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Videokunst-Gruppe "Raindance Foundation"
Die Internet-Pioniere

Ein Hund ist genauso eine Nachricht wert, wie ein Politiker - mit diesem Kerngedanken trug die "Raindance Foundation" von 1969 bis 1993 massenweise Videomaterial zusammen. Eine Ausstellung in Karlsruhe erinnert an die Prä-Internet-Ideen der ersten Gruppe für Video- und Fernsehkunst - und transportiert ihre Vorstellungen in die heutige Zeit.

Von Peter Backof |
    Die Mitglieder der Raindance Foundation sitzen und stehen vor einem Zelt.
    Die Mitglieder der Raindance Foundation trafen sich von 1969 bis 1993 in New York. (Raindance Foundation / Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe)
    "Die Fernsehanstalten haben Monopoly gespielt. Da kam keine Meinung von außen rein. Alternative Ideen oder etwas über Kunst schon mal gar nicht! Woodstock 1969? Ich war da und habe gefilmt. Aber nur die New York Times war vor Ort, um zu berichten; von den kommerziellen Fernsehsendern? Kein einziger!", erinnert sich Ira Schneider.
    Der Video- und Fernsehkunst-Pionier trägt die Haare immer noch Woodstock-lang, sitzt indes inzwischen im Rollstuhl und ist - seit langem schon - nach Berlin emigriert. Das Zentrum für Kunst und Medien in Karlsruhe beherbergt sein Videoarchiv, sowie das seiner Künstlergruppe: "Raindance Foundation".
    "Wir wollten die RAND Corporation mit dem Namen nachäffen. Vietnam war ja vor allem unser Thema."
    Keine Blumenkinder-Protest-Kultur
    Aus "RAND", Beraterstab der US-Streitkräfte damals, wurde "Raindance", mit Ira Schneider, Frank Gillette, Paul Ryan unter vielen anderen - in New York, wo um 1970 einige Medienkunstgruppen entstanden. Blumenkinder-Protest-Kultur war für sie passé.
    So wirkt auch der Blick in die Karlsruher Schau, wie ein Schwenk mit der Kamera von der Protestsong-Kultur in Greenwich Village, hinein in die Galerie von Howard Wise in Manhattan, wo im Mai 1969 die erste Videokunst-Gruppenschau weltweit gefeiert wurde.
    Eine Zeichnung aus Radical Software
    Eine Zeichnung aus Radical Software (Raindance Foundation / Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe)
    "Alle waren sie da. Andy Warhol, Mick Jagger, einer von den Beach Boys - und vor allem: jede Menge ganz normale Leute, einfach so von der Straße."
    Die sahen dann zum Beispiel die Installation "Wipe Cycle": neun zusammen gestapelte Röhrenmonitore, auf denen Videos laufen. Eine Ästhetik wie im Überwachungsraum eines Parkhauses heute. Der Clou: Man wird als Besucher - auch in Karlsruhe - Teil der Installation, entdeckt sich selbst auf einem der Videos herumlaufend.
    "Wir haben nicht das Gefühl, die Welt verbesseren zu können"
    Der Brite George Barker ist Kurator und Restaurator für das Raindance-Archiv und ordnet ein.
    "Ästhetik und Technologie des Videos haben damals einen Quantensprung markiert. Heute kommen uns viele Ideen dieser Pioniere utopisch vor, vielleicht auch naiv, weil wir nicht mehr so ungebrochen das Gefühl haben, grundsätzlich die Welt zum Besseren verändern zu können. Aber: Durch eine Technologie eine gesellschaftliche Veränderung bewirken zu können, das ist schließlich bis heute ein Projekt."
    "Das Medium ist die Botschaft", der berühmte Slogan des Medientheoretikers Marshall Mc Luhan, hatte sich plötzlich durch die Verfügbarkeit der Videokamera "Sony Portapak" eingelöst. Einigermaßen erschwinglich, konnte damit jede und jeder Videos drehen. Man könnte dieses Meinungs-Monopoly der Kommerzsender aufbrechen. Durch Interviews mit Bürgern auf der Straße, Mitkommentieren wie das heute in Blogs gemacht wird.
    "Prä-Internet-Ideen. Wir haben nicht debattiert über Marshall McLuhan, wir haben Videos gedreht, eine Videothek aufgebaut, einen Newsletter herausgebracht."
    Collage mit einem Frenseher. Im Bildschirm ist ein Fallschirm-Springer zu sehen, darüber steht "Radical Software", darunter "Changing Channels"
    Ein Coverdesign von Ira Schneider. (Ira Schneider / Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe)
    "Radical Software" war der innovative Name dieser Newsletter-Zeitschrift, mit der Ira Schneider in den 1970ern pro Ausgabe 50.000 Menschen erreicht haben will. Post-Kübel-weise seien damals auch selbstgedrehte Videos anderer eingegangen. Alle tragen bei, eine frühe Form des Wiki-Gedankens unserer Zeit. In den 80ern dann sendete Raindance via Kabel freitags eigenes Programm. Ira Schneider hielt die Gruppe bis 1993 am Leben, so gut das ging.
    Zwischen Kunst und Bürgerfunk
    Der Kerngedanke: Mein Hund ist genauso eine Nachricht wert, wie der Politiker, dessen Rede ich - mit eigener Kamera und Perspektive - filme. Das bildet auch die Ausstellung ab, mit 30 Stunden Video-Material, zwischen Kunst und Bürgerfunk aufgestellt, und mithilfe smarter Technik inszeniert. Sensoren messen die Laufwege der Besucher und spielen ihnen den Ton der Videos mehr oder weniger laut zu. Als Filterblase im Prinzip. Ira Schneider hat die Ausstellung genau so mit konzipiert.
    "Das hier ist die Lösung! Ich halte mein iPhone hoch! Billig und für die Bildqualität aller Fernsehsender reicht das inzwischen locker aus!"
    Oder ein anderes Smartphone. In "Media Overload", ein soziales Experiment, auch schon von 1969 dürfen und können die Performer nur noch über Kameras und Monitore kommunizieren. Na sowas. Schlagender Beweis, wie plastisch die Raindance Foundation bis heute visionäre Kraft entwickelt hat.
    "Wir waren die erste Künstlergruppe, die auf die Erderwärmung hingewiesen hat. Es gibt jetzt 'Personen', die den Klimawandel zu einem Witz erklären. Ist klar, wer hier der Witz ist, oder?"
    " Radical Software. The Raindance Foundation, Media Ecology and Video Art" eröffnet am 30.06.2017 im Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe