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USA
Drogenkrieg à la CIA

Der amerikanische Historiker Alfred McCoy beschäftigt sich seit Beginn seiner Karriere mit dem US-amerikanischen Geheimdienst CIA. Jetzt erscheint eine überarbeitete Neuausgabe seines Klassikers über die CIA und ihre Drogenpolitik im Kalten Krieg.

Von Martin Zähringer | 02.05.2016
    Polizist beim Kampf gegen illegalen Cocaanbau in San Miguel in Kolumbien
    Polizist beim Kampf gegen illegalen Cocaanbau in San Miguel in Kolumbien (dpa / picture alliance / Mauricio Duenas)
    Auf der Rückseite dieses Buches steht in großen roten Lettern folgende Frage: "Die CIA - Der größte Drogenhändler der Welt?". Die Frage spielt mit der allgemeinen Sensationslust, dabei könnten es selbst Verschwörungstheoretiker schon lange besser wissen. Denn Alfred McCoy hat bereits in den 1970er-Jahren in einer ersten Fassung seiner groß angelegten Studie gezeigt, dass die CIA als Organisation nicht der große Dealer im globalen Heroingeschäft ist, dafür aber ein Wegbereiter der besonderen Art. McCoy schreibt:
    "Jede Geschichte des Heroins wäre ohne eine Darstellung der CIA-Operationen unvollständig, denn sie trugen, wenngleich unbeabsichtigt, im letzten Jahrhundert zum Wachstum des globalen Drogenhandels bei."
    Nicht unbeabsichtigt war jedoch die strategische Komplizenschaft mit wechselnden Partnern im Drogengeschäft. 1971 hat der junge Historiker im Dschungel von Laos selbst recherchiert, wie die CIA regelmäßig die Opiumernte aus den Bergen von Laos ausfliegen ließ, um die lokalen Führer ihrer antikommunistischen Geheimarmee wirtschaftlich zu unterstützen. Am Ende kam dieses Opium in Vietnam an, wo es zu einer aufblühenden Heroinindustrie führte, viele amerikanische Soldaten süchtig und mit den USA verbündete Politiker und Militärs reich und mächtig machte.
    Weltpolitik durch Drogenhandel
    In der jetzigen Fassung des Buches zeigt McCoy in detaillierten Recherchen, wie sich das Prinzip der Geheimmanöver zum System entwickelte, zu "Weltpolitik durch Drogenhandel". McCoy konstatiert:
    "Während der 40 Jahre des Kalten Krieges spielten die Geheimdienste Amerikas und seiner Verbündeten eine katalytische Rolle im aufstrebenden Drogenhandel, indem sie die Drogenbarone des Hochlandes und internationale Drogenschmuggler beschützten."
    Das Zusammenspiel von Politik, Geheimdiensten und Drogensyndikaten beginnt nach McCoys Recherchen schon früh. Im Zweiten Weltkrieg operierten amerikanische Dienste demnach mit den maritimen Netzwerken von New Yorker Drogenbossen, um deutsche U-Boote abzuwehren. Nach dem Krieg bekämpfte die CIA die linken europäischen Gewerkschaften und spannte dafür die korsische Drogenmafia ein. Später konnten die europäischen Syndikate unbehelligt das in Marseille produzierte Heroin in die USA einführen. Dies ist nur eine Etappe in der Geschichte des Opiums als strategische Ware, auf die sich McCoys Analyse konzentriert.
    Er folgt weitgehend einem chronologischen Ansatz und beginnt mit den ersten schriftlichen Erwähnungen von Opium als Heilpflanze, beschreibt dann einen kleinen, über Jahrtausende primär asiatischen Handelskreislauf, bis das Opiumgeschäft im 19. Jahrhundert mit dem britischen Opiummonopol in seine globale Phase eintritt. Dabei sind die modernen Kolonialmächte eng mit lokalen Kräften verbunden:
    "Während der 50er-Jahre betrieben die thailändische Polizei, die Truppen der Nationalchinesen (Guomindang), das französische Militär und die CIA eine Politik, die in Südostasien die massenhafte Opiumabhängigkeit aufrechterhielt und sogar noch vermehrte."
    Drogen als Mittel im Kampf der Ideologien
    Der von McCoy rekonstruierte imperialistische Drogenwirtschaftskrieg stößt auch auf Gegenwehr. So schreibt der Autor:
    "Der Schlüssel zu Chinas Antiopiumkampagne war ein massives Entgiftungsprogramm, mit dem die größte Süchtigenpopulation der Welt - schätzungsweise 40 Millionen in den 30er-Jahren - auf Entzug gesetzt wurde. Als Teil der revolutionären Mobilisierung des neuen Regimes verurteilten die neuen kommunistischen Kader den Opiumkonsum als "imperialistische und kapitalistische Aktivität", registrierten alle Süchtigen und wiesen sie in lokale Drogenkliniken ein."
    Solche systematischen Gegenblicke ergänzen fast jede der beschriebenen Etappen im imperialistischen Opium- und Heroinkrieg. Damit öffnet sich diese Recherche zu einer geopolitischen Großerzählung, die das Drogengeschäft als strategische Waffe im Kampf der Ideologien kenntlich macht. Die Rolle der CIA wird präzise herausgearbeitet. McCoy schreibt, ein Großteil der heutigen Instabilität in Zentralasien sei das Erbe des verdeckten Afghanistankrieges der CIA in den 1980er-Jahren. Aber:
    "Da diese Geheimkriege außerhalb der normalen diplomatischen Kanäle geführt werden, bleibt der Wiederaufbau jenseits der Sphäre konventioneller Diplomatie. Statt in den Genuss internationaler Hilfe zu kommen, haben diese ehemaligen CIA-Schlachtfelder - Birma, Laos, Afghanistan - ihre Opiumproduktion als Ad-Hoc-Mittel des Wiederaufbaus ausgeweitet."
    Die strategische Ware Heroin wird also selbst zu einem politischen Subjekt mit einem marktwirtschaftlichen Eigenleben, das die CIA längst nicht mehr im Griff hat. Letztlich bleibt dies auch nicht ohne Auswirkung auf die politische Kultur und den gesellschaftlichen Frieden in den USA. Denn während die CIA das globale Milliardenspiel mit den harten Drogen erst ins Rollen bringt, führt die amerikanische Drogenbehörde DEA einen Krieg gegen die Drogen.
    Wenn aber die DEA einmal im großen Stil ermittelt, hat der Geheimschutz der CIA-Aktivitäten immer Vorrang, wie McCoy in detaillierten Fallgeschichten aufzeigt. Derweil werden Millionen afroamerikanischer Drogenkonsumenten und Kleindealer inhaftiert, angeblich weil sie eine Gefahr für sich und andere sind.
    McCoy kontrastiert diese Unterwelt der Knäste mit einer - wie er sie nennt - "staatlich verdeckten Unterwelt", in der das Heroin - mit kräftiger Beihilfe der CIA - zum Machtmittel von alles korrumpierenden internationalen Syndikaten geworden ist.
    Buchinfos:
    Alfred McCoy: "Die CIA und das Heroin. Weltpolitik durch Drogenhandel", Westend Verlag 760 Seiten, 24,00 Euro