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Völkermord-Debatte
"Die Wahrheit muss man aussprechen"

Der Bundestag will am Freitag eine Resolution beschließen, in dem die Verbrechen an den Armeniern vor 100 Jahren als "Völkermord" eingestuft werden. Darauf haben sich nach langen Diskussionen Union und SPD geeinigt. Den Grünen geht das nicht weit genug.

Von Frank Capellan | 23.04.2015
    Völkermord-Mahnmal in Jerewan, Hauptstadt von Armenien
    Völkermord-Mahnmal in Jerewan (picture alliance / dpa / Foto: Abaca 106804)
    Die Kanzlerin baut vor. Bereits am Dienstag hat Angela Merkel mit dem türkischen Premier telefoniert. Diplomatische Verwicklungen wie jetzt zwischen Österreich und der Türkei soll es nicht geben. Doch deutliche Worte des Bundespräsidenten und eine Resolution des Bundestages könnten Ankara verärgern. Von einem konstruktiven Gespräch ist daher später die Rede, die Bundesregierung meidet den Begriff "Völkermord" mit Blick auf die Gräuel an den Armeniern weiterhin.
    "Verantwortung heißt eben, Verantwortlichkeit nicht auf einen einzigen Begriff zu reduzieren", hatte Außenminister Frank-Walter Steinmeier noch einmal betont, zu einem Zeitpunkt als längst klar war, dass Parlament und Staatsoberhaupt das anders sehen.
    Bundespräsident Gauck nimmt an Gedenkfeier teil
    Gerade die Sozialdemokraten haben sich schwergetan, dem eigenen Minister zu widersprechen, doch Joachim Gauck hat mit dem lange vereinbarten Besuch eines ökumenischen Gottesdienstes zum 100-jährigen Gedenken an die Verfolgung der Armenier, eine Veranstaltung, die von Anfang an unter der Überschrift "Völkermord" lief, einiges in Bewegung gebracht.
    "Wir wissen, dass der Bundespräsident sich nach einem Gottesdienst äußern wird. Aber auch die Einlassungen von Fraktionsmitgliedern, sowohl aus der Union als auch der SPD, all das hat eine Rolle gespielt bei der Entwicklung dieses Antrages", räumt Christine Lambrecht ein.
    Die Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion hatte den Druck aus den eigenen Reihen zu spüren bekommen, beim Gedenken im Bundestag nicht hinter Äußerungen des Bundespräsidenten zurückzustehen. "Wir müssen endlich aussprechen, was war!", hatte SPD-Außenpolitiker Dietmar Nietan letzte Woche im Deutschlandfunk betont. Und Erika Steinbach, Christdemokratin und ehemalige Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, gehörte zu denjenigen, die ihren Fraktionschef Volker Kauder zum Umdenken in der Armenien-Frage drängten - und zu einem Resolutionsentwurf des Parlamentes, in dem es nun heißt: "Das Schicksal der Armenier steht beispielhaft für die Geschichte der Massenvernichtungen, der ethnischen Säuberungen, der Vertreibungen, ja der Völkermorde, von denen das 20. Jahrhundert auf so schreckliche Weise gezeichnet ist".
    "Allerdings mit dem Antrag alleine ist es noch nicht getan, sondern wir haben auch die Aufgabe, dass wir zwischen der Türkei und Armeniern versuchen zu vermitteln, dass sie wieder ins Gespräch kommen", so Volker Kauder.
    Göring-Eckardt: Antrag sei "verquast und verschwurbelt"
    Dieser Satz spiegelt die Regierungshaltung wider. Ankara nicht verprellen, um die Aussöhnung zwischen Türken und Armeniern nicht zu gefährden, vor allem aber, um das angespannte deutsch-türkische Verhältnis nicht weiter zu verschlechtern. Zwar erlaube die Bundesregierung dem Parlament nun, von Genozid zu sprechen, sie selber aber beklagt den Begriff des Völkermordes hartnäckig.
    "Die Wahrheit muss man aussprechen. Das ist so in einer Demokratie", betont auch Katrin Göring-Eckardt, Fraktionschefin der Grünen. Verquast und verschwurbelt sei das, was die Koalitionsfraktionen nun nach quälender Diskussion in einem Nebensatz ausdrückten. Und von der Bundesregierung erwarten die Grünen noch viel mehr: "Sie sollte sich dafür entschuldigen, dass das Deutsche Kaiserreich damals untätig geblieben ist!" Deutsche Mitverantwortung also, weil man damals von den Gräueln der Türken an den Armeniern wusste, aber wegschaute? Historiker sehen dies so. Möglich, dass Bundespräsident Joachim Gauck am Abend auch dazu ein Wort verlieren wird.