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Amateurstatut abgeschafft
Goldgräberstimmung im US-Collegesport

Junge Talente im College-Basketball und -Football können sich selbst lukrativ vermarkten, seit das strenge Amateurstatut abgeschafft wurde. Nicht nur Männer profitieren. Auch Frauen sind in der Lage, erhebliche Summen zu verdienen.

Von Jürgen Kalwa | 16.10.2022
Azzi Fudd (r.) von der University of Connecticut ist laut NBA-Star Stepen Curry das kommende Gesicht des Frauen-Basketballs.
Azzi Fudd (r.) von der University of Connecticut ist laut NBA-Star Stepen Curry das kommende Gesicht des Frauen-Basketballs. (IMAGO / USA TODAY Network / IMAGO / David Butler II)
Die Mannschaft der University of Kentucky gehörte im Frühjahr zu den Favoriten auf die Basketball-Meisterschaft. Doch sie scheiterte bereits in der ersten Runde überraschend gegen einen Außenseiter.
Den besten Spieler traf keine Schuld. Oscar Thsiebwe aus dem Kongo, 2,10 Meter groß und Dreh- und Angelpunkt des Teams, lieferte ab. Und wurde denn auch trotz der Niederlage als bester College-Basketballer des Jahres ausgezeichnet.

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Normalerweise wäre er – mit seinen 22 Jahren – ein formidabler Kandidat für die NBA. Doch er entschied anders. Auf Ratschlag einer höheren Instanz, wie er dem Sportsender ESPN sagte: "Gott hat mir gesagt, er will, dass ich zurückkehre und weiter an mir arbeite. Ich werde also nächstes Jahr in Kentucky dabei sein."

Collegesportler können Persönlichkeitsrechte vermarkten

Warum auch nicht? Nach langem hin und her, in das sich Gerichte und Gesetzgeber von Kalifornien bis Georgia eingeschaltet hatten, wurde vor einem Jahr das jahrzehntelang konsequent umgesetzte Amateurstatut beerdigt. Seitdem können Collegesportler unbeschränkt ihre Persönlichkeitsrechte vermarkten.   
Für einige Jungstars wie Thsiebwe sind die neuen Werbe-Möglichkeiten ungemein lukrativ. Er schloss Medienberichten zufolge Verträge über umgerechnet 3 Millionen Euro ab. Und er umschifft dabei sogar elegant ein riesiges Problem. 
Eigentlich gilt die neue Verdienstmöglichkeit nur für amerikanische Athleten. Das Studentenvisum für Ausländer verwehrt ihnen ausdrücklich jeden Job und jede Form von geschäftlicher Aktivität. Aber Thsiebwe und seine Manager fanden einen Ausweg. So flog er im August auf die Bahamas, um dort das Geschäftliche zu regeln. Und gleich noch Werbespots wie diesen für einen Vollblut-Pferdezüchter aus Kentucky aufzunehmen.
Nicht nur männliche Nachwuchstalente - vor allem in den populären Sportarten Football und Basketball - profitieren. Auch weibliche Athleten, die im Kampf um Aufmerksamkeit sonst eher im Schatten der Männer stehen.

Azzi Fudd "nächstes Aushängeschild im Frauen-Basketball"

Das prominenteste Beispiel: Zwei Basketballerinnen an der University of Connecticut, einem Erfolgsteam. Jede von ihnen steuert auf die erste Million Brutto zu. Die eine – Paige Bueckers – unter anderem dank Werbepartnern wie der namhaften Getränkefirma “Gatorade”. Die andere – Azzi Fudd – weil sie bei der Firma unterschreiben konnte, die den Ballzauberer Steph Curry vom NBA-Klub Golden State Warriors vermarktet. Seine Prognose: Die 19-Jährige werde "das nächste Aushängeschild im Frauen-Basketball” sein: “Wir wollen über den Tellerrand hinausschauen und Möglichkeiten schaffen, als Mentor zu fungieren, um Azzi schon früh den Weg zu ebnen. Hoffentlich kann ich ihr dabei behilflich sein.”
Wie groß ist der neue Markt? Eine Übersicht zu bekommen, ist schwierig, sagt Erica Hunzinger, Reporterin der Nachrichtenagentur Associated Press, die das Thema seit einer Weile verfolgt: “Es gibt keine zentrale Stelle, wo alle Informationen erfasst werden. Wenn man sich einigermaßen ein Bild machen will, gibt es nur drei oder vier Vermittler, die bereit sind, ihre Zahlen zu veröffentlichen. Man muss die Daten aus unterschiedlichen Quellen zusammentragen.”

Höchste Verträge im Fußball und Männer-Basketball

Immerhin entstand so wenigstens die Skizze eines riesigen Gesamtmarkts mit tausenden von einzelnen Verträgen. “Für das erste Jahr, das am 1. Juli 2021 begann, belief sich eine Schätzung auf 917 Millionen Dollar. Der Betrag könnte höher oder niedriger sein. Insider sagen, dass es im zweiten Jahr um Milliardenbeträge gehen wird. Im Fußball und Männer-Basketball gibt es die meisten und am höchsten dotierten Verträge."
Angaben über den durchschnittlichen Wert der einzelnen Deals schwanken zwischen 1500 und 3400 Dollar. Mehr als nichts. Und ein Bonus zu den Stipendien, die Collegesportler erhalten. Aber nicht genug, um große Sprünge zu machen.
Anders sieht es bei den hochgehandelten Jungstars aus. Deren Marktwert beeinflusst den Wettbewerb und macht Trainer nervös, bislang die unumstrittenen Halbgötter des Collegesports. Sie verdienen exorbitante Summen.
Hunzinger: "Es ist sehr interessant zu sehen, wie das viele Geld die Situation für College-Trainer verändert hat. Vor Beginn der Football-Saison haben sich Trainer gegenseitig angemault. Sie befürchten, dass das neue System dazu führt, dass Spieler wegen des Geldes die Universität wechseln.”
Woraus folgt: Die vielen Dollar bremsen Ausnahmetalente, aus rein finanziellen Gründen allzu früh zu den Profis wechseln. Was den Millionen von Anhängern dieser Sportsparte nur recht ist.