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USA-Taliban-Verhandlungen
"Können nur hoffen, dass die Gespräche nicht blutig enden"

Der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter zeigt sich hinsichtlich der Friedensgespräche zwischen den USA und den Taliban in Afghanistan skeptisch. Den Taliban könne man nicht viele Bedingungen stellen, sagte er im Dlf. Er plädierte für Verhandlungen auf UN-Ebene. Deutschland könne hierbei eine wichtige Rolle übernehmen.

Roderich Kiesewetter im Gespräch mit Ann-Kathrin Büüsker | 13.08.2019
Der Abgeordnte Roderich Kiesewetter (CDU) spricht bei der Generaldebatte im Deutschen Bundestag. Hauptthema der 48. Sitzung der 19. Legislaturperiode ist der von der Bundesregierung eingebrachte Entwurf des Bundeshaushaltsplans 2019 und der Finanzplan des Bundes 2018 bis 2022 mit der Generaldebatte zum Etat des Bundeskanzleramts. Foto: Jörg Carstensen/dpa | Verwendung weltweit
Roderich Kiesewetter, Obmann der Union im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages (dpa / Jörg Carstensen)
Ann-Kathrin Büüsker: Lang und nützlich – so bezeichnete ein Taliban-Sprecher die Friedensverhandlungen mit den USA, die über Wochen hinweg in Dohar geführt wurden. Gestern am frühen Morgen gingen sie zu Ende. Nun beraten die Verhandlungsführer mit ihren Regierungen beziehungsweise Anführern. Die USA verhandeln mit den Taliban über einen Abzug der internationalen Truppen, also auch der NATO-Truppen aus Afghanistan. Es geht um eine Friedenslösung – allerdings ohne, dass die afghanische Regierung an den Verhandlungen beteiligt wird. Parallel zu den Verhandlungen gab es über Wochen hinweg schwere Anschläge der Taliban. Dutzende Zivilisten starben.
Kann es so einen Frieden für Afghanistan überhaupt geben? Thema jetzt im Interview mit Roderich Kiesewetter, Obmann der Union im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages. Schönen guten Morgen!
Ein Mann trägt am 22.4.2018 in der afghanischen Hauptstadt Kabul ein bei einem Selbstmordanschlag verwundetes Kind.
Afghanistan
Der steinige Weg zum Frieden

Auch 40 Jahre nach dem Einmarsch der Sowjettruppen im Jahr 1979 ist Frieden in Afghanistan nicht in Sicht – und doch zum Greifen nahe. Denn es gibt zumindest Gespräche zwischen den USA und den Taliban. Vor allem Frauen fürchten aber, dass ihre Rechte einer Vereinbarung geopfert werden könnten.
Roderich Kiesewetter: Guten Morgen, Frau Büüsker.
Büüsker: Herr Kiesewetter, wie soll ein Frieden mit Terroristen möglich sein, die parallel Anschläge verüben?
Kiesewetter: Das wird nur sehr schwer möglich sein. Wir müssen die Interessenlage betrachten. Der US-Präsident möchte den Resolute Support Einsatz und möglicherweise auch seinen Spezialkräfteeinsatz der USA in Afghanistan beenden, bevor er wieder zum Präsident gewählt werden will. Das bedeutet, dass er jetzt auch nach vielen Jahren des Auslassens mit den Taliban spricht. Diese Strategie ist schon zwei Jahre alt, aber ich glaube nicht, dass sie letztlich von Erfolg gekrönt sein wird.
Büüsker: Dass die USA jetzt ausgerechnet hier die Verhandlungen über einen NATO-Einsatz führen beziehungsweise über das Ende auch eines NATO-Einsatzes, haben die anderen NATO-Staaten da ihre Souveränität abgegeben?
