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Vogelgrippe: Verbraucherschutzministerin Künast warnt vor Panikmache

Verbraucherschutzministerin Renate Künast hat vor "Alarmismus" im Zusammenhang mit der sich ausbreitenden Vogelgrippe gewarnt. Im Deutschlandfunk sagte die Grünen-Politikerin, noch gebe es das Virus in Deutschland nicht. Jedoch müsse die Gefahr ernst genommen werden. Vertreter von Bund und Ländern hätten gestern eine Eilverordnung beschlossen, die einen Notfallplan beinhalte.

Moderation: Jochen Spengler | 19.08.2005
    Jochen Spengler: An der Vogelgrippe starben bislang etwa weltweit 150 Menschen. Entstanden ist die Seuche in Südostasien. Dort grassiert sie seit etwa zwei, drei Jahren. Inzwischen aber sind auch europäische Experten und Politiker alarmiert, denn die Vogelgrippe breitet sich aus Richtung Europa. So soll sie bereits in Russland bis zum Ural vorgedrungen sein. Die EU-Kommission hat reagiert. Importe von lebendem Geflügel und Geflügelfleisch aus neun asiatischen Ländern sind länger schon verboten. Nun gibt es auch ein Importverbot für lebendes Geflügel und Federn aus Russland und Kasachstan. Reichen diese Maßnahmen aus? Das wollen wir wissen von der Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft. Einen schönen guten Morgen Renate Künast!

    Renate Künast: Guten Morgen Herr Spengler.

    Spengler: Frau Künast, wie gefährlich ist die Situation eigentlich? Solange die Vogelgrippe hier noch nicht aufgetaucht ist, können sich Menschen ja nur in den Epidemiegebieten in Südostasien anstecken. Das ist richtig oder?

    Künast: Das ist richtig, aber es gibt ja eigentlich drei Eintragungsquellen, dass Touristen oder Menschen, die geschäftlich dort sind, sich in den Gebieten anstecken, wenn sie den Kontakt zu Geflügel zum Beispiel nicht meiden und allem, was Federn hat oder Federn beinhaltet.

    Spengler: Was heißt jetzt Kontakt? Heißt das, man darf das auch nicht essen?

    Künast: Nein. Man muss unterscheiden. Beim Essen ist es so, dass der Hinweis gilt, dass die Dinge gut durchgebraten oder durchgekocht sein müssen, das also nicht in halbrohem Zustand essen. Ansonsten ist unsere Empfehlung, die ja längst auch mit entsprechenden Informationsblättern über Botschaften und Fluggesellschaften geht, Kontakte zu Geflügelmärkten und zu Geflügel überhaupt zu meiden. Der andere Eintragungsweg ist das Thema illegaler Tierhandel. Wir haben gerade gesagt, die Importe sind auch schon auf europäischer Ebene gestoppt, also verboten worden. Jetzt geht es aber darum, auch dafür Sorge zu tragen, dass kein illegaler Handel stattfindet. Der dritte Punkt sind die Zugvögel. Da sind wir ja seit 2003 dran und haben ein Monitoring zum Thema Wildvögel auch hier, um regelmäßig zu begleiten - es könnte ja auch mal Einzelfälle geben – und durch Tests zu gucken, ob da ein entsprechendes Virusgeschehen auftaucht. Wir haben seit dem letzten Jahr – daran sehen Sie, dass wir uns schon lange Gedanken gemacht haben – eine Meldepflicht hier in Deutschland für alle hühner- und vogelhaltenden Betriebe. Das ist eine notwendige Maßnahme, um im entscheidenden Augenblick notfalls auch zu wissen, wo überall solche Betriebe sind.

    Spengler: Meldepflicht, wenn die Krankheit auftaucht?

    Künast: Nein. Meldepflicht seit letztem Jahr, dass jemand Hühner hält. Sehen Sie, die Bundesländer, die ja für den Vollzug von Maßnahmen und die Kontrolle zuständig sind, müssen dann natürlich auch wissen, wo im Landkreis oder in einer Stadt sich solche Hühnerhalter aufhalten. Sonst würden ja konkrete Maßnahmen sozusagen ad absurdum geführt, wenn sie die Hälfte der Betriebe, auch gerade kleinere nicht mit einbeziehen. Jetzt beobachten wir weiter, haben Kontakte auch nach Russland, auch über die Botschaft. Die Wissenschaftler haben entsprechendes Virusmaterial, das sie immer testen und beobachten können. Gestern war sozusagen vielleicht das vorläufige Ende unserer Bemühungen insofern, als wir bei einem Termin zusammen mit den Ländern vereinbart haben, wir machen jetzt eine Eilverordnung, die einen Notfallplan beinhaltet. Neben der Tatsache, dass jetzt die Kontrollen der Wildvögel intensiviert werden, gibt es dann eine Regel, die heißt, dass das Federvieh aufgestallt werden muss. Das heißt auf Neudeutsch: es gehört in den Stall. Ein paar Freilandhaltungen, die das nicht können, müssen adäquate Maßnahmen ergreifen: also den Zugang zu Oberflächenwasser für diese Tiere beenden, zum Beispiel Netze spannen, dafür Sorge tragen, dass die Fütterung nicht offensichtlich ist und Wildvögel dazu anzureizen, und sie haben eine besonders strenge Kontrolle, wissenschaftliche und Testkontrolle, und Meldepflicht.

