
Eigentlich hatten sich die Koalitionspartner schon geeinigt und die Bundesregierung bereits im August einen Gesetzentwurf zur Änderung des Wehrdienstes im Kabinett verabschiedet. Nun diskutieren die beiden Regierungsparteien aber erneut. Die erste Lesung des Gesetzes im Bundestag wurde um zwei Wochen verschoben.
Der Grund: Der Entwurf von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) sieht ein auf Freiwilligkeit basierendes Wehrdienstmodel vor. Nur wenn die Rekrutierungsziele nicht erreicht werden oder wenn die Sicherheitslage es erfordert, soll sich das ändern. Unionspolitiker – darunter auch Bundeskanzler Friedrich Merz – bezweifeln, ob das ausreichend Personal bringt.
Das fordert die Union
In dem neuen Gesetz soll deswegen – so die Forderung der Union – verbindlicher festgelegt werden, wann eine Dienstpflicht greifen soll. Dabei sind Fragen entscheidend wie: Wann ist die Sicherheitslage ernst genug? Oder: Wie viele Soldaten sind zu wenige Soldaten? Manche Unionspolitiker – wie Außenminister Johann Wadephul und Fraktionschef Jens Spahn – fordern auch eine sofortige Wehrpflicht.
Das steht im Pistorius-Gesetz
Das neue Wehrdienstgesetz von Pistorius sieht vor, dass allen jungen Menschen zum 18. Geburtstag ein Fragebogen zugeschickt wird. Darin sollen sie Auskunft über ihre Bereitschaft und Fähigkeit zum Wehrdienst geben. Wenn sie ausgewählt werden, müssen sie sich einer Musterung stellen. Ob sie dann aber Dienst bei der Bundeswehr leisten, bleibt ihnen überlassen. Die Männer müssen aber verpflichtend den Fragebogen ausfüllen und zurücksenden, bei Frauen ist auch das freiwillig. Das Gesetz sieht also keine Wehrpflicht vor, kann aber als Vorbereitung darauf verstanden werden.
So groß ist der Personalmagel bei der Bundeswehr
Dass die Bundeswehr unter Personalmangel leidet, ist nahezu unbestritten: Ende 2024 dienten rund 181.000 Soldatinnen und Soldaten – 19.000 weniger als eigentlich vorgesehen. Bis 2031 soll die Bundeswehr außerdem auf 203.000 Mann anwachsen. Dieser Zielwert könnte aber angesichts der derzeitigen Bedrohungslage auch noch nach oben gesetzt werden.
Das sagt...
Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) bezeichnet das Verhalten der Unionsfraktion als fahrlässig, weil es möglicherweise die Einführung des neuen Wehrdienstes verzögert. Er fordert die Unionsfraktion auf, am Zeitplan festzuhalten.
Falko Drossmann (SPD) lehnt eine sofortige Rückkehr zu einer Wehrpflicht ab. „Ich brauche doch heute keine zehntausenden Wehrpflichtigen mehr“, so Drossmann. „Ich brauche gut ausgebildete Menschen, die hochtechnologisch unterwegs sind. Und dafür brauche ich länger dienende Soldatinnen und Soldaten - und dafür muss ich diesen Beruf attraktiver machen.“
Im Spannungs- und Verteidigungsfall könne außerdem der Wehrdienst verpflichtend werden. Dazu würden im Hintergrund auch bereits Musterbehörden und Kasernen aufgebaut und Waffen beschafft. Für eine sofortige Rückkehr zur Wehrpflicht fehle noch die Infrastruktur.
Eine weitere offene Frage bei der politischen Diskussion bleibt: Würde die Bevölkerung, würden vor allem die jungen Menschen eine Wehrpflicht mitmachen? Entscheidend dafür sei zum einen die Bedrohungslage, sagt die Historikerin Ute Frevert mit Blick auf alte Wehrpflichtdebatten. Zum andern sei die Verbundenheit mit dem Land und den Prinzipien Freiheit und Selbstbestimmung wichtig. Auch wurde vielen jungen Männer die Idee vermittelt, dass sie diejenigen seien, die Haus und Herd verteidigen. „Das hat historisch immer eine große Rolle gespielt.“
Laut einer Befragung der Liz Mohn Stiftung von August sind nur rund 20 Prozent der 16- bis 18-Jährigen für eine Wehrpflicht. Beliebter ist die Idee eines Pflichtjahres, das sowohl bei der Bundeswehr als auch bei sozialen Einrichtungen absolviert werden könnte.
Onlinetext: Leila Knüppel