Dienstag, 19. März 2024

Archiv

Vor 20 Jahren
Das Gesetz über die eingetragene Lebenspartnerschaft trat in Kraft

Der Jurist Karl-Heinrich Ulrichs forderte im Jahr 1865, dass Homosexuelle – damals Uranisten genannt – den Bund der Ehe schließen dürfen. Am 1. August 2001 trat in Deutschland das Lebenspartnerschaftsgesetz in Kraft. Damit wurden gleichgeschlechtliche Partnerschaften erstmals rechtlich anerkannt.

Von Jürgen Bräunlein | 01.08.2021
    Andächtig tauschen Stephan Wolfsdorfer und Hasso Müller-Kittnau am 1.8.2001 im Saarbrücker Rathausfestsaal die Ringe. Sie gehörten zu den ersten Paaren, die ihre Partnerschaft mit der "Homosexuellen-Ehe" besiegelten.
    Stephan Wolfsdorfer und Hasso Müller-Kittnau tauschen am 1.8.2001 im Saarbrücker Rathausfestsaal die Ringe. Sie gehörten zu den ersten Paaren, die ihre Partnerschaft mit der "Homosexuellen-Ehe" besiegelten. (dpa / Bub)
    "Wir sind nicht für eine solche eheähnliche Lebensgemeinschaft, die sozusagen mit einem Rechtsinstitut der eingetragenen Partnerschaft dann bedacht wird. Nach dem jetzigen Kenntnisstand werden wir das in dieser Form nicht unterstützen." So die damalige CDU-Bundesvorsitzende Angela Merkel im November 2000 zum Gesetzentwurf der rot-grünen Regierungskoalition für einen familienrechtlichen Lebensbund für Schwule und Lesben, auch eingetragene Lebenspartnerschaft genannt.

    Dänemark als Vorreiter

    Es war ein Kernprojekt der Regierung unter Gerhard Schröder, die 1998 die Ära Kohl abgelöst hatte. Besonders die Partei Bündnis 90/Die Grünen hatte vor der Wahl versprochen, die institutionelle Diskriminierung von Schwulen und Lesben zu beenden. Vorbild war Dänemark, das 1989 als erstes Land weltweit eine "Registrierte Partnerschaft" für gleichgeschlechtliche Paare eingeführt hatte. In dem 300 Seiten umfassenden Gesetzesvorhaben sollten Schwule und Lesben in Deutschland wie Heterosexuelle auch die Möglichkeit bekommen, eine vom Staat anerkannte Partnerschaft einzugehen, verbunden mit den Rechten wie in einer Ehe, etwa der Führung eines gemeinsamen Nachnamens, Besuchen auf der Intensivstation oder einem Bleiberecht für ausländische Partner. Heftige Kritik an der "Homo-Ehe", wie sie von Gegnern genannt wurde, kam von der Opposition: der FDP, der CDU und besonders der CSU.
    Hans-Peter Uhl, früherer Vorsitzender der Arbeitsgruppe Innenpolitik der CDU/CSU-Bundestagsfraktion
    CSU-Politiker Uhl: "225 Kollegen haben mit Nein gestimmt"
    Der CSU-Politiker Hans-Peter Uhl hat bei der Bundestagsabstimmung über die Ehe für alle mit Nein gestimmt. Er halte das Modell der eingetragenen Lebenspartnerschaft für gleichgeschlechtliche Paare für ausreichend, sagte er im Dlf.

    Unionsgeführte Länder: Gesetz schmälere Wert der Ehe

    "Aber wenn es um fundamentale Weichenstellungen geht, die gegen unsere innere Überzeugung stehen, da müssen wir auch das Volk mobilisieren und zur Hilfe rufen, und ich bin der festen Überzeugung, dass das Volk das so nicht will, meine sehr verehrten Damen und Herren!" So der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber damals im Bundesrat. Noch schrillere Töne kamen von den Kirchen. Erzbischof Johannes Dyba aus Fulda warnte vor "importierten Lustknaben".
    Da die rot-grüne Regierungskoalition keine Mehrheit im Bundesrat besaß, beschloss sie ein Lebenspartnerschaftsgesetz, das dort nicht zustimmungspflichtig war. Es schuf schwulen und lesbischen Paaren einen verbindlichen rechtlichen Rahmen ohne finanzielle Vorteile. Doch die unionsgeführten Bundesländer Bayern, Sachsen und Thüringen klagten dagegen. Ihr Argument: Das Gesetz schmälere den Wert der Ehe, deren Schutz das Grundgesetz doch ausdrücklich verlange.

    Karlsruhe steht zur "Homo-Ehe"

    Das Bundesverfassungsgericht wies die Klage am 17. Juli 2001 zurück. "Das Gesetz entzieht der Ehe keine Förderung, die sie bisher erfahren hat. Es nimmt lediglich eine andere Lebensgemeinschaft unter rechtlichen Schutz und weist ihr Rechte und Pflichten zu." So Christine Hohmann-Dennhardt in der Begründung der Richter, deren Urteil mit fünf gegen drei denkbar knapp ausgefallen war. Am 1. August 2001 trat das Lebenspartnerschaftsgesetz schließlich in Kraft. Nun stand schwulen und lesbischen Paaren der Weg zum Standesamt offen.
    "Das Urteil ist ein Sieg für die Demokratie in unserem Land. Karlsruhe stärkt und bestärkt die Rechte von Minderheiten und erteilt der institutionellen Diskriminierung von Schwulen und Lesben eine klare Absage." So Claudia Roth vom Bündnis 90/Die Grünen.

    2017: Öffnung der Ehe auch für Lesben und Schwule

    Der Sturm auf die Standesämter blieb jedoch aus. Offenbar war die Idee der bürgerlichen Ehe für homosexuelle Paare nicht ganz so attraktiv, wie viele dachten. Acht Bundesländer versuchten die offizielle Anerkennung durch das standesamtliche Ritual zu vermeiden und erklärten den Notar für zuständig. Im CDU-regierten Baden-Württemberg musste manches lesbische und schwule Paar seine Ringe sogar in der Kfz-Zulassungsstelle tauschen. Doch die Schritte einer weiteren rechtlichen Angleichung an die Ehe waren nicht mehr aufzuhalten.
    Viel erreicht, noch viel zu tun
    Vor drei Jahren beschloss der Bundestag die "Ehe für alle": Ein Meilenstein in der Emanzipation von Homosexuellen. Gemeinsame Adoptionen von Kindern wurden nun möglich. Lesbische Paare aber erleiden weiterhin Nachteile.
    Am 20. Juli 2017 unterzeichnete Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier schließlich ein Gesetz zur Öffnung der Institution Ehe auch für Schwule und Lesben, das kaum noch Proteste nach sich zog. Seitdem haben in Deutschland mehr als 70.000 gleichgeschlechtliche Paare geheiratet oder ihre bestehende Lebenspartnerschaft rückwirkend als Ehe anerkennen lassen. Das einstige rot-grüne Reformprojekt wurde damit erfolgreich zu Ende gebracht.