Kiesewetter: Ich denke, dass es ganz wichtig ist: Sobald das Abkommen erreicht ist - das soll ja in zwei bis drei Wochen der Fall sein, zum 1. September -, müssen wir zügig informiert werden. Das ist auch eine ganz klare Forderung von uns Parlamentariern, weil wir natürlich auch über das Mandat beraten und im Bundestag zuletzt im März 2019 über die Bundeswehr-Beteiligung abgestimmt haben.
Zweitens ist es aber auch ganz wichtig, dass so ein Gespräch letztlich dann auch in offizielle Friedensgespräche mit der Regierung in Kabul und den Taliban mündet. Es bringt ja gar nichts, wenn die USA die gewählte Regierung damit letztlich isolieren und mit den Taliban ein Sonderabkommen erreichen. Das ist nicht hilfreich.
"Auch die afghanische Regierung einbeziehen"
Büüsker: Sie haben eben erwähnt, dass Donald Trump ganz klare Interessen hat. Er möchte den Abzug. Lässt sich die NATO an dieser Stelle nicht zu sehr auch zur Geisel amerikanischer Innenpolitik machen?
Kiesewetter: Wir müssen ganz klar feststellen, dass der Afghanistan-Einsatz dadurch funktionsfähig ist, dass die Amerikaner die wesentlichen Möglichkeiten stellen: Lufttransport, Aufklärung, auch entsprechend schwerere Waffenunterstützung, aber auch einen Großteil der gesamten Infrastruktur. Die Bundeswehr leistet Hervorragendes im Bereich der Ausbildung, aber ohne die Amerikaner wären wir nicht in der Lage, diesen Einsatz aufrecht zu erhalten. Deswegen sind wir völlig abhängig davon und deswegen drängen wir auch darauf, dass wir zügig informiert werden und dass vor allen Dingen die Partner mit einbezogen werden und auch die afghanische Regierung.
Büüsker: Wie müssen denn aus Ihrer Sicht Bedingungen an die Taliban aussehen, damit die NATO einem Friedensplan zustimmen kann?
Kiesewetter: Ich glaube, dass man den Taliban nicht viele Bedingungen stellen kann, denn die Taliban zeigen ja, dass sie versuchen, das Preisschild selber zu bestimmen durch die Anschläge, und auch, dass sie die Verhandlungen in die Länge ziehen. Wir haben gesehen: Die Parlamentswahlen 2018 hatten einen unklaren Ausgang. Die Präsidentschaftswahlen vom April wurden jetzt auf den 28. September verlegt. Ich bezweifele, dass das weiterläuft. Und drittens ist ein Riesenproblem, dass die afghanische Regierung ständig unter Kritik gerät, weil sie die Sicherheitssituation und die Eindämmung der Taliban nicht in den Griff bekommt. Das einzig Positive ist, dass das ganze Thema Korruption und auch Staatshaushalt inzwischen einigermaßen funktioniert und die Rolle der Frauen gestärkt ist. Für uns Deutsche, aber auch für die gesamte NATO ist es extrem wichtig, dass wir nicht die Fortschritte aufs Spiel setzen, dass das, was Trump jetzt verhandelt, leichtfertig aufs Spiel gesetzt wird. Das einzig Positive ist, dass der Verhandlungsführer der Amerikaner in Masar-e Scharif geboren ist, Zalmay Khalilzad, und dass er unter der Regierung Bush bereits Botschafter in Afghanistan, im Irak und bei den Vereinten Nationen war, also kein reiner Trump-Mann und deswegen auch nicht Trump-hörig. Deswegen, glaube ich, wird er nicht um jeden Preis zu einem Abkommen kommen wollen.
"Wir sind in einer Zwickmühle"
Büüsker: Sie haben die Fortschritte aufgezählt. Würden Sie denn sagen, ein Abzug würde diese Fortschritte gefährden?
Kiesewetter: Das ist die Frage, wie verlässlich ein Abkommen mit den Taliban ist und wie die Taliban mit den Afghanen letztlich verhandeln. Aus meiner Sicht widerspricht das Vorgehen der US-Regierung dem Petersberger Abkommen von 2011, wo sich die internationale Staatsgemeinschaft verpflichtet hat, Afghanistan bis 2024 zu einem normalen Entwicklungsland zu machen. Ein Ausstieg fünf, sechs Jahre früher würde dieses Ziel nicht erreichen. Deswegen halte ich dieses Vorgehen für falsch.
