parteitagsrede letzte Woche ein sehr, sehr düsteres Bild gezeichnet über Amerika, dass im Endeffekt die Welt kurz vor dem Untergang steht.
    Und jetzt kann man natürlich den Kontrast aufmachen und sagen, prima, wenn das so ist und wenn das wirklich Wählerinnen und Wähler auch spüren, wer sollte dann lieber im Weißen Haus sitzen, im Oval Office sitzen. Sollte das Donald Trump sein, der im Endeffekt nicht zurechnungsfähig ist, oder sollte das lieber Hillary Clinton sein, die wirklich jahrelang Erfahrung hat in Foreign Policy, in der Außenpolitik, jemand, der wirklich gedient hat, jemand, der weiß, wie Washington funktioniert? Wollen wir wirklich jemanden wie Donald Trump dort ranlassen?
    Ich glaube, das ist ein Argument, das nicht unbedingt beflügelt, das nicht unbedingt die Herzen anspricht, aber das effektiv ist.
    Die andere Frage ist: Will Clinton sich als die progressive Führerin darstellen, also jemand, der im Endeffekt in die Fußstapfen von Bernie Sanders tritt und eine progressive Agenda durchsetzt? Ich glaube, das ist ein Risiko, das Hillary Clinton nicht unbedingt eingehen sollte, sondern sich wirklich auf den Kontrast mit Donald Trump vorbereiten sollte.
    "Kaine weiß, wie ein Wahlkampf funktioniert"
    Simon: Hillary Clinton hat sich ja jetzt Tim Kaine ausgesucht aus Virginia als möglichen Vize. Das ist ja keine triviale Wahl, sondern eine Entscheidung. Dieser nominelle Vize - ob er es wird, steht ja noch in den Sternen -, der soll ja oft ausgleichen, was der Präsidentschaftsbewerber nicht hat. Was spielt Kaine da für eine Rolle?
    van de Laar: Kaine, glaube ich, bringt einige Aspekte mit sich. Auch wenn über ihn gesagt wird, dass er eher langweilig ist, hat Kaine natürlich den Vorteil, dass er schon mehrfach durch große Wahlkämpfe durchgegangen ist. Er war Gouverneur, war aber auch jetzt zuletzt Senator vom Bundesstaat Virginia. Insofern: Er weiß, wie so ein Wahlkampf funktioniert, und wir können oder müssen wahrscheinlich keine großen Fehler und Schnitzer von ihm erwarten, wie damals noch 2008 Sarah Palin viele gemacht hat. Insofern: Unter dem Aspekt ist er sicher.
    Vor allem kommen aber noch ein paar andere Aspekte dazu. Tim Kaine kann im Endeffekt genau dieses Argument unterstreichen. Das sind zwei seriöse Kandidaten, die beide wissen, wie Politik gemacht wird, die beide sehr, sehr erfahren sind und dementsprechend auch ein extremer Kontrast sind zu Donald Trump und die im Endeffekt in so einer Welt, die so volatil ist, wie es Donald Trump darstellt, wirklich auch von Tag eins loslegen können.
    Der andere Aspekt ist, dass er Latinos anspricht. Tim Kaine spricht fließend Spanisch, wie wir auch jetzt schon mehrfach gesehen haben. Insofern: Die Latino-Bevölkerung ist enorm wichtig in diesem Wahlkampf. Trump hat im Endeffekt alles gemacht, um sich gegen die Latinos zu stellen. Insofern: Das ist ein weiterer Aspekt, warum Tim Kaine ein wichtiger Zusatz zu dem Clinton-Ticket sein wird und warum er auch diese Zielgruppe sehr effektiv ansprechen kann.
    Simon: Gibt es denn noch andere Gründe für Hillary Clinton, ausgerechnet Tim Kaine, den Demokraten aus Virginia zu nehmen?
    van de Laar: Ein ganz, ganz wichtiger Grund, der bis jetzt noch übersehen wird, ist der Senat. Im Moment haben die Republikaner eine Mehrheit im Senat. Dadurch, dass Hillary Clinton Tim Kaine, den Senator aus Virginia genommen hat, kann sie auch sicherstellen, dass dieser Senatssitz auch weiterhin in demokratischer Hand bleibt. Denn der Gouverneur vom Bundesstaat Virginia, der den nächsten Senatssitz auch wieder besetzen wird, das ist ein Demokrat. Infolgedessen wird er höchst wahrscheinlich auch einen Demokraten wieder in diesen Sitz befördern. Insofern: Die Demokraten verlieren keinen Senatsplatz. Das wäre anders gewesen, wenn sie zum Beispiel Cory Booker, den demokratischen Senator aus New Jersey genommen hätte.
    "Ein Parteitag, der wie geschmiert laufen wird"
    Simon: Ihre Einschätzung, was wird das für ein Wahlparteitag der Demokraten diese Woche in Philadelphia?
    van de Laar: Im Vergleich zu den Republikanern erwarte ich einen sehr, sehr ruhigen Parteitag, einer, der im Endeffekt wie geschmiert laufen wird.
    Es sprechen unheimlich populäre und auch sehr, sehr bekannte Redner, angefangen von Präsident Obama, der, glaube ich, ein sehr, sehr effektiver Redner ist. Dazu kommt Bill Clinton, aber auch Bernie Sanders wird sprechen, Elizabeth Warren, eine weitere sehr progressive Senatorin, die, glaube ich, auch dort Hillary Clinton unterstützen kann. Dazu kommt ein Haufen Stars wie Lady Gaga und andere. Insofern: Das wird auf der einen Seite ein Spektakel. Vor allem aber glaube ich, dass die Demokraten da deutlich vorbereiteter sind und nicht die großen Fehler machen, wie wir es von Donald Trump und der republikanischen Partei letzte Woche gesehen haben.
    Simon: ... sagt der Berliner Politikberater Julius van de Laar. Er hat 2008 und 2012 Wahlkampf gemacht für Barack Obama. Vielen Dank!
    van de Laar: Sehr, sehr gerne!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.