Donnerstag, 28. März 2024

Archiv

US-Wirtschaftspolitik nach der Wahl
"Protektionismus ist keine Zukunftslösung"

Würde Donald Trump als US-Präsident eine protektionistische Wende in den USA einleiten? Ford-Deutschlandchef Bernard Mattes rechnet nicht damit. Er sagte im Deutschlandfunk, die amerikanische Wirtschaft sei global zu vernetzt und könne sich mit Protektionismus nicht weiterentwickeln.

Bernhard Mattes im Gespräch mit Silke Hahne | 08.11.2016
    Ford-Chef Bernd Mattes spricht bei einer Vernastaltung am 8. Mai 2015.
    Ford-Chef Bernd Mattes (imago stock&people)
    Silke Hahne: Um das Thema Freihandel geht es jetzt auch noch mal ein bisschen. Am Telefon ist nämlich Bernhard Mattes, Chef von Ford Deutschland und Präsident der Deutsch-Amerikanischen Handelskammer, außerdem ein klarer Freihandelsbefürworter. Guten Tag, Herr Mattes.
    Bernhard Mattes: Guten Tag!
    Hahne: Herr Mattes, weltweit geht die Sorge vor einer protektionistischen Wende in der US-Wirtschaftspolitik um. Sie haben hingegen Ende August im Deutschlandfunk gesagt, auch ein Präsident Donald Trump würde sehr schnell erkennen, Protektionismus ist keine Dauerlösung. Ist Ihr Glaube daran unerschütterlich?
    Mattes: Frau Hahne, auf jeden Fall, weil die Amerikaner, die amerikanische Wirtschaft ist global so vernetzt, dass sie von einem reinen Protektionismus sich nicht weiterentwickeln werden kann. Und insofern, glaube ich, werden einfach die Fakten dieser globalen Vernetzung dazu führen, dass man auch weiterhin globalen freien Handel und auch Direktinvestitionen in anderen Ländern wie aber auch in den USA sehen wird und auch unterstützen wird.
    "Protektionismus ist keine Zukunftslösung"
    Hahne: Jetzt hat Trump ja auch Ihren Mutterkonzern Ford Amerika ganz konkret als Negativbeispiel genannt, als es um Firmen ging, die ihre Produktion nach Mexiko verlagern, und ja auch gleichzeitig mit Strafzöllen gedroht. Ist das kein Grund zu fürchten für Sie, für Ford?
    Mattes: Wir haben versucht, sehr deutlich zu machen, dass wir ein global agierendes Unternehmen sind, das seine Wettbewerbsvorteile und seine Wettbewerbsfähigkeit auch durch eine globale Produktion sichern muss und seine Marktposition dadurch absichern muss. Wir haben aber auch klar und deutlich machen können, dass wir keine Arbeitsplätze in den USA vernichtet haben. Im Gegenteil: Wir sind gewachsen in den USA, wir sind erfolgreich in den USA und die USA sind unser Heimatmarkt und unser größter Markt und wir werden uns auch weiterhin auf die USA konzentrieren.
    Hahne: Das ist ja jetzt sehr diplomatisch. Aber was würden Sie denn konkret in Erwägung ziehen, sollte Trump die Wahl gewinnen, sollte er dann Ford direkt angreifen?
    Mattes: Nun, wir werden uns mit Rahmenbedingungen, die die Politik setzt, auseinandersetzen. Das ist gar keine Frage. Ich will aber jetzt hier nicht spekulieren. Ich gehe nicht davon aus, dass es zusätzliche Handelshemmnisse in der Zukunft geben wird. Protektionismus ist keine Zukunftslösung, sondern wir müssen uns mit einer offenen Perspektive dem globalen Wettbewerb stellen können. Das ist das, was die global agierenden Unternehmen auch brauchen.
    "Steuern sind dazu da, Infrastruktur zu schaffen"
    Hahne: Dann ziehen wir das Bild jetzt mal ein bisschen auf. Hillary Clinton will Unternehmen eher härter an die Kandare nehmen in Sachen Steuern. Trump will die Steuersätze senken für Unternehmen. Was wäre Ihnen, was wäre Ford denn da eigentlich lieber?
    Mattes: Nun, auch hier kann ich nur sagen, wir werden uns mit dem auseinandersetzen, was an Rahmen gesetzt wird, und von daher gesehen: Wie gesagt, Spekulationen machen jetzt keinen Sinn. Die Steuerpolitik, die Herr Trump vorschlägt, ist eine starke Reduzierung der Steuern und dann daraus abgeleitet, dass mehr Geld vorhanden ist für Investitionen. Ob das funktioniert - ich habe einige Wirtschaftsweise hierzu gehört, die diese Meinung nicht vertreten. Steuern sind dazu da, Infrastruktur zu schaffen, Investitionen in Bildung, in Ausbildung zu unterstützen. Ich glaube, das ist etwas, was notwendig ist und was auch die USA für die Weiterentwicklung brauchen.
    Hahne: Beiden Kandidaten liegt ganz offensichtlich die US-Industrie am Herzen. Trump will den Rust Belt, den Stahlgürtel, die amerikanische Stahlproduktion wieder zu alter Größe führen. Auch Clinton will den Mittelstand als Rückgrat der Industrie stärken. Gleichzeitig wissen wir, dass ganze Landstriche verarmt und verweist sind nach dem Zusammenbruch industrieller Strukturen dort. Halten Sie die US-Industrie überhaupt für wiederbelebbar, oder machen Trump und Clinton da leere Versprechungen?
