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Vor 70 Jahren
Die Wahl zum ersten Deutschen Bundestag

Vier Jahre nach Kriegsende, am 14. August 1949, fand die erste Bundestagswahl statt. Es war die erste freie und demokratische Wahl nach der Reichstagswahl von 1932. Gemäß dem wenige Monate zuvor verkündeten Grundgesetz konnten nur die Bürgerinnen und Bürger in den drei Westzonen ihre Stimme abgeben.

Von Otto Langels | 14.08.2019
    Zwei Wahlhelfer leeren am 14. August 1949 in einem Frankfurter Wahllokal eine Wahlurne zur Stimmauszählung. An diesem Tag fanden in der Bundesrepublik die Wahlen zum ersten Deutschen Bundestag statt.
    Auszählung der Stimmen am 14. August 1949 für die Wahlen zum ersten Deutschen Bundestag (picture-alliance / dpa)
    "32 Millionen Wahlberechtigte sind aufgerufen, durch ihre Stimmabgabe mit Hand anzulegen an der Errichtung des so sehnlich erwarteten neuen deutschen Staatswesens."
    Heinrich Zinnkann, Innenminister des Landes Hessen, hoffte auf eine hohe Beteiligung bei der Wahl zum ersten Deutschen Bundestag am 14. August 1949, der ersten demokratischen Wahl seit der Weimarer Republik.
    Ein Vierteljahr zuvor hatte der Parlamentarische Rat das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland verkündet und bestimmt, die Abgeordneten in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen. Nach den zwölf Jahren des Nationalsozialismus war dies keine Selbstverständlichkeit.
    Spitzenkandidaten Adenauer und Schumacher
    Den Politikern blieb nur wenig Zeit, ihre Programme und Parolen zu verbreiten, allen voran CDU und SPD, die als aussichtsreichste Parteien mit Konrad Adenauer und Kurt Schumacher an der Spitze in den Wahlkampf zogen.
    "Das Grundprinzip unserer christlich-demokratischen Union ist, das Schicksal des Einzelnen und sein Wohlergehen in den Mittelpunkt des gesamten politischen Handelns zu stellen."
    "Die Demokratie verlangt den Sozialismus, und der Sozialismus verlangt die Demokratie."
    Einer der härtesten Wahlkämpfe in der BRD-Geschichte
    Die SPD unter Kurt Schumacher, der fast zehn Jahre in nationalsozialistischen Konzentrationslagern verbracht hatte, schlug nicht nur sozialistische Töne an und forderte die Verstaatlichung von Schlüsselindustrien, die Partei gab sich auch betont nationalistisch und bekannte sich entschieden zur Einheit Deutschlands.
    Das Bild zeigt das Grundgesetz im großen Sitzungssaal des Bundesverfassungsgerichtes.
    Vor 70 Jahren
    Die Verkündung des Grundgesetzes
    Das Grundgesetz ist die geltende Verfassung in Deutschland und damit die rechtliche und politische Grundordnung der Bundesrepublik. Beschlossen wurde es am 23. Mai 1949 vom Parlamentarischen Rat in Bonn, einen Tag später trat es in Kraft.
    Die CDU setzte dagegen auf das Konzept der sozialen Marktwirtschaft, wie es der populäre, damals noch parteilose Ludwig Erhard vertrat. Darüber hinaus sah Konrad Adenauer die Zukunft der jungen Bundesrepublik in einer Gemeinschaft mit den westlichen Siegermächten.
    Die Wahlkampfslogans spiegelten die kontroversen Positionen: "Freiheit - Gerechtigkeit – Frieden - CDU". "1947 - Hunger! Not! Elend! 1949 - Vorwärts! Aufwärts! Der Erfolg der CDU!" – "SPD - Das ganze Deutschland soll es sein". "Alle Millionäre wählen CDU-FDP. Alle übrigen Millionen Deutsche die SPD".
    Der Wahlkampf von 1949 gilt als einer der härtesten in der Geschichte der Bundesrepublik, Historiker sprechen von einer "Orgie der Schmähungen".
    "Adenauer - Lügenauer"; "Sammelbecken bankrotter Nationalisten"; "pathologischer Schwachsinniger"; "Rattenfänger" - so lauteten einige der Verbalinjurien, mit denen sich die politischen Gegner überzogen.
    Weiterer Schritt zur Spaltung Deutschlands
    Neben CDU/CSU und SPD bewarben sich u.a. FDP, KPD, Deutsche Partei und Bayernpartei um Mandate. Das aktive Wahlrecht lag bei 21, das passive bei 25 Jahren. Im Gegensatz zu heute hatte der Wähler nur eine Stimme, auch konnte damals eine Partei ins Parlament einziehen, wenn sie ein Direktmandat errang oder die Fünfprozenthürde in einem Bundesland übersprang.
    Teilnehmer singen bei einer Feier zum 70. Jahrestag des Grundgesetzes auf Einladung der Gesellschaft für Freiheitsrechte unter dem Motto «Es lebe die Freiheit» vor dem Brandenburg Tor.
    Die Wahl war ein weiterer Schritt zur endgültigen Spaltung Deutschlands. Aufgerufen waren nur die Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik. Der hessische Innenminister Zinnkann, in dessen Landeshauptstadt Wiesbaden sich damals die Bundeswahlzentrale befand:
    "Leider sind jetzt noch zwölf Millionen Wähler der Ostzone und zwei Millionen Wähler der Stadt Berlin gehindert, sich zu Gesamtdeutschland zu bekennen."
    CDU und CSU wurden stärkste Kraft
    Der Wahlsonntag verlief ohne größere Zwischenfälle, 78,5 Prozent der Wahlberechtigten gaben ihre Stimme ab, nur vereinzelt kam es zu Störungen, wie Reporter berichteten.
    "In den Wahllokalen lief der gesamte Betrieb sehr ruhig ab." "Nur in Darmstadt hissten Kommunisten vor einem Wahllokal eine sowjetische Fahne, die von der Polizei beseitigt wurde."
    Die Wahl endete mit einer Überraschung. Statt der favorisierten Sozialdemokraten wurden CDU und CSU mit 31 Prozent stärkste Kraft, die traditionsreiche SPD landete bei nur 29,2 Prozent, die FDP errang 11,9, die KPD 5,7 Prozent. Insgesamt zogen elf Parteien und Wählervereinigungen in den Bundestag ein.
    CDU/CSU und FDP bildeten eine gemeinsame Regierung. Am 15. September wurde Konrad Adenauer zum ersten Bundeskanzler gewählt, mit einer - seiner eigenen - Stimme Mehrheit.