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Veranstaltungsreihe des Goethe-Instituts in Berlin
Die iranische Moderne

Es ist zwar schon eine Weile her, dass George W. Bush den Iran als ein Reich des Bösen bezeichnete, aber die Vorstellung spukt immer noch in manchen Köpfen. Das Goethe-Institut hat daher die Veranstaltungsreihe "Die iranische Moderne" konzipiert, die in Berlin mit Lesungen, Podiumsgesprächen und Konzerten auf die Vielfalt der iranischen Kunstszene hinweisen will.

Von Oliver Kranz | 06.02.2017
    Die Veranstaltungsreihe "Die iranische Moderne" des Goethe-Instituts in Berlin zeigt Künstler aus dem Iran und aus der iranischen Diaspora.
    Die Veranstaltungsreihe "Die iranische Moderne" des Goethe-Instituts in Berlin zeigt Künstler aus dem Iran und aus der iranischen Diaspora. (Mohammad Ghazali )
    "Swing with it, I mean. You're fine …" - "You think you're just coming out of nowhere."
    Im Video "Middle East Coast, West Coast" von Anahita Razmi sind die Schauspieler unter schwarzen Schleiern verborgen. Man kann nicht erkennen, wer von den beiden der Mann und wer die Frau ist - und das ist nicht die einzige Verunsicherung, mit der das Video spielt. Zu hören sind Nancy Holt und Robert Smithson, zwei amerikanische Künstler, die über ihre Arbeitsweise streiten.
    "Wenn ich die Sprecher unter schwarzen Schleiern verberge, haben die Zuschauer gleich andere Assoziationen. Man denkt an den Nahen Osten und die Kunst, die dort nicht sehr viel Freiheit genießt. Die Schleier erinnern künstlerisch gestaltete Tschadors. Mit diesen Stereotypen versuche ich zu spielen."
    Anahita Razmi will irritieren und Denkprozesse in Gang setzen. Sie ist als Tochter iranischer Eltern in Deutschland aufgewachsen und schon allein deshalb in zwei Kulturen zu Hause. Florian Bigge vom Goethe-Institut hat sie daher zum Podiumsgespräch eingeladen.
    "Es geht darum, zeitgenössische künstlerische Positionen darzustellen, um ein etwas umfassenderes, aktuelleres Bild des Iran zu präsentieren", sagt Bigge. "Wir haben über 30 iranische Künstler, Literaten, Theatermacher, Philosophen eingeladen."
    Im öffentlichen Raum gibt es zahlreiche Verhaltensregeln, in Galerien nicht
    Künstler aus dem Iran und aus der iranischen Diaspora, Männer und Frauen, bekannte Persönlichkeiten und absolute Newcomer. Neben Anahita Razmi saß Behzad Nejadghanbar auf dem Podium, ein Galerist aus Teheran:
    "Offizielle Stellen geben die Zahl der Galerien in Teheran mit 200 an. Das stimmt auch. Überall wird Kunst verkauft. Es gibt auch viele Bücherläden mit der entsprechenden Literatur. Da geht es allerdings meist um klassische Kunst. Zeitgenössische Galerien gibt es nur 20 oder 30. Doch die prägen die Teheraner Kunstszene."
    Behzad Nejadghanbar leitet Galerie, die zu dieser Szene gehört. Sie heißt "Emkan", was übersetzt "Möglichkeit" bedeutet.
    "Diese Galerie ist im Stadtzentrum Teherans und sie liegt ganz in der Nähe eines sehr religiösen Zentrums, wo auch viele Moscheen sind und das ist ein sehr altes Haus", sagt Florian Bigge. "Und wenn dort Ausstellungen stattfinden, kommt man aus dieser religiösen Atmosphäre in so einen freien Raum rein. Dieser Verkehr, dieser Lärm lässt auf einmal nach und man atmet auf."
    Und das - so Florian Bigge - trifft auf viele Galerien in Teheran zu. Während es im öffentlichen Raum zahlreiche Verhaltensregeln gibt, darf man sich in Galerien frei bewegen. Es darf gelacht und getanzt werden. In den Jahren nach der Islamischen Revolution musste sich die Kunst im Iran in Privaträumen verstecken. Das änderte sich erst 1997, als Mohammad Chātami zum Staatspräsidenten gewählt wurde.
    "Damals wurden viele Zeitungen gegründet, Musikgruppen durften wieder Alben herausbringen und Konzerte geben - vieles, was früher verboten war, war auf einmal erlaubt", sagt Nejadghanbar. "2005 wurde Mahmud Ahmadinedschad zum Präsidenten gewählt und versuchte, die Kunst wieder in den Untergrund zu drängen. Doch das gelang ihm nicht. Die Galerien, die in der Zwischenzeit schon entstanden waren, mussten sich zwar an Regeln halten, aber sie mussten nicht schließen."
    In der iranischen Kunstszene herrscht mehr Normalität, als in Deutschland angenommen wird
    Unter dem gegenwärtigen Präsidenten Hassan Rohani herrscht wieder ein freieres Klima. Kritik an der Staatsführung oder die Darstellung von Nacktheit sind zwar nach wie vor tabu, doch die Galeristen testen die Grenzen immer wieder neu aus.
    "Manchmal gibt es ganz überraschende Ausstellungen, wo man als Besucher hin kommt und sagt: vor einer Woche hätte diese Ausstellung in Teheran nicht eröffnen dürfen. Und auf einmal wird sie eröffnet", sagt Florian Bigge.
    Überraschungen sind also garantiert, und der Hauch des Verbotenen tut ein Übriges. In der iranischen Kunstszene herrscht mehr Normalität, als in Deutschland angenommen wird. Das Goethe-Institut hat die Produktion "Sei, wer du nicht bist" nach Berlin eingeladen, in der der Schauspieler Saman Arastou von seiner Geschlechtsumwandlung erzählt. Während homosexuelle Handlungen im Iran bei Androhung der Todesstrafe verboten sind, ist Transsexualität erlaubt.
    "Er wird davon erzählen - auch vom gesellschaftlichen Druck, der auf ihm lastet und der gar nicht so fern von dem ist, was Transsexuelle in europäischen Ländern erfahren, wenn sie eine Geschlechtsumwandlung gehabt haben", sagt Bigge.
    Die Produktion von Saman Arastou ist vielleicht die erstaunlichste, die im Rahmen der Veranstaltungsreihe "Die iranische Moderne" in Berlin zu sehen sein wird. Wer sie besucht, wird viele Klischee-Vorstellungen vom Iran widerlegt bekommen.
    Die nächsten Termine der Veranstaltungsreihe "Die iranische Moderne":
    07.02. GEFLÜCHTETE IM IRAN, 19:00 Uhr - Box Freiraum | Lesung und Gespräch mit Dichtern des "Poetry Project Berlin”, Jamaluddin Sajjadi
    11.02. Berlinale Special, 11:00 Uhr - Haus der Berliner Festspiele | Filmpräsentation und Gespräch, "Close Up" von Abbas Kiarostami, Iran 1990/2015