"Das Zentralkomitee wählte einstimmig Genossen Erich Honecker zum Ersten Sekretär des Zentralkomitees der SED."
Am 3. Mai 1971 verkündeten die DDR-Medien, dass mit Erich Honecker ein neuer Mann die Parteiführung der SED und damit faktisch das wichtigste Amt in der Deutschen Demokratischen Republik übernommen hatte.
Honecker, 1912 im Saarland als Sohn eines Bergmanns geboren, trat schon mit 17 Jahren in die Kommunistische Partei ein und wurde bald hauptamtlicher Funktionär. Unter den Nationalsozialisten verbrachte er zehn Jahre im Gefängnis. Mit der Gründung der DDR im Jahr 1949 wurde er Mitglied des Zentralkomitees der SED und rückte ein Jahrzehnt später in das Politbüro auf, den innersten Führungszirkel der Staatsmacht.
Ende der 1960er-Jahre gingen Honecker und andere Genossen zunehmend auf Distanz zum Parteichef Walter Ulbricht. Darunter Herbert Häber, damals führender Mitarbeiter des Zentralkomitees:
"Das lassen wir nicht mehr zu, dass wir einen Ersten Sekretär haben, der so in wesentlichen Bereichen in Konfrontation mit der sowjetischen Politik sich bewegt."
Wie Honecker den Sturz seines Ziehvaters Ulbricht betrieb
Die innerparteilichen Gegner warfen Ulbricht zu großes Selbstbewusstsein gegenüber dem "großen Bruder" in Moskau und Versäumnisse in der Wirtschaftspolitik vor. Aber neben dem politischen Richtungsstreit war es auch ein persönlicher Machtkampf. Erich Honecker untergrub die Autorität Ulbrichts, vergewisserte sich der Rückendeckung aus Moskau und betrieb den Sturz seines politischen Ziehvaters. Am 3. Mai 1971 tritt das Zentralkomitee zusammen und zwingt Ulbricht zum Rücktritt:
"Zu Punkt 1 der Tagesordnung gab Genosse Walter Ulbricht eine Erklärung ab. Er bat das Zentralkomitee, ihn aus Altersgründen von der Funktion des Ersten Sekretärs des Zentralkomitees der SED zu entbinden, um diese Funktion in jüngere Hände zu geben."
Honecker - Jungstar mit sechzig
Jüngere Hände? Erich Honecker ist fast sechzig Jahre alt, als er die Nachfolge Walter Ulbrichts antritt. Das Zentralkomitee ist ein Club älterer Männer.
In der Wirtschafts- und Sozialpolitik will Honecker sich von seinem Vorgänger abheben, er verspricht neue Wohnungen, subventionierte Lebensmittel, billige Mieten, höhere Mindestlöhne und die Förderung berufstätiger Mütter und junger Familien.
Doch das Verhältnis zwischen der DDR-Bevölkerung und dem steif auftretenden Honecker, geprägt durch ein jahrzehntelanges Leben als Parteifunktionär, bleibt distanziert. Der Mensch trat hinter dem Amt zurück, so der Honecker-Biograf Martin Sabrow:
Doch das Verhältnis zwischen der DDR-Bevölkerung und dem steif auftretenden Honecker, geprägt durch ein jahrzehntelanges Leben als Parteifunktionär, bleibt distanziert. Der Mensch trat hinter dem Amt zurück, so der Honecker-Biograf Martin Sabrow:
"Dieses Misstrauen gegenüber der eigenen Bevölkerung, für deren Befreiung man antritt, ohne aber auf seine tatsächlichen Meinungsbekundungen entscheidenden Wert zu legen, das ist ein Erfahrungsschatz, den diese Kommunisten, die vor 1920 geboren sind, in die neue Zeit mitnehmen."
Der Beifall, der dem Generalsekretär entgegenschlägt, wenn die Massen am 1. Mai oder 7. Oktober an der Ehrentribüne vorbeiziehen, ist verordnet und keine wirkliche Begeisterung. Die Wirtschaftspolitik bringt nicht die gewünschten Erfolge, oppositionelle Stimmen werden rigoros unterdrückt, die Unzufriedenheit in der Bevölkerung wächst.
Der SED-Chef verkennt die Zeichen der Zeit
Zugleich sucht Erich Honecker die Anerkennung auf internationaler Ebene. Höhepunkt ist der Staatsbesuch 1987 in Bonn, wo Honecker einmal mehr jeder Wiedervereinigung einer Absage erteilt:
"Ausgangspunkt können nur die Realitäten sein, die Existenz von zwei voneinander unabhängigen, souveränen deutschen Staaten mit unterschiedlicher sozialer Ordnung und Bündniszugehörigkeit."
Doch der SED-Chef verkennt die Zeichen der Zeit. Während die Sowjetunion unter Michail Gorbatschow längst einen Reformprozess eingeleitet hat und DDR-Bürgerinnen und -Bürger in Massen das Land verlassen, wiederholt Honecker zum 40. Jahrestag der Staatsgründung am 7. Oktober 1989 altbekannte Phrasen:
"Unsere Freunde in aller Welt seien versichert, dass der Sozialismus auf deutschem Boden auf unerschütterlichen Grundlagen steht."
Honecker wird gegangen, Egon Krenz kommt
Zehn Tage später tritt der Generalsekretär des ZK der SED zurück - nicht freiwillig. So wie er 18 Jahre zuvor Walter Ulbricht aus dem Amt gedrängt hatte, muss er jetzt seinem Nachfolger Egon Krenz weichen. Honecker bemüht sich, es als Rücktritt aus gesundheitlichen Gründen zu verkaufen:
"Infolge meiner Erkrankung und nach überstandener Operation erlaubt mir mein Gesundheitszustand nicht mehr den Einsatz an Kraft und Energie, den die Geschicke der Partei und des Volkes heute und künftg verlangen."
Wie es die Parteidisziplin von einem treuen Kommunisten erwartet, stimmt Erich Honecker am Ende seiner eigenen Ablösung zu.