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Vor 20 Jahren unterzeichnet
"Amsterdamer Vertrag" zur Reform der Europäischen Union

Verbindliche Grundlage für die Zusammenarbeit der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union sind bis heute die EU-Verträge. Am 2. Oktober 1997 wurde ein solcher Vertrag unterschrieben - der Vertrag von Amsterdam. Er sollte die EU grundlegend reformieren und fit für das 21. Jahrhundert machen.

Von Monika Köpcke | 02.10.2017
    Bundeskanzler Helmut Kohl und Bundesaußenminister Klaus Kinkel (l) nach einem 17stündigen Verhandlungsmarathon beim Amsterdamer EU-Gipfel.
    Erschöpft nach einem 17-stündigen Verhandlungsmarathon im Vorfeld der Vertragsunterzeichnung: Ex-Bundeskanzler Helmut Kohl (r) und Ex-Bundesaußenminister Klaus Kinkel. (picture-alliance / dpa / Michael Jung)
    "Sie müssen sich die Gemeinschaft vorstellen als ein Auto, das für sechs konstruiert worden ist. Jetzt sitzen schon eng geknufft 15 drin."
    Dieses Bild fand der Kommissionsberater Marcell von Donat für die Ausgangslage, die 1997 einen neuen EU-Vertrag nötig machte.
    "Und nun wollen noch zwölf zusteigen, und dann soll das Ding auch noch fliegen, weil ja nicht nur mehr wirtschaftliche Probleme europäisch gelöst werden sollen, sondern auch Außenpolitik. Also muss ein neues Auto konstruiert werden."
    Zwölf Staaten warteten darauf, der EU beizutreten
    1992 hatten sich die Länder der EG in Maastricht auf einen Fahrplan für die Schaffung einer Währungsunion geeinigt. Fortan sollte es aber nicht mehr nur um wirtschaftliche Vereinbarungen gehen, sondern man verpflichtete sich auch zu einer engen politischen Zusammenarbeit - nun unter dem Namen Europäische Union.
    "Die Strecke, die vor uns liegt, ist sehr holprig, das Wetter ist katastrophal und die Chauffeure sind müde. Und das kommt alles zusammen: nämlich die Erweiterung, die innere Reform und das fehlende Geld."
    Nach dem Ende des Ostblocks warteten zwölf ost- und mitteleuropäische Staaten darauf, der EU beizutreten. Um auch mit dann 27 Mitgliedern handlungsfähig zu bleiben, musste zuvor dringend ein neuer Vertrag ausgehandelt werden. Er sollte die Bereiche der vergemeinschafteten Politik erweitern und die Arbeit der EU-Institutionen demokratischer und effizienter machen.
    Fünf Gipfel hatte es in den vergangenen Monaten gegeben, zuletzt traf man sich in Amsterdam. Hier verkündete am 18. Juni 1997 ein erschöpfter Helmut Kohl nach einer dramatischen Nachtsitzung:
    "Wir haben zwei wirklich lange Tage mit harter Arbeit hinter uns, mit intensiven Beratungen. Der Vertrag von Amsterdam ist nach meiner Auffassung eine solide Grundlage für die vor uns liegenden Aufgaben bei der weiteren konsequenten Fortsetzung des europäischen Einigungswerkes."
    Allgemeines Bürgerrecht: Das freie Überqueren der Grenzen
    Mit diesem Vertrag verbanden sich hohe Erwartungen: Ein "Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts" sollte die EU sein. Das freie Überqueren der Grenzen, bereits im Schengener Abkommen vereinbart, wurde als allgemeines Bürgerrecht festgeschrieben und innenpolitische und justizielle Aufgaben sollten aus der dritten Säule einer lockeren Regierungszusammenarbeit in die erste Säule der vergemeinschafteten Bereiche überführt werden. Außenminister Klaus Kinkel:
    "Wir haben, glaube ich, wirklich deutliche Fortschritte erreicht. Die Vergemeinschaftung von Visapolitik, Asylrecht, Aufenthaltsbedingungen, Flüchtlingspolitik, Außengrenzenregelungen. Für eine Probezeit ist bei Abstimmungen noch Einstimmigkeit vorgesehen, nach fünf Jahren Überprüfung der Verfahren durch den Rat, insbesondere zur Frage, ob mit qualifizierter Mehrheit entschieden werden und das Europäische Parlament beteiligt werden soll. Dazu notwendig ein einstimmiger Ratsbeschluss, das war für uns ganz essenziell, das war ein zentraler Punkt der Gespräche."
    Ein Mosaikstein auf dem Weg zur Fortentwicklung der EU
    Der Vertrag betonte damit zwar den Willen, gemeinsame Regeln zu finden. Doch vor allem Deutschland beharrte in Amsterdam darauf, beim Ausländer-, Einwanderungs- oder Asylrecht beim Einstimmigkeitsprinzip zu bleiben. Das bedeutete, dass jeder Mitgliedsstaat mit seinem Vetorecht jeden Beschluss blockieren konnte. Nur zu häufig war damit nur eine Politik des kleinsten gemeinsamen Nenners möglich. Zwar schuf der Amsterdamer Vertrag mit dem "Hohen Vertreter für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik" einen neuen Posten, der die EU nach außen präsentieren sollte. Doch auch hier galt: Maßgabe für die EU-Außenpolitik sollte sein, was zuvor im Europäischen Rat von den Regierungschefs der Mitgliedsstaaten einstimmig beschlossen worden war.
    Klarer Gewinner des Vertrages war das Europäische Parlament: Seine Befugnisse wurden beträchtlich erweitert. Bis auf die Agrar- und Wettbewerbspolitik hatte es in den Mitentscheidungsverfahren fortan die gleichen Rechte wie der Rat. Auch eine Ernennung des Kommissionspräsidenten war nur noch mit Zustimmung des Parlaments möglich.
    Über notwendige institutionelle Reformen - die Zahl der Kommissare oder die Stimmenverteilung im Ministerrat - konnten sich die Gipfelteilnehmer nicht verständigen. Auch wenn allen klar war, dass die Verhandlungsergebnisse für die bevorstehende Erweiterung noch nicht ausreichten, wurde der Amsterdamer Vertrag am 2. Oktober 1997 unterzeichnet. Er war ein weiterer Mosaikstein auf dem Weg zur Fortentwicklung der EU.