Es war ein einmaliges Experiment: Nie zuvor hatte eine liberale Demokratie den Versuch unternommen, ihren Bürgern den Genuss alkoholischer Getränke zu verbieten. Am 28. Oktober 1919 verabschiedete der US-Senat mit verfassungsändernder Mehrheit den "National Prohibition Act":
"Jedes Haus, Gebäude, Schiff oder Fahrzeug, das dem Verkauf, der Herstellung oder Lagerung von Spirituosen dient, jede Spirituose und jegliche Apparatur zu ihrer Herstellung werden hiermit zu einer Störung der öffentlichen Ordnung erklärt. Eine Person, die an einer solchen Störung mitwirkt, soll für dieses Vergehen mit einem Bußgeld zwischen 100 und 1000 Dollar belegt oder zu einer Haftstrafe zwischen 30 Tagen und einem Jahr verurteilt werden."
Neue Behörde setzte Prohibition durch
Schon bald begannen landesweit Mitarbeiter der neuen Prohibitionsbehörde, aufgespürten Schnaps, Bier und Wein zu vernichten. Saloons, Bars, Restaurants schlossen, der Absatz der Getränkeindustrie brach ein, zigtausende Arbeitsplätze gingen verloren. Der Republikaner und spätere US-Präsident Herbert Hoover verteidigte die Prohibition dennoch:
"Unser Land hat freiwillig ein großes soziales und ökonomisches Experiment auf sich genommen, das nobel in seinen Motiven und weitreichend in seinen Zielsetzungen ist."
Rassistische Motive hinter dem Gesetz
Doch die Motive des Prohibitionsgesetzes waren keineswegs nobel. Die fast 100 Jahre alte Forderung christlicher Temperenzler nach einem Alkoholverbot zum Schutz von Familie und Moral hatte nämlich erst durch Fremdenfeindlichkeit und Rassismus Zugkraft erhalten. Die Agitation der 1893 gegründeten evangelikalen "Anti-Saloon-League" richtete sich in erster Linie gegen den öffentlichen Alkoholgenuss von osteuropäischen, irischen und italienischen Einwanderern in den großen Städten der Ostküste.
Im rassistischen Süden hingegen ging es darum, die schwarzen Saloons zu schließen, die von den Weißen als Hort der Aufsässigkeit gefürchtet waren. Man konnte sich dort darauf verlassen, dass die Polizei den Alkoholkonsum der Weißen tolerieren würde.
Im Norden und Osten aber konnten längst nicht alle Weißen mit der Nachsicht der Behörden rechnen. Seit dem Eintritt in den Weltkrieg waren gerade die Deutschstämmigen ins Visier der Prohibitionisten geraten, ganz im Sinne der Devise des Unternehmers und Gesundheitsfanatikers John Harvey Kellogg:
"Wir kämpfen gegen drei Feinde: gegen Deutschland, Österreich und den Drink".
Um die Brauereien zu treffen, die fast vollständig im Besitz deutscher Einwanderer waren, verbot das Prohibitionsgesetz bereits Getränke mit einem Alkoholgehalt von mehr als 0,5 Prozent. Deutsche Biergärten in Cincinnati und Chicago mussten daraufhin schließen.
Schwarzmarkt und Organisierte Kriminalität blühten auf
Doch insgesamt war das Alkoholverbot ein Schlag ins Wasser. Ein die ganze Gesellschaft durchdringender Schwarzmarkt, versorgte unzählige "Speakeasies", meist trostlose "Flüsterkneipen", aber auch mondäne Clubs, in denen gepanschter Alkohol zu horrenden Preisen verkauft wurde.
Rasch geriet der Sektor unter die Kontrolle der organisierten Kriminalität, Gangsterbosse wie Al Capone erwarben sagenhaften Reichtum. Der örtliche Schwarzhändler - der "Bootlegger" - wurde zu einer gesellschaftlichen Institution.
Die Frivolität, mit der das Gesetz gebrochen wurde, war nur durch die Bestechung von Polizisten und lokalen Politikern möglich. Ende der 20er Jahre galt die ungesetzliche Alkoholversorgung bereits als drittgrößte Industrie der Vereinigten Staaten hinter der Stahl- und Ölbranche. Sicher war sie die trickreichste.
Prohibition prägte Verhältnis zwischen Bürger und Bundesstaat
Der kalifornische Weinbau erlebte einen regelrechten Boom durch den Verkauf von "Weinziegeln". Auf den Verpackungen dieser gepressten und entwässerten Trauben stand der augenzwinkernde Warnhinweis: "Keinesfalls mit Zucker und Hefe versetzen und Gärungsprozessen aussetzen!"
Erst 1933 wurde die Prohibition aufgehoben, der Alkoholverbrauch war so hoch wie zuvor. In der Geschichte der USA war die Prohibition dennoch mehr als eine bizarre Episode. Durch sie waren die meisten Bürger zum ersten Mal in ihrem Leben mit dem Bundesstaat in Kontakt gekommen. Dieser Staat erschien ihnen danach als willkürlich, korrupt und ineffektiv.