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Vor 100 Jahren gestorben
Adelina Patti - Die größte Operndiva des 19. Jahrhunderts

Adelina Patti trat im 19. Jahrhundert in allen großen Opernhäusern auf - in London, New York und Paris. Die exzentrische Sopran-Diva war sogar Hofsängerin im zaristischen Russland. Viele Zeitgenossen faszinierte aber auch ihre Persönlichkeit und ihr extravagantes Leben.

Von Wolfgang Schreiber | 27.09.2019
    Eine Fotografie der italienischen Operndiva Adelina Patti, auf der sie einen Hut trägt. Die Aufnahme ist aus dem Jahr 1882. Sie ist zu dem Zeitpunkt ungefähr 39 Jahre alt.
    Die italienische Operndiva Adelina Patti im Jahr 1882. (picture alliance / The Print Collector / Heritage Images)
    Im Jahr 1905 hat die Sängerin Adelina Patti Mozarts Cherubino-Arie aus "Figaros Hochzeit" auf der Schallplatte verewigt. Was sie damals in den großen Trichter hineingesungen hat, am Ende ihrer Karriere, ist weit entfernt vom Klang moderner Aufnahmetechnik. Doch auch unser so harmonisches Mozartbild wird infrage gestellt. Adelina Patti bezauberte zwar die Zeitgenossen, so ist überliefert, mit ihrer Belcantokunst. Heute dürfte ihre Freizügigkeit melodischer und rhythmischer Gestaltung einigermaßen erschrecken.
    Die größte Operndiva des 19. Jahrhunderts
    Auf dem Höhepunkt ihrer Kunst war der irische Dramatiker und Musikkritiker George Bernard Shaw allerdings völlig hingerissen, als er Adelina Patti in London hörte.
    "Patti, die große Sängerin! Patti mit der schönen, eloquenten Stimme, die so perfekt produziert und kontrolliert wird, dass sie mit dem feinsten Pianissimo noch den Hörer in der letzten Reihe der Albert Hall erreicht. Patti mit dem reinen starken Ton."
    Drei Mal verheiratet
    Die größte Operndiva des 19. Jahrhunderts ist heutzutage nur noch Gesangsspezialisten eine Größe entfernten Ruhms. Faszinierend fanden die Zeitgenossen zwar Adelina Pattis Kunst, doch vielleicht mehr faszinierte ihre Persönlichkeit, ihr extravagantes Leben.
    Drei Mal war sie verheiratet, im walisischen Bergland erwarb sie ein Schloss und machte es zu ihrem Herrschaftssitz. Ihr Auftreten als Superstar der Epoche konnte exzentrischer nicht sein. Für ihre Tourneen in Europa besaß sie einen eigenen Sonderzug, reiste mit 50 Koffern, mehreren Dienern und einem Chefkoch.
    Blick in das Mariinsky Theater im russischen Sankt Petersburg mit seinen Logen.
    Adelina Patti trat als Hofsängerin im zaristischen Russland mehrfach im St. Petersburger Mariinski-Theater auf. (picture alliance / robertharding / Peter Barritt)
    Mit neun in New York aufgetreten
    Adelina Patti, geboren 1843 in Madrid als Tochter eines italienischen Sänger-Ehepaares, war als Wunderkind aufgewachsen. Mit sieben Jahren sang sie große Arien auswendig, mit neun trat sie in New York öffentlich auf, mit sechzehn wagte sie die Titelrolle in Donizettis "Lucia di Lammermoor". Ihre Karriere verbrachte sie im Reich der Komponisten Rossini und Bellini, Donizetti und Verdi. Leider hat Patti Vincenzo Bellinis "Casta diva", das Gebet der Norma, ihre betörendste Partie, erst mit 62 Jahren aufgenommen.
    Adelina Patti triumphierte an den Opernhäusern Europas, sie gastierte in Südamerika, wurde - für ein horrendes Honorar - Hofsängerin im zaristischen Russland. Die New Yorker Met und Londons Covent Garden Opera waren ihr gefeiertes Zuhause. Wer so viel Ruhm für die raffiniertesten Belcanto-Trapezakte, diese endlos gezogenen Melodieschleifen, angehäuft hat, wird irgendwann von der Kritik eingeholt. Der Amerikaner Henry T. Finck hörte in Pattis Gesang ein ganz bestimmtes Defizit.
    "Sie war unendlich mehr daran interessiert, ihre schöne Stimme vorzuführen als die Musik, die sie sang. Der Komponist war für sie nicht mehr als der Halt, an dem sie ihre Triller und Tricks aufhängen konnte."
    Adelina Patti starb am 27. September 1919 auf ihrem Schloss. Tragischerweise gibt es, wie gesagt, keine Aufnahmen aus der Glanzzeit der Diva, nur die späten holprigen Zeugnisse ihres vokalen Abstiegs. Was George Bernard Shaw einst so begeistert hatte. "Die Schönheit und Zartheit ihres Stimmcharakters und ihre köstliche Tongebung und Diktion", es lässt sich leider nicht mehr rekonstruieren.