Archiv


Veröffentlichung schürt "unter Umständen Ängste"

Am Abend stellt die europäische Bankenaufsicht die Ergebnisse des Bankenstresstests vor. Martin Faust. Professor für Bankbetriebslehre, äußert sich kritisch über die Veröffentlichung des Stresstests. Das könnte die Verbraucher verunsichern, glaubt er.

Martin Faust im Gespräch mit Silvia Engels |
    Michael Kemmer: "Der Stresstest wird ja häufig so ein bisschen Schwarz-Weiß gesehen, bestanden oder durchgefallen. Wenn bestanden, ist die Bank prima, wenn durchgefallen, steht die Bank kurz vor der Insolvenz. Das ist ja so ein bisschen die öffentliche Meinung, und das ist natürlich nicht richtig, denn der Stresstest macht ja ein ganz allgemeines Szenario, das für alle Banken in Europa gilt, das aber natürlich nicht jeder einzelnen Bank gerecht wird."

    Engels: Michael Kemmer vom Bankenverband. – Und am Telefon mitgehört hat Martin Faust. Er ist Professor für Bankbetriebslehre an der Frankfurt School of Finance and Management. Guten Tag, Herr Professor Faust.

    Martin Faust: Ja, einen schönen guten Tag!

    Engels: Hat Herr Kemmer recht, dass die Kriterien des Bankenstresstests nicht genug die verschiedenen Geschäftsmodelle der europäischen Banken berücksichtigt?

    Faust: Ein Test hat sicherlich pauschale Annahmen und diese pauschalen Annahmen wirken sich natürlich bei jeder Bank anders aus, ob sie jetzt eine öffentlich-rechtliche Bank haben, die sehr stark im Privatkundengeschäft verwurzelt ist, ob sie eine Bank haben, die sehr stark im Hypothekengeschäft tätig ist, oder ob sie eine Bank haben, die unter Umständen auch sehr stark Investmentbanking, also Kapitalmarktgeschäft macht. Daher ist es sicherlich schon so, dass wir hier zu pauschalen Ergebnissen kommen. Eine differenziertere Analyse müsste dann die Aufsicht anhand der Ergebnisse vornehmen.

    Engels: Nun haben wir vorher mit unserem Korrespondenten gesprochen und da kam heraus, dass er noch mal deutlich gemacht hat, dass bei diesem zweiten europäischen Bankenstresstest diese Kriterien ja verschärft worden sind. Nach Ihrer Ansicht angemessen?

    Faust: Also man hat einiges verschärft, wie ja richtig hingewiesen wurde. Die Eigenkapitalquote wurde deutlich erhöht. Was man nicht gemacht hat, ist, dass man zum Beispiel einen Ausfall von Staatsanleihen mit in dieses Szenario eingebaut hat. Das hat natürlich auch politische Gründe, man wollte dadurch, dass man es nicht einbaut, natürlich auch das Signal senden, dass man gar nicht davon ausgeht, dass so etwas passieren könnte. Das ist sicherlich ein bisschen kritisch zu sehen. Das heißt also, man kann davon ausgehen, dass hier durchaus Belastungen durch die Bank hin bei den Banken wären, die jetzt in diesem Test überhaupt noch nicht berücksichtigt wurden.

    Engels: Sind denn diese Kriterien, die man jetzt hat, zumindest besser als die des letzten Tests?

    Faust: Ja. Sie sind auf jeden Fall besser. Man hat durchaus gelernt, gerade die Situation der irischen Banken. Aber es bleibt ein Test. Das heißt also, es hängt immer davon ab, wie streng und welche Szenarien man dort hineinbringt. Das heißt, die Realität kann deutlich schwächer ausfallen. Es kann aber auch sein, dass Situationen auftreten, die unter Umständen dann in der Realität sogar stärker sind - denken Sie an zum Beispiel Wirtschaftskrisen – als das, was simuliert wurde.

    Engels: Wir haben ja schon gehört, dass beispielsweise die Landesbank Hessen-Thüringen die Kriterien scharf kritisiert hat. Zugleich aber hat sie ja dem Vernehmen nach den Test, wo möglich nicht bestanden. Da drängt sich ja doch der Eindruck auf, dass immer die Banken die Kriterien angreifen, die sie gerade nicht erfüllen. So geht es ja auch nicht, oder?

    Faust: Also ein Test sollte möglichst objektiv sein und am Ende tatsächlich dann eben auch von allen verlangen, dass sie Besserung geloben und entsprechend zum Beispiel ihr Kapital erhöhen. Hier haben wir schon einen besonderen Fall, was die stillen Einlagen der einzelnen Bundesländer anbelangt. Hier muss man schon der Aufsicht kritisch gegenüber sagen, dass sie das nicht im Einzelfall genau geprüft hat, was sicherlich auch schwierig ist, weil in jedem Land haben wir entsprechende Regelungen, und hier ist natürlich immer die Frage, ist das tatsächlich jetzt hartes Eigenkapital, oder eben auch nicht, und hier hat die Aufsicht sicherlich etwas unsensibel reagiert.

    Engels: Nun gibt es ja auch immer wieder Vorschläge, wie man das härter prüfen könnte, zum Beispiel indem man stärker auf die Liquidität, also wirklich auf das Bargeld einer Bank schaut. Da gibt es ja auch diverse Kennzahlen. Sollte man da stärker prüfen?

