Archiv


Von Teezeremonie bis Verpackungskunst

25 Quadratmeter Japan mitten in Paris: Im Pavillon Miwa wird japanische Hochkultur zelebriert. Ein Ort der inneren Einkehr und das mitten in Saint-Germain-des-Prés, zwischen Literatencafés und Luxusboutiquen.

Von Suzanne Krause |
    In einem alten Wohnhaus, hinter einer schweren Holztür, residiert der Pavillon Miwa. Montag bis Freitag haben hier nur Mitglieder Zutritt. Eric Pillaut klingelt: Er ist Stammgast.

    Mit vielen Verbeugungen bittet Emiko Oguri Broda den Gast in den Vorraum. Der ist winzig, schwarzes Holz an den Wänden, schwarzer Schiefer am Boden. Eric Pillaut lässt Paris hinter sich.

    "Das Holz an den Wänden wurde nicht schwarz bemalt, sondern mit einer traditionellen Technik schwarz gebrannt. Der Raum nebenan hingegen ist ganz hell. Der Durchgang ist so niedrig, dass man nur gebückt eintreten kann. Und dabei gelangt man in eine andere Welt."

    Die andere Welt misst vielleicht 20 Quadratmeter und besteht rundum aus hellem Holz: die Wände, linker Hand die Sitzbank, in der Mitte der lange Holztresen. Eine makellose Platte von einem Hinoki-Baum, der nur im Süden Japans wächst. Sanft streicht Emiko Oguri Broda über dessen Oberfläche:

    "Es handelt sich um heiliges Holz, das bei uns zum Tempelbau verwendet wird. An diesem Tresen wurde 300 Jahre gearbeitet. Solange der Baum wuchs, haben sich 17 Generationen von Gärtnern abgewechselt, jedes Ästchen abzuschneiden, damit kein Astloch das Holz verunziert."

    Eric Pillaut möchte einem guten Freund ein besonderes Geburtstagsgeschenk machen: eine Flasche Sake, die Emiko verpacken wird. Ein zeremonieller Akt, der in Schinto-Klöstern vor 1300 Jahren geboren und von den Shogun, den militärischen Herrschern, weiterentwickelt wurde.

    Origata, die Kunst des Verpackens, ähnelt dem Origami, dem kunstvollen Falten von Papier. Für Origata braucht es ein spezielles Papier und Kordeln in weiß und rot. Sowie Handfertigkeit und ein gutes Gedächtnis: In der Edo-Kultur, im 17. Jahrhundert, waren über 2.000 unterschiedliche Verpackungsformen bekannt. Je nach Geschenk, je nach Anlass. Emiko präsentiert eine gefaltete Papierhülle, die an einen Kranich erinnert und auch so heißt:

    "Der Kranich ist bei uns ein Symbol für Langlebigkeit. Diese Verpackung ist gedacht für Geschenke an ältere Menschen, an 60-, 70-, 80-Jährige."

    In der Zahl der verwendeten Kordeln äußert sich der Grad an Respekt gegenüber dem Beschenkten, in der Form des Knotens, was man ihm wünscht. Schweigend hat Emiko einen Bogen Papier so gefaltet, dass in der Mitte ein Boden für die Sake-Flasche entsteht und rundum vier breite Streifen, die die Flasche bis zum Hals umhüllen. Sorgfältig verschlingt sie die Kordeln und stellt das Geschenk auf einer Art hölzernem Mini-Altar vor Eric Pillaut. Der nickt beeindruckt.

    "Vielen Dank, das ist wunderschön."

    Zweitausend Euro kostet der Mitgliedsbeitrag. Dafür lädt Hausherr Takeshi Sato regelmäßig zu Kursen zu den japanischen traditionellen Künsten, von Blumen über Keramik bis zu Webern, die Experten aus seiner Heimat anbieten.

    "Die Idee zum Pavillon Miwa kam mir nach dem Erdbeben im März 2011. Da dachte ich mir: Die Zivilisation des Materialismus, der wirtschaftlichen Effizienz hat sich überlebt. Wir müssen zurückfinden zu anderen Werten."

    Bei Eric Pillaut ist die Botschaft angekommen.

    "Jedes Mal, wenn ich den Pavillon verlasse, fühle ich mich wie ein anderer Mensch. Und habe das Bedürfnis, im Alltag mehr Details zu würdigen, ruhiger zu sein, selbst banale Verrichtungen mit Aufmerksamkeit zu erledigen – ganz wie es hier zelebriert wird."