    Spengler: Frau Künast, Sie sagen, das ist ein Notfallplan. Wann ist denn Notfall?

    Künast: Man kann ja an der Stelle nur vor Alarmismus warnen. Als wir im letzten Jahr diese Meldepflicht für alle Hühnerhaltungsbetriebe gemacht haben, wurden wir auch von der Opposition kritisiert, das sei Bürokratie. Ich habe gesagt, das ist die richtige Vorbereitung zum richtigen Zeitpunkt, damit man weiß, wo man eingreifen muss und wo Herde sein könnten. Das muss man entsprechend vorbereiten. Der wirkliche Notfall ist bezüglich der Zugvögel dann, wenn die Zugvögel kommen. Logischerweise kann er ja auch dann erst anfangen. Die sind jetzt nicht da! Die Wissenschaftler haben uns, Bund und Ländern gesagt, dass diese Aufstallungspflicht spätestens zum 15. September eintreten müsste, und wir diskutieren jetzt mit den Bundesländern dieses Datum. Gar kein Problem! Alle wissen ja längst, um welche Maßnahmen es geht. Die Eilverordnung wird längst geschrieben von meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und kann von einen Tag auf den anderen in Kraft gesetzt werden. Wir klären jetzt in den nächsten paar Tagen mit den Bundesländern, zu welchem Tag das ist.

    Spengler: Also das heißt die wird es auf jeden Fall geben, egal wann die Zugvögel eintreffen oder nicht? Es wird diese Einstallungspflicht geben? Habe ich Sie da richtig verstanden?

    Künast: Nach der Vereinbarung ist es so, bevor die Zugvögel hier sind, dass es eine solche Aufstallungspflicht geben wird, unabhängig mal von der Frage, ob dieser Virus tatsächlich da ist. Russland sagt uns ja, der gefährliche sei dort am Ural nicht aufgetreten. Das können meine Wissenschaftler mir noch nicht bestätigen, also diese Negativaussage. Aber sehen Sie mal, wir machen jenseits allen Alarms und all dieser Debatten. Man muss ja ruhig, aber systematisch Maßnahmen ergreifen, um wirtschaftlichen und gesundheitlichen Schaden abzuwenden. Da kommt es ja als allererstes auf das Thema Tiere an. Wir wollen jede Maßnahme ergreifen, die das Risiko mindert. Deshalb glaube ich ist es angesichts der jetzigen Debatten und des sehr schwierigen Geschehens in einigen asiatischen Ländern ja einfach wichtig zu sagen, wie minimieren wir, also indem wir den Kontakt zwischen den Nutztieren und den Zugvögeln verhindern. Deshalb macht es Sinn. So eine Eilverordnung würde so aussehen: wir setzen die für drei Monate in Kraft und können jederzeit überprüfen, also entweder verlängern oder sie wieder aufheben, wenn man merkt, dass sie unsinnig ist.

    Spengler: Woran erkennt man denn eigentlich infizierte Vögel und was muss man mit denen machen? Muss man die dann töten oder sterben die von alleine?

    Künast: Der Punkt ist ja der, dass sie erstens immer wieder Vögel testen müssen und da muss dann ein entsprechender wissenschaftlicher Test vorhanden angestellt werden, ob Viren oder Antikörper enthalten sind. Ansonsten sind Todesfälle von den betroffenen Tierhaltern zu melden, weil es ist so, dass in jedem größeren Tierhaltungsbetrieb logischerweise mal ein Tier stirbt. Hier kommt es jetzt darauf an, genau darauf zu achten und dann entsprechende Tests zu machen, insbesondere wenn mehrere Tiere sterben.

    Spengler: Es gibt also einen Impfstoff für Tiere. Noch keinen Impfstoff gibt es für Menschen. Das ist aber auch noch nicht so schlimm, denn noch können Menschen, die infiziert sind, andere Menschen nicht anstecken.