    Faust: Die Liquidität ist für eine Bank ganz, ganz zentral. Das heißt, wenn die Bank nicht mehr liquide ist, wenn sie sich also am Kapitalmarkt kein Geld mehr besorgen kann, oder am Interbankenmarkt, so wie wir das in der Lehman-Zeit gesehen haben, dann droht tatsächlich auch die Insolvenz der Bank. Das heißt, selbst wenn die Bank genügend Kapital hat, wenn sie nicht liquide ist, müsste sie geschlossen werden. Die Krise hat aber auch gezeigt, dass am Ende die Liquidität sichergestellt wurde durch die Notenbanken, also hier in Deutschland und in Europa durch die EZB. Auch hier wäre davon wieder auszugehen, wenn wir eine Krise bekämen, zum Beispiel in Griechenland, auch die griechischen Banken würden dann von der EZB Geld bekommen, sodass die Liquidität am Ende dann so doch gesichert ist. Das heißt also, das wäre schön, um Hinweise zu bekommen über die einzelne Liquiditätsanspannung in den Banken, aber sicherlich ist es nicht so, dass bei einer Illiquidität die Banken geschlossen würden.

    Engels: Und gerade wenn es um Liquidität geht, dann beklagen sich ja auch die Banken schnell darüber, dass solche Ergebnisse überhaupt nicht veröffentlicht werden sollten. Da seien dann auch Wettbewerbskriterien angegriffen. Haben Sie Verständnis dafür, oder ist das einfach ein Scheinargument, um sich möglichst viel einfach von diesen Kriterien nicht zu stark in die Bücher schauen lassen zu müssen?

    Faust: Ich sehe es auch kritisch, dass ein Stresstest veröffentlicht wird, aber nicht unter Wettbewerbsgesichtspunkten, weil ich glaube schon, dass eine gewisse Transparenz jetzt in dem Augenblick durchaus sinnvoll wäre, wenn man verschiedene Banken jetzt wirklich vergleicht und dann auch öffentlich macht. Ich halte es aber für kritisch, dass es überhaupt zu einer Veröffentlichung kommt, denn durch diese Veröffentlichung werden unter Umständen Ängste geschürt, bei den Verbrauchern insbesondere, die dann eben zu durchaus ja auch negativen Reaktionen führen können, auch an den Märkten. Und was hinzukommt, das ist immer wieder die Diskussion, ob diese Tests dadurch nicht zu lasch werden, beziehungsweise, wie wir es jetzt auch gesehen haben, vor der Veröffentlichung gab es ja immer wieder die Diskussion, welche Banken fallen da rein, sind es jetzt 15, sind es mehr, sind es weniger. Das hat den Eindruck vermittelt, dass die Politik am Ende dann sozusagen das Ergebnis feingetuned hat. Das heißt, man hat es sich so zurechtgebogen, wie man es dann auch in der Öffentlichkeit noch verkaufen kann. Also das ist für mich eigentlich der zentrale Punkt. Die Aufsicht braucht Stresstests, denn nur so kann sie wirklich wissen, welche Gefahren in den einzelnen Banken und im gesamten System bestehen.

    Engels: Dann schauen wir mal auf das Gesamtergebnis. Sehen Sie denn mit diesem Stresstest nun vergleichsweise sichergestellt, dass künftig die Bankenaufsicht nicht wieder von einer Finanzkrise großen Ausmaßes überrascht wird?

    Faust: Ausschließen kann man das sicherlich nicht. Ich halte den Stresstest insofern schon für wichtig, dass man daraus eben auch den Banken Hausaufgaben mitgibt, und das ist durchaus klar. Das heißt, die Banken, die hier die Kapitalanforderungen nicht erfüllen, müssen etwas tun, und zwar innerhalb einer gewissen Zeit. Das heißt, sie müssen Kapitalerhöhungen machen, sie müssen Gewinne thesaurieren, sie müssen aber eventuell auch ihr Kreditgeschäft zum Beispiel zurückfahren, also weniger Risiken aufnehmen. Damit kann man sicherlich Krisen nie völlig verhindern, weil immer nur das natürlich simuliert wird, was man dort eingibt, also wie stark und wie gefährlich schätzt man Situationen ein. Insofern ist es kein Schutz, aber es sorgt zumindest dafür, dass die Banken mittelfristig stabiler werden.

    Engels: Und wenn man jetzt Verbraucher ist und möglicherweise sein Geld an einer Bank angelegt hat, die jetzt diesen Stresstest nicht bestanden hat, sollte der Verbraucher dann sein Geld umschichten?

    Faust: Nein, ich sehe da keine Gefahr. Zum einen ist es ja so, dass wir wirklich mit Dingen simuliert wurden, die in der Zukunft vielleicht auch gar nicht so eintreten, oder mit einer hohen Wahrscheinlichkeit auch nicht so eintreten werden. Darüber hinaus ist es ja auch so, dass hier die Banken ja auch reagieren in nächster Zeit, und die Messlatte war wie gesagt sehr hoch. Das heißt also, man hat Dinge gefordert von den Banken, die im Augenblick noch gar nicht rechtlich zulässig sind, oder die noch gar nicht gefordert werden im Augenblick. Das heißt also, eine Gefahr für den Verbraucher besteht hier sicherlich nicht. Wenn dort einzelne Namen erscheinen, dann ist das sicherlich kein Grund, dort besorgt zu sein.

    Engels: Wir sprachen mit Professor Martin Faust. Er ist Professor für Bankbetriebslehre an der Frankfurt School of Finance and Management. Vielen Dank für das Gespräch.

    Faust: Gerne!

    "Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen."

    Europäische Banken auf der Kippe - Aufsicht legt heute Stresstest-Ergebnisse vor