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Vor 275 Jahren gestorben
Giuseppe Guarneri schuf die teuersten Geigen der Welt

Für die meisten großen Geiger kommen eigentlich bis heute nur zwei "alte" Instrumentenbauer in Frage, Antonio Stradivari und Giuseppe Guarneri, dem die Nachwelt den Beinamen „del Gesù“ gab. Der Geigenbauer aus dem italienischen Cremona benutzte das Christusmonogramm IHS als sein Markenzeichen.

Von Henning Klüver | 17.10.2019
    Der italienische Geiger Niccolo Paganini.
    Niccolò Paganini spielte auf einer Violine von Giuseppe Guarneri (imago)
    Der junge Violinist Ray Chen, in Taiwan geboren, in Australien aufgewachsen, ist mit 30 Jahren bereits ein Weltstar. Bei einem Besuch des "Museo del Violino" in Cremona spielt er die Violine "Principe Doria" von Giuseppe Guarneri del Gesù aus dem Jahr 1734.
    "You like it? – Yes ... it has a magic."
    Diese Violine habe etwas Magisches, sagt Ray Chen. Das Spielen auf den alten Instrumenten sei fundamental für die eigene musikalische Entwicklung.
    Cremona - die Hochburg des italienschen Geigenbaus
    Die Tradition des Geigenbaus hat ihre Wurzeln in Norditalien. Neben Mailand, Brescia oder Venedig blühte das Handwerk vor allem in der Stadt Cremona, südöstlich von Mailand am Po gelegen. Hier perfektionierte Nicola Amati etwa ab 1640 die Auswahl und Verarbeitung der Hölzer und die Formung des Klangkörpers. In der Werkstatt von Amati lernten der junge Antonio Stradivari wie auch Andrea Guarneri, der Großvater von Giuseppe Guarneri del Gesù. Der Beiname "del Gesù" wurde ihm erst später gegeben, weil er seine Geigen mit dem Christusmonogramm IHS signierte.
    "Leider weiß man nur wenig über das Leben von Giuseppe Guarneri. Es wird sicher nicht leicht gewesen sein. In jener Zeit gab es immer wieder Kriege, die Pest forderte Opfer, man konnte früh sterben."
    Elisabetta Giordano betreibt heute in Cremona eine kleine Werkstatt zum Bau und zur Restaurierung von Geigen. Wobei sie versucht, mit ihren Violinen besonders dem Vorbild Giuseppe Guarneri del Gesùs nachzueifern.
    Guarneri, geboren 1698, wuchs wohl in der Geigenbauwerkstatt des Vaters auf, die er aber als rund Zwanzigjähriger verließ. Fausto Cacciatori, Konservator am ‚Museo del Violino‘ von Cremona, erläutert den Hintergrund:
    "Vermutlich hat er die Familie und die Werkstatt des Vaters verlassen, als der in finanzielle Schwierigkeiten geriet. Ökonomische Probleme machten damals vielen Geigenbauern in Cremona zu schaffen, wenn man einmal von dem überaus erfolgreichen Betrieb von Stradivari absieht."
    Traditionsbruch
    Das Leben Guarneri del Gesù lässt sich nur lückenhaft rekonstruieren. Es kursieren Legenden über eine mehrjährige Haftstrafe, die er absitzen musste. Oder über einen langen Aufenthalt in Brescia, wo er in Kontakt mit dortigen Geigenbauern gekommen sein sollte. Als sein Vater erkrankte, kehrte er in die heimische Werkstatt zurück. Und beging einen Traditionsbruch.
    "Guarneri del Gesù missachtete die Regeln, die in den Werkstätten der Stadt traditionell entstanden waren. Er fing an, ein eigenes Markenzeichen zu benutzen, als der Vater noch lebte. Das hatte es vorher nie gegeben."
    Solange Vater und Sohn in einer Werkstatt zusammenarbeiteten, wurden die Instrumente mit dem Etikett des Vaters signiert. Von etwa 1730 an benutzte der Sohn Guarneri aber bereits sein eigenes Zeichen. Und er brach mit seinem Christusmonogramm auch mit der Tradition der Familie, die sich bislang auf Santa Teresa und die Karmeliter berufen hatte. Seine Instrumente waren robuster und weniger auf ästhetische Details bedacht. Und ihr Klang sei dunkler, nähere sich dem einer Viola, beschreibt Elisabetta Giordano:
    "Der Klang der Stradivari ist ausgeglichener. Der von Amati ist weicher, er erinnert mehr an die menschliche Stimme. Aber der von Guarneri beeindruckt mehr als die anderen."
    18 Millionen Dollar für eine "Guarneri del Gesù"
    Giuseppe Guarneri del Gesù starb am 17. Oktober 1744 im Alter von 46 Jahren, nur sieben Jahre später als Antonio Stradivari, der über 90 Jahre alt wurde. Gegenüber dessen Produktion aus einer Werkstatt mit vielen Gehilfen bleibt die des Einzelgängers Guarneri del Gesù bescheiden. Man geht von rund einhundert Violinen aus. Ihr Klang faszinierte einen Virtuosen wie Niccolò Paganini, der Anfang des 19. Jahrhunderts als "Teufelsgeiger" ganz Europa in seinen Bann zog – und natürlich auf einer "Guarneri del Gesù" spielte. Noch heute greifen Violinisten zu Guarneris Instrumenten, wenn sie den gefühlsstarken Ausdruck suchen. Auf Auktionen erzielen seine Geigen Höchstpreise. Im Jahr 2010 wurde eine "Guarneri del Gesù" für 18 Millionen Dollar versteigert – der höchste Preis, der je für eine Violine bezahlt wurde.