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Venezuela
Konflikt erreicht Kolumbien

Der Stromausfall in Venezuela hat die Lage im Land verschärft. Die Wassernot ist das größte Problem und auch die Lebensmittelversorgung bleibt schwierig. Die Krise treibt immer mehr Menschen in die Flucht. Erster Anlaufpunkt ist für die meisten Kolumbien - und das trotz geschlossener Grenzen.

Von Burkhard Birke | 14.03.2019
Menschen in Caracas füllen ihre Wassercontainer auf. Eimer und Wasserbehälter werden mit einem Schlauch befüllt.
Menschen in Caracas füllen ihre Wassercontainer auf. (dpa / NurPhoto / Jonathan Lanza)
"Die Stromversorgung ist in fast allen Landesteilen wiederhergestellt. In den nächsten Stunden wird die Trinkwasserversorgung im ganzen Land wieder aufgenommen werden, aber wir müssen wachsam sein, denn diese Psychopathen werden nicht aufgeben."
Mit Psychopathen meint Jorge Rodriguez, Vizepräsident der Regierung für Kommunikation, die Opposition und die Imperialisten in den USA. Sie werden der Sabotage beschuldigt und gegen Oppositionsführer Juan Guaidó will man auch juristisch vorgehen. Der hat auf die Versäumnisse bei der Wartung der Anlagen und Korruption als Ursachen für die Krise verwiesen.
Schulen bleiben geschlossen
Der Stromkrieg geht weiter. Die Folgen des fast einwöchigen Blackouts sind allenthalben zu spüren. Von Normalisierung zu sprechen ist mehr als gewagt, aber in Venezuelas Dunkel ist wieder mehr Licht eingekehrt. Die Metro in Caracas soll wieder den Betrieb aufnehmen und auch die Mobilfunk- und Internetverbindungen funktionieren wieder besser. Auch heute bleiben jedoch die Schulen geschlossen: Die Beschäftigten sind allerdings gehalten, heute wieder die Arbeit aufzunehmen.
Es wird dauern, bis so etwas wie Normalität zurückkehrt. Die Wassernot ist das größte Problem, auch die Lebensmittelversorgung bleibt schwieriger als ohnehin schon bei 1,5 Millionen Prozent Hyperinflation. In Maracaibo und im Staat Zulia haben massive Plünderungen für enorme Schäden gesorgt. Durch den Stromausfall ist die ohnehin schwache Ölförderung extrem beeinträchtigt worden: Die Rede ist von vielen hundert Millionen Dollar Verlusten durch den Stromkrieg, wie ihn die Regierung nennt.
Korruption und mangelnde Wartung oder Sabotage?
"Dieser Krieg hat 200 Menschen das Leben durch Stromschläge infolge der Sabotage gekostet. Mehr als 150 Verteilerstationen sind beschädigt. Die Schäden an den Elektroanlagen erreichen Millionenhöhe und durch den Stromausfall waren natürlich die Wasserversorgung, das Gesundheitssystem, das Bankwesen und das Internets betroffen", sagt Jorge Rodriguez, Vizepräsident für Kommunikation.
Korruption und mangelnde Wartung und nicht Sabotage ist aus Sicht der Opposition der wahre Grund für den längsten und gravierendsten Stromausfall in der Geschichte des Landes. Mindestens 15 Personen sollen in Krankenhäusern infolge des Blackouts gestorben sein, da die Notstromaggregate nicht funktionierten, wie etwa im Kinderkrankenhaus von Caracas.
"Auch auf der Intensiv- und auf der Neugeborenen-Station hat die unterbrechungsfreie Stromversorgung versagt."
Kolumbien ist der erste Anlaufpunkt
Kinderarzt Bera ist verzweifelt. Es gibt ohnehin kaum Medikamente und funktionierende Geräte, ja selbst Desinfektionsmittel fehlen! Der Stromausfall hat die Lage verschärft. Kein Wunder, dass die Krise immer mehr Menschen in die Flucht treibt: Erster Anlaufpunkt ist Kolumbien trotz Schließung der Grenzen.
"Viele Menschen kommen über die illegalen Grenzübergänge. 1,2 Millionen Venezolaner halten sich mittlerweile in Kolumbien auf. Die Hilfsorganisationen benötigen unbedingt zusätzliche Gelder: Insgesamt 315 Millionen Dollar. Wir haben Zusagen für nur etwa 50, das heißt, es fehlen weit mehr als 250 Millionen Dollar", appelliert Jozef Merkx, der Leiter des UN Flüchtlingshilfswerkes UNHCR in Kolumbien.
Er braucht dringend Geld, denn Kolumbien kämpft selbst gegen akute Armut und selbst ein Regimewechsel in Venezuela würde an der Flüchtlingsproblematik kurzfristig nur wenig ändern. Mehr als dreieinhalb Millionen Venezolaner haben insgesamt ihr Land in den letzten Jahren verlassen.