Büüsker: Sie haben eben gesagt, die Taliban diktieren im Prinzip die Bedingungen, versuchen, den Preis hochzutreiben. Sie haben auch gesagt, die NATO kann eigentlich gar nicht ohne die Amerikaner. Das heißt, letztlich ist die NATO hier in einer ganz furchtbaren Position und kann eigentlich nur alles mitmachen, was die Amerikaner vorgeben.
Kiesewetter: Wir sind in einer Zwickmühle, aber wir haben auch Verbündete, der Kongress zum Beispiel, Teile des Außenministeriums, die das ähnlich kritisch sehen. Wir können nur hoffen, dass die Gespräche nicht blutig enden und dass die NATO immer wieder deutlich macht, dass wir hier zwei Missionen haben. Das müssen wir auch unserer Bevölkerung sagen. Wir haben die offizielle Unterstützungsmission und wir haben eine Spezialkräftemission der Amerikaner. Wenn es gelingen würde, dass die Amerikaner ihre Spezialkräftemission beenden, die vielfach auch zur Verunsicherung beiträgt – sie war am Anfang erfolgreich, aber sie ist es heute nicht mehr – und die Resolute Support Mission, die Ausbildungs-Unterstützungsmission international besser unterstützt wird, vielleicht auch zu einer UN-Mission wird mit NATO-Beteiligung, dann sehe ich gute Perspektiven. Aber ich bin skeptisch.
"Deutschland kann beitragen, Verhandlungen fortzusetzen"
Büüsker: Aus Diplomatenkreisen ist zu hören, dass die Amerikaner gerade auf Deutschland setzen, wenn es denn auch in einem nächsten Schritt um die Versöhnung zwischen den Taliban und der afghanischen Regierung geht. Kann Deutschland das überhaupt leisten?
Kiesewetter: Wir haben hervorragende Diplomaten und auch im Bereich des Militärs hervorragende Experten, die die Lage in Afghanistan seit 15 Jahren sehr, sehr gut kennen. Deutschland kann wesentlich dazu beitragen, Verhandlungen fortzusetzen, vielleicht auf UN-Ebene. Noch sind wir auch noch eineinhalb Jahre Mitglied der Vereinten Nationen im Weltsicherheitsrat. Auch dort haben wir die Möglichkeit, Aspekte besser zu beleuchten. Aber wenn, dann sollten wir uns da nicht mit überlasten, sondern versuchen, dies auf NATO- beziehungsweise UN-Ebene zu heben. Ich halte die UN-Ebene für gut, die UNAMA, die UN-Mission in Afghanistan ist hier leicht verkannt. Hier könnten wir durch etwas mehr diplomatischen Druck auch die Verhandlungskraft der Vereinten Nationen stärken. Aber dazu gehört auch, dass wir es militärisch absichern. Wir dürfen da nicht blauäugig sein.
Büüsker: Bei all diesen Verhandlungen steht am Ende immer noch das Problem, mit dem wir im Prinzip auch in dieses Gespräch eingestiegen sind. Kann man den Taliban trauen?
Kiesewetter: Die Taliban selbst werden natürlich alles tun, dass sie in der Bevölkerung Rückhalt bekommen. Das werden sie bisher nur im paschtunischen Bevölkerungsteil haben. Aber die Afghanen sind natürlich durch die Geschichte auch so geprägt, dass sie sich dorthin wenden, den sie für den möglichen Sieger oder für die strategisch richtige Seite halten. Insofern spielt die Zeit in die Hände der Taliban und uns muss es darum gehen, die Errungenschaften und auch die gewählte Regierung zu stärken und alles zu tun, dass möglichst bald die Präsidentschaftswahlen stattfinden. Das wird noch harte diplomatische Arbeit.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.