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Verkehrsforscherin zu Elektromobilität
"Wichtig ist, die Lademöglichkeiten zu verbessern"

Verkehrsforscherin Barara Lenz rät dazu, Regulierungen aufzuheben, die das Einrichten von Ladestationen für E-Autos in oder an Wohngebäuden unterbinden. Elektromobilität käme beispielsweise in Ein-Familien-Haus-Siedlungen gut an, wo die Leute über eigene Lademöglichkeiten verfügten, sagte Lenz im Dlf.

Barbara Lenz im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 04.11.2019
Öffentlich nutzbarer Ladepunkt für Elektroautos
Elektromobilität in Deutschland (dpa / Hendrik Schmidt)
Tobias Armbrüster: Elektroautos sind ein wichtiger Bestandteil in der deutschen Klimapolitik. Wenn die Autofahrer massenweise umsteigen auf E-Autos, dann lässt sich damit eine Menge CO2 einsparen. So ungefähr geht die Logik. Allerdings läuft das mit diesem Umstieg nicht so wie geplant, und das hat viele Gründe. Die Autos selbst, die sind vielen potenziellen Käufern viel zu teuer, die Reichweite zu gering, und vor allem gibt es viel zu wenige Möglichkeiten, um Strom zu tanken. Ein weiterer Autogipfel heute in Berlin soll Lösungen bringen. Mit dabei heute Abend im Kanzleramt sind auch Vertreter der Autoindustrie.
Elektroautos und der Wandel, der mit dieser Wende zusammenhängt, das alles hat Barbara Lenz immer im Blick. Sie ist die Leiterin des Instituts für Verkehrsforschung in Berlin. Das gehört mit zum Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Schönen guten Tag, Frau Lenz.
Barbara Lenz: Guten Tag, Herr Armbrüster.
Frau Prof. Barbara Lenz an ihrem Schreibtisch.
Barbara Lenz leitet das Institut für Verkehrsforschung am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt)
Armbrüster: Frau Lenz, was ist Ihre Sicht? Woran hakt es beim Umstieg auf die Elektroautos?
Lenz: Es hakt daran, worüber wir schon lange diskutieren, was auch von Ihnen jetzt genannt wurde. Das ist zum einen der vergleichsweise hohe Preis im Vergleich zu einem konventionellen Fahrzeug. Das sind teilweise auch die Lademöglichkeiten. Und das ist einfach auch dieses sich einlassen auf was Neues, auf was Ungewohntes und die offene Frage, kann ich damit meinen Alltag weiterhin so bewerkstelligen, wie ich das von meinem üblichen Auto gewohnt bin.
"Die Frage des Preises kann die Politik nur bedingt lösen"
Armbrüster: Und was ist Ihr Eindruck? Haben die Politiker in Berlin diese Probleme im Blick? Sind die bereit, die anzugehen?
Lenz: Ich glaube schon, dass sie die Probleme im Blick haben. Die Frage des Preises kann die Politik nur bedingt lösen. Man kann nicht politischerseits jetzt dieses Elektroauto genauso teuer oder preiswert, wie Sie wollen, machen wie ein konventionelles Auto. Man kann den Anreiz schaffen über Kaufprämien. Man kann Anreize schaffen über Leasing-Angebote. Aber man kann nicht politischerseits jetzt eine Preisegalität herstellen. Das funktioniert einfach nicht.
Armbrüster: Sollte man die Subventionen vielleicht noch ein bisschen raufschrauben, die derzeit aktive Kaufprämie noch erhöhen?
Lenz: Möglicherweise hätte das Effekte. Man weiß aber von der bisherigen Kaufprämie, dass die nicht die Effekte gebracht hat, die man sich versprochen hat. Ich glaube, da schlägt dann doch das durch, was ich bereits genannt habe, dass man sich mit diesem Elektroauto auf eine neue, auf eine, wenn Sie so wollen, unsichere Art des Unterwegsseins einlässt als Kunde, als Käufer, obwohl die neuen Fahrzeuge, die Sie jetzt auf dem Markt bekommen, Reichweiten haben, die deutlich über denen sind, was wir noch vor drei, vier Jahren hatten. Wir sind heute selbst im Kleinwagenbereich bei 200, 250 Kilometern Reichweite und mehr.
Armbrüster: Das scheint, vielen potenziellen Käufern allerdings immer noch zu wenig zu sein. Dann sind wir bei dem Thema der Ladestationen – klang auch an im Beitrag von Theo Geers -, eines der ganz wichtigen Themen. Berlin will jetzt durchsetzen, dass bis 2030, in elf Jahren, die Zahl dieser Ladestationen von aktuell 21.000 auf dann eine Million wächst. Ist das ein realistisches Ziel? Wird das klappen?
Lenz: Natürlich ist es wichtig, dass man die Lademöglichkeiten verbessert. Und es klang ja auch in Ihrem Beitrag an, dass beispielsweise Regulierungen, die das Einrichten von Ladestationen in Wohngebäuden oder an Wohngebäuden unterbinden, dass die zu Gunsten der Elektromobilität verschwinden. Wir haben schon vor zwei, drei Jahren festgestellt, dass die Elektromobilität dort relativ gut ankommt, wo die Leute über eine eigene Lademöglichkeit verfügen.
