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Vertikale Gärten

Patrick Blanc plant Gärten - aber nicht wie wir sie kennen hinter dem Haus oder in einem Park, sondern: an der Wand. Der von ihm entworfene grüne Innenhof eines Pariser Hotels erscheint an heißen Sommertagen wie eine kühle Oase.

Von Suzanne Krause | 01.07.2010
    Das Restaurant im Nobelhotel Pershinghall nahe der Avenue des Champs-Elysées liegt im kleinen Innenhof, umringt von 30 Meter hohen Wänden. Auf der Stirnwand wuchern über und über Tausende von Pflanzen. Ganz oben ragen große Sträucher ihre Zweige gen Himmel. Rechter Hand auf halber Höhe wallen lange schmale Blätter wie ein Wasserfall gen Boden. Hier und dort blitzen farbige Blüten inmitten all des saftigen Grüns, in dem Vögel Nester bauen. Eine Atmosphäre fast wie im Regenwald. Patrick Blanc war einige Monate nicht mehr hier und ist nun völlig überwältigt von der wild wuchernden Vegetation:

    "Ich bin einfach glücklich, die Pflanzenwand hier zu betrachten. Sie ist nun fast zehn Jahre alt und hat sich prächtig dreidimensional entwickelt. Der Garten ist streifenartig angelegt, mit vertikalen Reihen kleinerer Pflanzen, die den Eindruck verstärken, in einer Grotte zu sein. Die Lilienart dort wuchs früher auf einem Felsen neben einer Brücke in Indien, daneben blüht gerade ein Ingwer neu, direkt neben der enormen Begonie. Ich mag es, wenn Pflanzen einfach wild loswuchern."

    Am Fuß der Wand fängt eine Art Regenrinne das restliche Gießwasser der automatischen Bewässerungsanlage auf. Blanc hat für seine mur végétal mehrere Patente angemeldet. Und schwört: Letztendlich sei das Prinzip simpel:

    "Ich sage immer: Da wird sozusagen ein Putzlappen in einem Plastikrahmen aufgehangen. Ganz oben, aus einem gelöcherten Gartenschlauch, läuft Wasser die Wand herunter. Getragen wird das Ganze von einem Metallrahmen, der zur Belüftung des Mauerwerks mit einem gewissen Abstand auf die Gebäudewand montiert wird."
    Doch der sogenannte Putzlappen ist nicht aus Baumwolle, sondern ein Vlies aus Plastik, genauer: aus Polyamid. Darin finden die Pflanzenwurzeln Halt und es verrottet nicht. Hergestellt wird das Vlies aus Altkleidung: Pullover, Hosen und Ähnliches aus Polyamid, die recycelt wurden.

    "Was dieses Material auszeichnet, sind die dichtverschlungenen Fäden. Damit lässt sich sehr viel Wasser zurückhalten. Und es dient als Nährboden für viele Mikroorganismen, Bakterien, Pilzen und Ähnliches. Sie fangen organische Moleküle, die die Luft verschmutzen, ein und verwandeln sie in Dünger, den die Pflanzen dann über die Wurzeln aufnehmen. So werden Staubpartikel in der Luft biologisch umgesetzt, der Abrieb von Autoreifen und Ähnliches. Das Ganze funktioniert ein bisschen wie ein Biofilter."

    Laut Patrick Blanc haben vertikale Gärten eine blühende Zukunft. Schon heute lebt über die Hälfte der Menschheit in Städten. Und am meisten Entwicklungsraum für neue Grünanlagen böten halt Gebäudefassaden, ist der französische Gartenkünstler überzeugt.
    Zaha Hadid, irakische Stararchitektin, plant eine schicke Villa mit vertikalen Gärten. Deshalb ist ihre Mitarbeiterin Elke Presser extra aus dem Londoner Büro zum Treffen mit Patrick Blanc angereist. Der grüne Innenhof im Pariser Hotel erscheint ihr am heißen Sommertag wie eine kühle Oase.
    "Das ändert das Klima hier total, vor allem hier in so einem kleinen Innenhof. Das ist eine super Idee und wir werden das auch für unser Projekt verwenden. Vor allem in wärmeren Gegenden ist das sehr bereichernd."

    Das Einzige, was Patrick Blanc bei seinen vertikalen Gärten Sorge bereitet: dass jemand versehentlich den Wasserhahn zudreht.