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Vergangenheitsbewältigung
Wofür haben die Deutschen gekämpft?

Das NS-Regime konnte vieles schaffen ohne die aktive Teilnahme einer Mehrheit in der Bevölkerung, sagt der Historiker Nick Stargardt im DLF. Den Krieg aber, in dieser Länge und mit diesen Verlusten - den konnte das Regime auf keinen Fall ohne die Bevölkerung führen. Wie aber haben die Nazis den Krieg gerechtfertigt? Und wie hat die Bevölkerung ihn für sich gerechtfertigt?

Nick Stargardt im Gespräch mit Burkhard Müller-Ullrich |
    Zu sehen sind die Trümmer der zerstörten Stadt Köln im Zweiten Weltkrieg - undatierte Aufnahme
    Die zerstörte Stadt Köln im Zweiten Weltkrieg - undatierte Aufnahme (picture-alliance / dpa / Royal Air Force)
    Nick Stargardt ist der Autor des Buches "Der deutsche Krieg", das in diesen Tagen erscheint. Er ist Professor für neuere europäische Geschichte an der Universität Oxford, und für ihn steht fest: Die "normale" Geschichtsschreibung untersucht immer das Verhältnis von Regime und Gesellschaft. Was aber geschieht, wenn man nicht das Regime, sondern den Krieg in den Mittelpunkt der Analyse stellt? Genau das tut Stargardt.
    Er meint: Hitler und einige führende Nazis waren durchaus davon überzeugt, dass ein Krieg etwas Gutes ist. Für die meisten Menschen in Deutschland habe das aber nicht zugetroffen - und darum habe sich Hitler auch mit apokalyptischen Parolen zurückgehalten, erläutert Stargardt. Stattdessen habe Hitler versucht, die Bevölkerung davon zu überzeugen, dass sie angegriffen werde - dass also Deutschland gar nicht selbst der Aggressor im Krieg sei. Insofern sei das, was Deutschland getan habe, vielen eher als "Gegenangriff" erschienen.
    "Die Menschen konnten das dann irgendwie legitimieren" betont Stargardt. Der Krieg sei unpopulär gewesen - aber nie illegitim. Er sei in den Augen vieler sogar in gewisser Weise legitimer gewesen als das Regime. Und immer wieder sei bei den Menschen die Hoffnung aufgekommen, dass Deutschland vielleicht Frieden schließen könne - zumindest mit den Westmächten Frankreich und England.
    Diese leichte Hoffnung auf einen "Separatfrieden" sei bis zum März 1945 geblieben. Mit Blick auf die Sowjetunion hingegen sei klar gewesen, dass der Krieg im Osten rücksichtslos geführt werden müsse. Dieser Krieg sei nie in Frage gestellt worden. Und so seien die Menschen immer zwischen Hoffnung und Angst "gewandelt", Hoffnung auf einen Frieden, Angst vor dem, was im Osten geschehen wird. Das sei ein Teil der Dynamik dieses Krieges: Es gehe immer auch um die Erwartungen und Wahrnehmungen, nicht nur um die Ereignisse des Krieges an sich.