Das sind vor allem Ein-Familien-Haus-Siedlungen, wo die eine Garage haben, einen Stellplatz und damit recht leicht sich einen Ladepunkt installieren können. Ich halte von daher jetzt diese Strategie, wenn ich das aus der Presse richtig entnehme, für richtig, nicht nur jetzt auf die öffentliche Ladeinfrastruktur zu gucken, sondern auch das zu fördern, was beispielsweise bei den Arbeitgebern an Ladeinfrastruktur vorgehalten werden kann, im privaten Bereich, auch im Bereich wie Einkaufen, Freizeit. Ich glaube, das ist die richtige Strategie, um diese Ladepunkt-Diskussion oder diesen Ladepunkt-Bedarf zu entschärfen.
"Würde es gar nicht so hochschrauben"
Armbrüster: Das ist ja gerade ein Riesenthema wahrscheinlich in ganz vielen Unternehmen, wo sich immer mehr Mitarbeiter überlegen, Elektroautos zu kaufen, aber wo die Chefs sagen, Ladestationen einrichten ist jetzt nicht unbedingt unsere Aufgabe. Sehen Sie die Notwendigkeit, dass da auch die Politik einschreitet und möglicherweise so was vorschreibt, ähnlich wie zum Beispiel bestimmte Arten von Parkplätzen, die man vorhalten muss?
Lenz: Das könnte die Politik vorschreiben. Es ist aber heutzutage üblich, dass Unternehmen ab Mittelstand eine Nachhaltigkeitsstrategie haben, und natürlich halte ich es für ein Element dieser Nachhaltigkeitsstrategie, sich auch um Ladeinfrastruktur für die Mitarbeiter zu kümmern. Ob da jetzt unbedingt auch noch mal die Politik einschreiten muss, wage ich zu bezweifeln.
Armbrüster: Ich höre schon ein bisschen bei Ihnen heraus: Sie sind weniger der Ansicht, dass das politische Zwänge braucht, sondern dass wir eher einen kulturellen Wandel in der Gesellschaft brauchen, um die E-Mobilität zu akzeptieren? Ist das so richtig?
Lenz: Ja, ich würde das gar nicht so hochschrauben und als kulturellen Wandel bezeichnen. Wir brauchen Ansatzpunkte, wo Elektromobilität sichtbar wird, erlebbar wird, deutlich wird, ich kann als privater Mensch mit dieser Art von Mobilität gut umgehen, und dann die entsprechenden Infrastrukturen schaffen, die Angebote seitens der Autohersteller, und dann kommt das ganz allmählich in den Markt. Natürlich ist es jetzt sehr ambitioniert, wenn wir auf 2030 gucken und wir davon ausgehen, dass wir bis dahin irgendwo 7,5 bis 10 Millionen Elektrofahrzeuge haben wollen. Dann ist das ein ziemlicher Sprung innerhalb dieser nur zehn Jahre.
Pläne für ein Superschnell-Charging
Armbrüster: Wenn wir dann noch mal auf die Ladestationen gucken. Das wird ja wahrscheinlich eines der wichtigsten Bilder sein, die jedem durch den Kopf gehen und an die man sich wahrscheinlich in den kommenden Jahren auch mehr und mehr gewöhnen muss. Wir reden jetzt über Ladestationen, so eine Art E-Tankstelle. Müssen wir uns daran gewöhnen, weil dieses Auftanken eines Elektroautos, das dauert ja auch deutlich länger als das Auftanken eines Benziners oder Diesels, im öffentlichen Bild, in Städten, an Straßen, dass dort jede Menge Autos stehen an Kabeln, die da möglicherweise stundenlang stehen und warten?
Lenz: Zum einen ist es ja schon im Plan, dass ein bestimmter Anteil dieser neuen Ladepunkte Schnellladepunkte sein sollen. Dann stehen die eben nicht stundenlang am Kabel, sondern irgendwas zwischen einer halben Stunde und einer Stunde. Zum zweiten stehen die Autos, um ehrlich zu sein, sowieso auf der Straße herum. Da ändert sich nicht besonders viel. Es hängt halt noch ein Kabel daran. Und was wir auch nicht übersehen dürfen: Seitens der Tankstellenbetreiber gibt es ja durchaus Überlegungen, ein Superschnell-Charging aufzubauen und damit quasi auch eine Elektrotankstelle im wahrsten Sinne des Wortes herzustellen. Bis wir irgendwann soweit sind, das ist technisch noch nicht so einfach und auch sehr teuer, aber dass wir irgendwann soweit sind, auch tatsächlich an der Tankstelle Strom tanken zu können.
Armbrüster: Jetzt haben wir viel über die technischen Eigenheiten dieser Art von Mobilität gesprochen. Das Thema, das dabei immer auftaucht, ist das der Nachhaltigkeit. E-Mobilität gehört ja mit zur Klimapolitik, zur Klimastrategie der Bundesregierung. Lässt sich eigentlich mit diesem Umstieg tatsächlich etwas erreichen an den CO2-Werten, an der CO2-Einsparung, oder ist das Augenwischerei?
Lenz: Wir wissen alle, dass das vom Strommix abhängt. In dem Moment, wo Sie rein mit erneuerbaren Energien tanken, tun Sie auch etwas in Richtung CO2. Es ist aber auch klar, dass mit der Erzeugung von Batterien andere Umweltprobleme, aber auch ethische Probleme bei der Produktion entstehen, und diese Probleme werden aber auch schon angegangen. Das Spannende an der Elektromobilität ist ja zunächst mal vor allem die lokale Emissionsfreiheit, und das ist das, was die Städte dringend brauchen, was auch in den Städten unmittelbar erlebbar wird. Das ist fast stärker als die CO2-Einsparung, die aber über die Elektromobilität wie gesagt mit dem Strommix dann auch erzeugt werden wird.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.