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Veranstaltungsabsagen in Köln und Gaggenau
Wer soll wo zu wem sprechen dürfen?

Ob der Wahlkampf anderer Länder im Ausland geführt werden darf, spaltet Bund, Länder und Kommunen. NRW-Landeschefin Hannelore Kraft forderte die Bundesregierung auf, endlich Position zu beziehen. Kanzlerin Angela Merkel betonte, die Genehmigungspraxis für das Abhalten von Versammlungen liege bei den Kommunen.

Von Nadine Lindner | 04.03.2017
    Teilnehmer bei einer Veranstaltung mit dem türkischen Ministerpräsidenten Yildirim halten am 18.02.2017 in Oberhausen (Nordrhein-Westfalen) türkische Fahnen in den Händen.
    Teilnehmer bei einer Veranstaltung mit dem türkischen Ministerpräsidenten Yildirim am 18.02.2017 in Oberhausen (Nordrhein-Westfalen). (dpa / picture alliance / Roland Weihrauch)
    Es bleibt ein emotionales Thema. Mit ganz grundsätzlichen Fragen: Umschließt das demokratische Recht auf freie Meinungsäußerung auch Auftritte von ausländischen Staatsoberhäuptern in Deutschland, damit sie hier für die Beschneidung der Demokratie in der Türkei werben können? Und wer trifft die Entscheidung in dieser heiklen Angelegenheit?
    "Die Rechtssituation in Deutschland ist so, dass wir ein Förderales System sind. Dass es kommunale Verantwortlichkeiten gibt, Länderverantwortlichkeiten und Verantwortlichkeiten des Bundes."
    Für die Bundeskanzlerin ist die Sachlage klar. Angela Merkel gestern bei ihrem Besuch in Tunis betont sachlich:
    Verantwortung nicht bei den Kommunen abladen
    "Und was das konkrete Abhalten einer Versammlung angeht, liegt die Genehmigungspraxis bei der kommunalen Ebene."
    Gegen genau diese Auffassung protestieren nun die Städte: Die Verantwortung dürfe nicht bei den Kommunen abgeladen werden, sagte Eva Lohse, Präsidentin des Städtetags heute der "Rheinischen Post". Da sind jetzt Außenpolitik und Diplomatie gefragt, so Lohse.
    Und auch die Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen Hannelore Kraft, SPD, forderte die Bundesregierung auf, endlich klar Position zu beziehen.
    "Diejenigen, die da am Zuge sind, ist der Bund. Auch in diesem Fall." Im Interview der Woche mit dem Deutschlandfunk sagte sie weiter:
    "Denn Versammlungen zu untersagen, auch in geschlossenen Räumlichkeiten ist nach dem Versammlungsrecht sehr schwer. Aber es kann natürlich auf diplomatischen Wege klar gemacht werden, wir wollen diesen Wahlkampf nicht."
    SPD überaus uneinig
    Die SPD, Krafts Partei, präsentiert sich beim "Wer soll wo sprechen dürfen" überaus uneinig. Auf der einen Seite wirbt SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann für Toleranz im Hinblick auf Auftritte türkischer Minister in Deutschland. Auch für sie gelte die Meinungsfreiheit.
    Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung Aydan Özoguz, ebenfalls von der SPD verteidigte dagegen die Entscheidung der Städte Köln und Gaggenau, die örtlichen Auftritte türkischer Regierungsmitglieder zu untersagen. Es sei Sache der Kommunen und Sicherheitsbehörden, zu entscheiden, ob Sicherheitsbedenken bestünden.
    Der grüne Umweltminister von Schleswig-Holstein, Robert Habeck äußerte sich schärfer. Er forderte gegenüber dem Deutschlandradio Hauptstadtstudio gestern die Bundesregierung auf, solche Reden zu unterbinden:
    "Natürlich soll Erdogan und sollen auch andere Unsympathen wie Putin oder Trump hier in der Deutschland mit der Regierung reden. Aber sie können nicht den Anspruch haben, Wahlkampf für die Abschaffung ihrer Demokratie in ihrem Land zu machen."
    Wer soll wo zu wem sprechen dürfen? Die niederländische Regierung hat in dieser Frage einen ganz anderen Weg gewählt und einen Wahlkampfauftritt der türkischen Regierung in Rotterdam untersagt. Die Niederlande seien nicht der Ort für den Wahlkampf anderer Länder, erklärte Ministerpräsident Mark Rutte am Freitagabend auf Facebook.
    Der stille Weg der Diplomatie gilt noch
    Doch trotz aller schrillen Töne zwischen Berlin und Ankara soll der stille Weg der Diplomatie weiterhin beschritten werden. Der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel und sein türkischer Amtskollege sollen am kommenden Mittwoch in Deutschland zusammentreffen. Das hatte die türkische Nachrichtenagentur Anadolu berichtet. Die Gesprächsthemen werden ihnen dabei sicherlich nicht ausgehen.
    Denn auch im Falle des inhaftierten deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel gibt es Redebedarf. Der türkische Präsident Recep Tayip Erdogan warf ihm gestern vor, ein "deutscher Agent" zu sein.
    Befürchtungen wachsen, das Yücel zunehmend zum Faustpfand werden könnte
    Die Befürchtungen wachsen, das Yücel zunehmend zum Faustpfand im deutsch-türkischen Streit werden könnte.
    Auf Anfrage des Deutschlandradios konnte das Auswärtige Amt heute das Treffen jedoch noch nicht offiziell bestätigen. Und so ist auch hier noch nicht endgültig klar, wer mit wem über was reden soll.