    Künast: Ich muss Sie korrigieren, Herr Spengler. Es gibt bei den Tieren einen wissenschaftlich entwickelten Stoff, der aber noch nicht zugelassen ist. Das heißt man hat dort erste gute Ergebnisse, aber noch gar nicht hinreichend getestet.

    Spengler: Aber richtig ist, dass es noch keinen Impfstoff für Menschen gibt und dass der Virus erst dann wirklich für Menschen gefährlich ist, wenn er sozusagen sich verändert, wenn er mutiert, dass er nämlich dann übertragbar ist von Mensch zu Mensch. Dann ist wirklich Gefahr im Verzug. Wie groß ist denn diese Gefahr, dass daraus wirklich eine Pandemie wird, wie manche jetzt sagen?

    Künast: Herr Spengler meine Aufgabe ist ja, dafür zu sorgen, dass der Virus nicht hier ist oder geschweige denn hier bleibt. Ich habe etwas gegen Spekulationen an der Stelle, was wie gefährlich sein kann. Wir wissen, dass es gefährlich ist, und meine Devise ist immer, vorsorgend zu arbeiten und wir befinden uns ja immer noch im Bereich der Vorsorge und Prävention. Lassen Sie uns das einfach mal ruhig und systematisch tun.

    Spengler: Nun gibt es Stimmen, zum Beispiel heute in der "Süddeutschen Zeitung", Experten die sagen, Deutschland ist denkbar schlecht vorbereitet. Wir haben zum Beispiel für Menschen kaum Impfmittel. Man könnte sowieso nichts gegen die Vogelgrippe machen, aber man würde mit Grippemitteln zumindest die allgemeine Resistenz erhöhen, die bevorratet wären, aber davon gibt es zu wenig Vorräte in Deutschland.

    Künast: Na ja, da ist es schon mal so: die Länder haben sich ja zusammen auch mit Wissenschaftlern und dem Bund hingesetzt und darüber geredet, wie viel Material wird gebraucht, und dieses Material müssen die Länder bestellen. Dass es kein spezifisches Mittel gibt, ist ja klar. Das können sie immer erst entwickeln als Gegenmittel zu einem ganz spezifischen Virus. Da der nicht existiert, also einer, der von Mensch zu Mensch weitergegeben werden kann, sondern das erst mal nur eine Sorge ist, dass der sich entwickeln könnte, kann man darauf ja auch noch keine Maßnahme ergreifen. Aber Sie sehen schon, wir sind jetzt im Bereich des könnte, könnte, könnte. Wir wissen, dass da eine gefährliche Grippe sein würde. Dazu würde ich mal sagen: ruhig und systematisch und genau das tun wir jetzt, nämlich verhindern, dass überhaupt dieser Virus hier herkommt und damit die Voraussetzung dafür verhindern, dass er sich weiter entwickeln könnte bezüglich des Menschen.

    Spengler: Vor acht Jahren ist der Virus erstmals in Hongkong entdeckt worden. Da ist nun viel Zeit vergangen. Haben die Politiker doch geschlafen?

    Künast: Wir haben nicht geschlafen. Das Problem ist, dass die Medien nicht darüber berichtet haben. In Zeiten, in denen etwas nicht akut ist, berichtet niemand darüber oder bekommen sie kein Interview zum Thema Vogelgrippe. Sie hätten mich letztes Jahr nicht zum Thema Meldepflicht für hühner- und vogelhaltende Betriebe eingeladen zu einem Interview. Aber sehen Sie: wir haben trotz allem systematisch daran gearbeitet.

    Spengler: Nein, aber ich habe auch nicht das Geld zur Verfügung, um zum Beispiel die Forschung irgendwie über diesen Virus, der vor acht Jahren bekannt wurde, zu fördern?

    Künast: Ja, aber diese Forschung, Herr Spengler, findet ja statt. Zum Beispiel eines der herausragendsten Forschungsinstitute für Viruserkrankungen bei Tieren. Das ist das Friedrich-Löffler-Institut auf der Insel Riems bei uns, also eine mir nachgeordnete Forschungsinstitution. Die forschen an Virusisolaten, die sie aus Asien haben, weil man das natürlich immer begleitet. Wir investieren da denke ich eine ganze Menge und das Notwendige wird getan. Wenn mir ein Forscher sagen würde, wir brauchen mehr, würde ich das organisieren.

    Spengler: Das war die Bundesverbraucherministerin Renate Künast, die vor Panikmache in Sachen Vogelgrippe warnt. Danke schön für das Gespräch, Frau Künast!

    Künast: Ich danke auch!