Dienstag, 14. Mai 2024

Archiv


Vogelgrippe in neuem Gewand

In China ist ein neues Vogelgrippevirus namens H7N9 aufgetaucht, an dem schon zwei Menschen gestorben sind. Wie sich die bisherigen Opfer ansteckten, ist aber noch unklar. Ebenfalls ungewiss ist, ob sich das Virus auch von Mensch zu Mensch überträgt.

Wissenschaftsjournalistin Marieke Degen im Gespräch mit Ralf Krauter | 02.04.2013
    Ralf Krauter: Wenn gefährliche Krankheitserreger, die zuvor nur Tiere befielen, plötzlich auf Menschen überspringen, schrillen bei Seuchenexperten die Alarmglocken. Ein Beispiel dafür ist der Vogelgrippeerreger H5N1, der auch immer wieder Menschen infiziert und von dem Fachleute deshalb befürchten, er könnte irgendwann mal eine schlimme Seuche auslösen. In China ist jetzt ein neues Vogelgrippevirus namens H7N9 aufgetaucht, an dem schon zwei Männer gestorben sind. Was genau man über die Vorfälle weiß, habe ich vorhin die Wissenschaftsjournalistin Marieke Degen in Berlin gefragt.

    Marieke Degen: In China sind insgesamt drei Menschen an diesem H7N9-Virus erkrankt – zwei Männer und eine Frau. Die Männer stammen aus Schanghai, die Frau aus einer benachbarten Provinz. Und alle drei haben vor ein paar Wochen eine schwere Lungenentzündung bekommen. Die beiden Männer sind inzwischen gestorben. Die Frau lebt noch, aber es geht ihr sehr schlecht.

    Krauter: H7N9, das ist der Virustyp, der nachgewiesen wurde bei den drei Betroffenen. Was ist das für ein Virus und was weiß man darüber?

    Degen: Also im Moment weiß man noch sehr wenig darüber. H7N9 ist eigentlich bislang immer nur bei Vögeln gefunden worden – in Japan, in den Niederlanden, auch in den USA. Das Virus ist noch nie in China gefunden worden und auch noch nie beim Menschen, das ist jetzt das Besondere. Es gibt neben diesem H7N9 aber noch viele andere H7-Grippeviren. H7N2 oder H7N7 – das ist sind alles Vogelgrippeviren – und die springen immer mal wieder von Geflügel auf den Menschen über. Also das ist in den letzten Jahren schon öfter vorgekommen. Normalerweise ist das auch immer relativ harmlos gewesen. Also die Menschen bekommen meistens eine Bindehautentzündung oder einen Schnupfen und nach ein paar Tagen ist der Spuk wieder vorbei. Eine Ausnahme gab es vor zehn Jahren in den Niederlanden. Da ist ein Tierarzt an einem H7N7 gestorben. Aber das war bislang wirklich der einzige dramatische Fall. Und dieses H7N9 ist jetzt wirklich zum ersten Mal beim Menschen nachgewiesen worden. Es hat gleich zwei Menschenleben gefordert. Und deshalb sind die Behörden jetzt auch entsprechend alarmiert.

    Krauter: Weiß man denn schon, wie sich die drei Opfer, die drei Infizierten, angesteckt haben?

    Degen: Das weiß man noch nicht genau. Geflügel – das wäre naheliegend. Einer von ihnen hatte vorher wohl auch mit Geflügel zu tun. Aber ob das die Quelle war, ist unklar.

    Krauter: Wirklich brenzlig wird’s ja erfahrungsgemäß immer, wenn solche tödlichen neuen Erreger dann auch von Mensch zu Mensch übertragen werden können – also wie normale Grippeviren. Denn dann droht ja erst diese lawinenartige Ausbreitung in Form einer Pandemie. Kann man denn bei diesem neuen Erreger jetzt schon sagen, dass diese Gefahr besteht, oder kann man sagen, nee, die besteht eher nicht?

    Degen: Also dazu kann man im Moment eigentlich gar nichts sagen. Die Behörden wollen es zurzeit nicht ausschließen. Ich würde nach allem, was ich gelesen habe und nach dem, was mir auch Virologen am Telefon vor der Sendung gesagt haben, ich würde mal ganz vorsichtig sagen: Im Moment sieht es eher nicht danach aus, dass sich Menschen gegenseitig anstecken. Denn dann müsste es eigentlich deutlich mehr Fälle geben – jetzt schon. Die drei Patienten, die jetzt erkrankt sind, hatten jedenfalls nichts miteinander zu tun. Die Behörden in China haben auch gleich diverse Kontaktpersonen der Patienten untersucht und bei ihnen das Virus nicht gefunden. Aber einer der verstorbenen Patienten hatte zwei Söhne und die hatten auch zeitgleich eine Lungenentzündung, einer ist sogar auch gestorben. Doch ob der jetzt auch H7N9 erkrankt war, wird im Moment noch überprüft. Das kann noch keiner sagen.

    Krauter: Klingt so, als gäbe es aktuell keinen Grund zur Panik. Aber dennoch: Die Behörden sind sehr aufmerksam. Kann man das so zusammenfassen?

    Degen: Also Panik im Moment sicher nicht. Aber die Behörden nehmen diese Fälle zurecht schon sehr ernst. Also es handelt sich nunmal um einen sehr ungewöhnlichen Subtyp. Er ist zum ersten Mal überhaupt beim Menschen aufgetaucht – und das mit schrecklichen Folgen. Das sind schon Alarmzeichen. Und das wird jetzt auch sehr genau beobachtet vor Ort. Es wird zum Beispiel geschaut, ob sich noch andere mit H7N9 angesteckt haben und vielleicht auch eine mildere Verlaufsform dann aufweisen. Die Frage ist ja, ob sich das Virus wirklich auch ausbreiten wird. Und das kann man im Moment noch überhaupt nicht sagen. Die Vogelgrippe H9N2 zum Beispiel kommt auch in China sehr häufig vor bei Geflügel. An der haben sich auch schon öfter mal Menschen infiziert – vor allem waren das Kinder. Das Ganze ist ziemlich glimpflich abgelaufen. Die Kinder sind alle wieder gesund geworden und dann ist auch dieses Virus bei Menschen wieder im Sande verlaufen. Also da muss man jetzt wirklich einfach abwarten, was mit H7N9 passiert.