    Mattes: Die Entwicklung in den letzten Jahren in den USA und die wirtschaftliche positive Entwicklung hat ja gezeigt, dass sehr wohl Kräfte in den USA sind, die auch eine Reindustrialisierung wieder möglich machen und auch eine ganze Menge an Aktivitäten dafür vorhanden sind. Es gibt einen breiten Mittelstand nach wie vor in den USA und dieser breite Mittelstand hätte zum Beispiel aber auch von noch freierem Handel über die Grenzen der USA hinaus Chancen, weil sich damit Märkte öffnen, die heute aufgrund von Handelshemmnissen für diese Unternehmen nicht erreichbar sind. Das gleiche gilt für europäische mittelständische Unternehmen und den US-Markt.
    Polarisierung im Wahlkampf: "So was habe ich noch nicht erlebt"
    Hahne: Auch da steht ja die Autoindustrie häufig im Fokus. Glauben Sie denn tatsächlich auch an eine Renaissance der Automobilindustrie in den USA? Ist das möglich?
    Mattes: Wenn wir uns die Entwicklung der US-amerikanischen Hersteller, auch von Ford anschauen, dann haben wir uns in den letzten Jahren sehr gut entwickelt. Wir haben ein breites Produkt-Portfolio entwickelt, wir haben neue moderne Technologien, ob Fahrassistent-Systeme oder auch Antriebe entwickelt. Wir sind der zweitgrößte Plug-in-Verkäufer in den USA, also wirklich auch modernste Antriebstechnologien. Und wir haben uns auf den Weltmärkten so wie in Asien, aber auch in Europa nicht nur gut behauptet, sondern weiterentwickelt. Ich denke nur an den großen Erfolg unserer Nutzfahrzeuge. Von daher gesehen muss man gar nicht von einer Renaissance sprechen, sondern wir sind erfolgreich und wir sind auch auf einem guten Kurs.
    Hahne: Ich wollte jetzt allerdings auch wissen, ob Sie quasi neue Arbeitsplätze in den USA schaffen. Wie viele Autos Sie da verkaufen, ist die eine Sache, aber…
    Mattes: Die haben wir ja in den letzten Jahren geschaffen. Das hatte ich vorhin schon gesagt. Nach der Krise, als wir uns konsolidieren mussten, nicht nur wir, sondern andere, wurde eine erhebliche Zahl an Arbeitsplätzen auch in den USA geschaffen.
    Hahne: Sie kennen, Herr Mattes, ja auch die USA seit Langem persönlich. Sie waren schon als Jugendlicher dort. Der Ton in diesem Wahlkampf, der war sehr rau. Beobachter sprechen von einer Verrohung der politischen Kultur und einer tief gespaltenen Gesellschaft. Ist das auch Ihr persönlicher Eindruck?
    Mattes: Ja, leider, und so was habe ich auch noch nicht erlebt. Diese Polarisierung, die Spaltung der Gesellschaft, die bis dazu geht, dass innerhalb von Familien der eine mit dem anderen nicht mehr spricht, weil der eine den anderen Kandidaten nicht wählen will, das sind Entwicklungen, die sicherlich mit einer Demokratie wenig zu tun haben, oder zumindest mit einem demokratischen Auseinandersetzen unterschiedlicher Argumente und auch Positionen. Man kann nur dem nächsten Präsidenten oder der Präsidentin wünschen und auch mit auf den Weg geben, die Spaltung der Gesellschaft, diese aufzulösen, die Gesellschaft wieder zusammenzufügen. Das wird neben allen wirtschaftlichen Themen eine ganz, ganz wichtige Aufgabe für die Zukunft sein.
    "Ich drücke dem Kandidaten die Daumen, der für freien und fairen Handel weltweit eintritt"
    Hahne: Wird es denn auch eine wichtige Aufgabe für die Zukunft sein, um die Wirtschaft der USA zu retten? Denn die Offenheit und Toleranz des Landes galt ja auch immer als Erfolgsrezept dieses Landes.
    Mattes: Das sehe ich so. Wenn die Amerikaner wieder geschlossen hinter den Positionen und den Rahmenbedingungen der Politik stehen, dann wird das auch die Wirtschaft weiter beflügeln und die Offenheit und die Liberalität, die die USA immer ausgezeichnet hat, ist etwas, was notwendig ist für offenen Handel, für offene Investitionen in andere Märkte, und das ist das, was die USA immer stark gemacht hat. Und ich bin sicher: Unsere Unternehmen wollen das. Die der AmCham sehen genau die Möglichkeit als die richtige an und deswegen unterstütze ich diese Haltung auch.
    Hahne: Vielleicht kann ich es Ihnen ja heute entlocken. Wem drücken Sie denn die Daumen?
    Mattes: Ich drücke dem Kandidaten die Daumen, der für freien und fairen Handel weltweit eintritt, der für Investitionen, Ausbildung und Infrastruktur steht. Und wenn ich mir die Programme anschaue, dann ist es klar, dass Protektionismus nicht das Programm ist, was wir unterstützen, sondern freier und fairer Handel, und der wird eher von Frau Clinton als von Donald Trump postuliert.
    Hahne: Sagt Bernhard Mattes, Chef von Ford Deutschland und Präsident der Deutsch-Amerikanischen Handelskammer. AmCham. Danke für das Gespräch, Herr Mattes.
    Mattes: Gerne, Frau Hahne. Auf Wiederhören!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
    Das vollständige Gespräch können Sie in Kürze hier nachlesen.