Bundestag
Vertreter der jungen Generation werfen Politik mangelnde Beachtung in der Wehrpflicht-Debatte vor

Bei einer öffentlichen Anhörung im Verteidigungsausschuss des Bundestags haben Sachverständige Kritik am geplanten Wehrdienst-Modernisierungsgesetz geäußert. Der Vorsitzende der Bundesschülerkonferenz, Quentin Gärtner, sagte, es sei ein Fehler gewesen, junge Menschen nicht mit einzubeziehen. Viele von ihnen wollten sich beteiligen und seien motiviert.

    Angetretene Rekrutinnen und Rekruten der Bundeswehr beim feierlichen Gelöbnis
    Angetretene Rekrutinnen und Rekruten der Bundeswehr beim feierlichen Gelöbnis (imago / Björn Trotzki)
    Daniela Broda vom Deutschen Bundesjugendring warf der Bundesregierung vor, junge Menschen nicht als gleichberechtige Bürger, sondern als naheliegende Ressource zu betrachten. Dieses Vorgehen sei nicht sicherheitspolitisch begründet, sondern einfach und bequem.
    Broda hatte sich in der vergangenen Woche ablehnend zu einer Wiedereinführung der Wehrpflicht geäußert. Junge Menschen leisteten bereits einen erheblichen Beitrag zum Gemeinwohl - in Jugendverbänden, Freiwilligendiensten, Rettungsorganisationen oder Initiativen. Sie schuldeten der Gesellschaft auch nichts, "nur weil sie jung sind", sagte die Vorsitzende des Bundesjugendrings dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
    Psychische Belastungen und Zukunftssorgen nähmen angesichts globaler Krisen, des Klimawandels und ökonomischer Entwicklungen zu. In dieser komplexen Gegenwart wögen staatliche Eingriffe in individuelle Lebensentscheidungen umso schwerer, so Broda.

    Neitzel: "Dokument des Zögerns und Zauderns"

    Der Militärhistoriker Sönke Neitzel führte bei der Anhörung aus, der Gesetzentwurf von Verteidigungsminister Pistorius sei ein Schritt in die richtige Richtung, um die Bundeswehr "kriegstüchtig" zu machen. Gleichwohl sei der Entwurf nach wie vor ein Dokument des Zögerns und Zauderns. Der Kräftebedarf, den die Inspekteure aus den NATO-Verpflichtungen abgeleitet hätten, sei wesentlich größer, als das Ziel 260.000 aktive Soldaten und 200.000 Reservisten.
    Ähnlich äußerte sich der Vorsitzende des Deutschen Bundeswehrverbandes, Wüstner. Er forderte, die Möglichkeit einer Bedarfswehrpflicht bereits im vorliegenden Gesetz zu verankern und nicht erst später über eine Rechtsverordnung.
    Der Präsident des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr, Sieger, verwies darauf, dass eine freiwillige Entscheidung für den Wehrdienst Akzeptanz schaffe und Sinn stifte. Die Musterung sei Daseinsversorgung und ermögliche Verteidigungsbereitschaft.

    Pistorius und Breuer gegen Losverfahren

    Fachpolitiker von Union und SPD im Bundestag hatten sich Mitte Oktober auf ein Losverfahren geeinigt, das bestimmen soll, wer zur verpflichtenden Musterung muss. Sowohl Verteidigungsminister Pistorius wie auch Bundeswehr-Generalinspekteur Breuer lehnen dies jedoch ab; sie verlangen stattdessen eine flächendeckende Musterung.
    Während Pistorius einen neuen freiwilligen Wehrdienst einführen will, gibt es aufseiten der Union Stimmen, die eine Wiedereinführung der Wehrpflicht fordern, darunter CSU-Chef Markus Söder. Kernpunkt des Problems ist die Frage, wie die Bundeswehr im angestrebten Maß aufgestockt werden kann, falls sich nicht genügend Freiwillige finden.
    Derzeit dienen etwa 182.000 deutsche Soldatinnen und Soldaten in der Bundeswehr. Um die Verpflichtungen gegenüber der NATO zu erfüllen, wird eine Aufstockung auf rund 260.000 aktive Kräfte angestrebt. Hinzukommen sollen 200.000 Reservisten. Wehrpflicht und Musterung sind in Deutschland seit 2011 ausgesetzt.

    Röwekamp (CDU) rechnet mit Einigung

    Der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Röwekamp, rechnet bis Ende dieser Woche mit einer Einigung der Koalition über die künftige Ausgestaltung des Wehrdienstes. Man wolle dann am 3. Dezember im Ausschuss eine Empfehlung abgeben und idealerweise zwei Tage später das Gesetz im Bundestag beschließen, sagte der CDU-Politiker im Deutschlandfunk.
    Er bekräftigte seine Forderung nach einer flächendeckenden Musterung eines ganzen Jahrgangs, wie sie auch Pistorius verlangt. Man wolle versuchen, die Wehrpflicht zu vermeiden, indem man möglichst viele junge Menschen davon überzeuge, freiwillig ihren Dienst zu tun. Da könne die Musterung einen Beitrag leisten, weil man mit den jungen Leuten ins Gespräch komme.
    Diese Nachricht wurde am 10.11.2025 im Programm Deutschlandfunk gesendet.