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Vor 150 Jahren
Die Eröffnung der Royal Albert Hall in London

Richard Wagner hat die Akustik kritisiert, die Beatles haben den Bau besungen. Die Royal Albert Hall of Arts and Sciences im Londoner Stadtteil South Kensington ist viel mehr als nur ein Konzertsaal. Am 29. März 1871 wurde sie von Königin Victoria eröffnet.

Von Ruth Rach | 29.03.2021
    Die Royal Albert Hall bereitet sich auf ihren 150. Geburtstag vor
    Die Royal Albert Hall bereitet sich auf ihren 150. Geburtstag vor (dpa / PA Wire / Matt Crossick)
    Sie gleicht einer gigantischen Hochzeitstorte aus Terrakotta und Backstein. Die Royal Albert Hall im Londoner Stadtteil South Kensington am südlichen Rand des Hyde Park. Ein korpulenter Kuppelbau, von der Architektur römischer Amphitheater inspiriert; am 29. März 1871 von Königin Victoria eröffnet. Bei der Zeremonie wurde Eau de Cologne durch die Heiz- und Ventilationsschächte gepumpt, eine Neuerung, auf die man ganz besonders stolz war.

    Königin Victoria in Trauerstimmung

    Die Nationalhymne wurde gleich zweimal gesungen. Aber Königin Victoria war in Trauerstimmung. Seit dem Tod ihres geliebten Gatten Prinz Albert hatte sie sich kaum mehr in der Öffentlichkeit gezeigt. Am Ende war sie so überwältigt, dass sie es ihrem Sohn, dem Prince of Wales, überlassen musste, die Royal Albert Hall für eröffnet zu erklären. Später schrieb sie in ihr Tagebuch:
    "Sehr trüb und rau und kalt der Tag. Es wimmelte vor Menschen, ungefähr 6.000 Personen oder mehr. Einem derart großen Auftritt habe ich seit dem Hinscheiden meines geliebten Albert nicht mehr beigewohnt, und so hat mich das Ganze natürlich sehr angestrengt und mitgenommen."

    Über 10.000 Initialen von Prinz Albert

    Königin Victoria hat den frühen Tod ihres Gatten nie verwunden. Prinz Albert von Sachsen-Coburg und Gotha war im Jahr 1861 gestorben. Er hatte sich nicht nur leidenschaftlich für den Bau des Konzertsaals eingesetzt, sondern war auch die treibende Kraft hinter einem anderen Projekt: die Great Exhibition, die große Weltausstellung 1851, auf der die neuesten Produkte und Erfindungen aus Industrie, Kunst und Design vorgestellt wurden. Sie hatte dem Land viel Ruhm eingebracht. Und viel Geld, das mit Unterstützung des Prinzgemahls in den Bau einer neuen "Central Hall for Arts and Sciences" gesteckt werden sollte. Bei der Grundsteinlegung im Jahr 1867 bestimmte Königin Victoria, der Konzertsaal solle ihm zu Ehren in "Royal Albert Hall of Arts and Sciences" umgetauft werden. Überall an den Treppenaufgängen und Balustraden sind die Initialen von Prinz Albert zu finden, über 10.000 sind dem Vernehmen nach gezählt worden.
    Duell zwischen Deep Purple und dem Royal Philharmonic Orchestra
    Deep Purple traten am 24.09.1969 in der Royal Albert Hall gemeinsam mit dem Royal Philharmonic Orchestra auf. Dafür hatte Jon Lord sein erstes Concerto in nur wenigen Wochen geschrieben: eine Art Duell zwischen beiden Klangkörpern.

    Eine Orgel mit 9.999 Pfeifen

    Ein gewichtiges Gebäude. Übrigens kein Rundbau sondern ein Oval. Sechs Millionen Backsteine. Eine Orgel mit 9.999 Pfeifen und eine 41 Meter hohe Kuppel, so schwer, dass das Gebäude vor der Installierung vorsichtshalber evakuiert wurde. Auch wenn sich der Bauleiter Generalmajor Henry Young Darracott Scott gelassen gab.
    "Was das Dach betrifft, so bin ich genauso wenig nervös, wie eine Köchin, wenn sie die frisch gekochte Hammelkeule mit einer Haube zudeckt."
    Tatsächlich senkte sich die Royal Albert Hall ab. Aber nur 0,8 Millimeter, und gleichmäßig, auf allen Seiten.

    Ein Repertoire für ein möglichst breites Publikum

    Die Ambitionen des Prinzgemahls gingen allerdings weit über den Bau einer Konzerthalle hinaus. Prinz Albert war ein selbsternannter Anhänger der humboldtschen Bildungsideale. Er träumte von einem ganzen Quartier von Kulturinstitutionen, die der Volksbildung dienen sollten. Vorlesungen, die von jedem verstanden werden. Ausstellungen, die auch am Abend, nach der Arbeit besucht werden können. Und ein Konzertsaal, dessen Repertoire ein möglichst breites Publikum anspricht:
    1873 Staatsempfang und Konzert für den Schah von Persien.
    1877 Wagner Festival. Acht Konzerte, von Wagner und Richter dirigiert.
    1891 Der erste Science-Fiction Kongress
    1901 Großer Wettbewerb im Bodybuilding. Schiedsrichter Arthur Conan Doyle.

    Schauplatz der Last Night of the Proms

    Und vieles mehr. Suffragetten, Missionare, Spiritualisten. Bob Dylan, der Dalai Lama, die Beatles. Hier wurde der erste Minirockball der Welt organisiert. Das erste Sumo Wrestling Turnier außerhalb von Japan. Winston Churchill ist gleich 16 Mal aufgetreten. Die Pink Floyd bekamen Hausverbot.
    Am bekanntesten sind aber wohl die Proms, die alljährlichen Sommerkonzerte, die seit 1895 veranstaltet werden. Das Angebot reicht von klassischer Oper bis Filmmusik. Die Last Night of the Proms endet allerdings stets mit demselben Ritual: Nationalhymne, Jubel, Fähnchenschwenken. Und zum Abschluss singt zumeist der ganze Saal dann auch noch die traditionelle schottische Weise "Auld Lang Syne".