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Vor 70 Jahren
Start von D-Mark und sozialer Marktwirtschaft

Volle Regale, steigende Löhne: Nachdem vor 70 Jahren die D-Mark eingeführt wurde, folgten für die deutsche Wirtschaft gute Jahre. Politisch möglich machte die Währungsreform Ludwig Erhard, der auch als Vater der sozialen Marktwirtschaft gilt.

Von Martin Mair | 21.06.2018
    D-Mark-Geldscheine und -Münzen
    Ludwig Erhard setzte die Währungsreform gegen den Willen der Alliierten durch (picture alliance / dpa / Bernd Wüstneck)
    Renate ist das Gesicht des Wirtschaftswunders - im Werbefernsehen der 50er verwöhnt die patente Hausfrau ihren Mann.
    "Sie wissen ja, eine Frau hat zwei Lebensfragen: Was soll ich anziehen und was soll ich kochen?"
    Das Ziel war Wohlstand für alle
    Es ist die Zeit boomender Wirtschaft und steigender Löhne, die mit der Einführung der D-Mark vor 70 Jahren begann. Bohnenkaffee, Butter, Schokolade - über Nacht waren die zuvor leeren Regale der Geschäfte gefüllt. Die Händler hatten die Waren gehortet, weil sie der Reichsmark nicht mehr trauten. Plötzlich gab es wieder alles zu kaufen. Politisch möglich gemacht hat das Wirtschaftswunder Ludwig Erhard, der die Währungsreform gegen den Willen der Alliierten durchsetzte. Wohlstand für alle das Motto.
    "Ich beabsichtige mit den gleichen Mitteln der Wirtschaftspolitik weiterhin die soziale Ausrichtung unserer Marktwirtschaft unter Beweis zu stellen"
    All das sollte die soziale Marktwirtschaft bringen. Als deutsches Modell wurde sie weltberühmt, verknüpft Wirtschaft mit Sozialpolitik. Der Zigarrenraucher Erhard gilt als ihr Vater, als ihr Gesicht. Der tatsächliche Kopf aber war sein langjähriger Weggefährte Alfred Müller-Armack. Wirtschaftswissenschaftler und Philosoph an der Universität Köln.
    Stahlkrise stellt soziale Marktwirtschaft auf die Probe
    "Er hat sich gegen eine Verwirtschaftlichung des Lebens gewehrt - sondern eher umgekehrt die soziale Marktwirtschaft als Ordnung innerhalb eines größeren Kulturgebildes", erinnert sich der langjährige CDU-Arbeitsminister Norbert Blüm, der den wahren Vater der sozialen Marktwirtschaft noch persönlich gekannt hat. Das Modell gilt als beispielloser Erfolgsgarant für Wohlstand und Wachstum - bis Mitte der 60er Jahre die erste Rezession die Bundesrepublik erfasste.
    Die Stahlkrise lässt die Arbeitslosigkeit nach oben schnellen, das Vertrauen der Deutschen in den Aufschwung schwindet. Taugt die soziale Marktwirtschaft also etwa nur für sorglose gute Jahre? Nein, sagt Frank Schulz-Nieswandt von der Universität Köln. Er lehrt heute an derselben Fakultät wie der Erfinder der sozialen Marktwirtschaft.
    "Trotzdem bin ich im Detail natürlich vielfach Kritiker, wir können oft mit dem Geld intelligenter umgehen als wir es tun. Ich gehör' aber nicht zu diesen dramatischen Autoren, die bis hin Sozialstaat als Tatort, Missbrauchsdebatten, das so übertrieben darstellen, aber wir haben in vielen Bereichen natürlich Modernisierungsbedarf."
    Ein Modell für Länder wie China und Indien?
    Denn die Rahmenbedingungen der globalisierten Wirtschaft haben sich vollkommen verändert - dennoch bleibt der Begriff "soziale Marktwirtschaft" einer, den jeder Wirtschaftsminister in den Mund nimmt. Auch der amtierende Peter Altmaier.
    "Unser Interesse ist es, dass die soziale Marktwirtschaft auch jenseits der Grenzen der Europäischen Union in Osteuropa Fuß fasst, das sie auch in Ländern wie beispielsweise China oder Indien oder Bangladesch eine Chance erhält."
    Ein Satz, der ganz im Geist des Erfinders der sozialen Marktwirtschaft Alfred Müller-Armack steht. Ihn störte schon in den fünfziger Jahren die satte Zufriedenheit der Deutschen. Die heutige gesellschaftliche Lage in der Welt, so schrieb er, ist gekennzeichnet durch eine soziale Auflösung. Ein Gefühl, dass die soziale Marktwirtschaft eigentlich verhindern soll.