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Vor 75 Jahren gestorben
Die Bauhaus-Designerin Alma Siedhoff-Buscher 

Sie war handwerklich begabt und voller Talent: Alma Siedhoff-Buscher begann in den 1920er-Jahren ihre Ausbildung im Staatlichen Bauhaus in Weimar. Sie wurde zur Gestalterin zweckmäßiger Möbel und reformpädagogischen Spielzeugs. Heute vor 75 Jahren starb sie bei einem Bombenangriff.

Von Jochen Stöckmann | 25.09.2019
    Vor der Wiedereröffnung ist das Haus Am Horn zu sehen. Es zählt zum Unesco-Kulturerbe und ist die einzige in der Gründungsstadt der berühmten Designschule realisierte Bauhaus-Architektur. Mit dem Musterhaus "Am Horn" in Weimar demonstrierten die Bauhäusler, wie sie sich 1923 modernes Wohnen vorstellten.
    Das Kinderzimmer im Bauhaus-Musterhaus "Haus am Horn" stammt von Alma Siedhoff-Buscher (picture alliance / Martin Schutt)
    Für eine Frau der Jahrhundertwende, 1899 geboren, war Alma Buscher außergewöhnlich gut ausgebildet: Nach dem Abitur hatte der Vater, ein Bahnbeamter, den Besuch der privaten Reimann-Kunstschule und der Ausbildungsanstalt des Kunstgewerbemuseums in Berlin finanziert. Seine Tochter konnte sich also mit solidem Vorwissen, außerdem handwerklich begabt, 1922 in Weimar am Staatlichen Bauhaus bewerben. Nach dem Vorkurs und erstem Unterricht bei Paul Klee und Wassily Kandinsky hieß es:
    "Frau Buscher ist talentvoll und intelligent. In Folge wenig guter Arbeitsmanier rang sie bisher noch stark mit der Freimachung natürlicher Kräfte."
    Möbel werden zu einem Verkaufsschlager
    "Arbeitsmanier", das war die Forderung von Walter Gropius. Der Bauhausdirektor pochte nach einer kurzen Phase des freien Experimentierens auf Produktivität, auf effiziente Kooperation mit der Industrie. Für ihn bedeutete "Freimachung natürlicher Kräfte", dass weibliche Studenten in die Weberei-Werkstatt gehen sollten. Gegen diese althergebrachte Rollenzuweisung setzte Alma Buscher sich zur Wehr:
    "Sehr verehrter Professor Gropius, ich habe als Kind jedes Stricken, Sticken usw. direkt gehasst, aber ich wollte es versuchen, weil ich glaubte, jedes Material wird sich dem ernsthaften Wollen und Willen unterordnen. Jetzt weiß ich, es ordnet sich unter, aber nur bedingt. Ich bitte darum um meine Entlassung aus der Weberei."
    Damit macht sich die 24-Jährige den Weg frei in eine Männerdomäne, die Holzwerkstatt. Unter der Leitung von Georg Muche wird dort an einer mustergültigen Bauhaus-Architektur gearbeitet, dem heute als Weltkulturerbe geschützten Haus am Horn. Das komplette Kinderzimmer stammt von Alma Buscher. Ihre aus einfachen Grundformen entwickelten, deshalb kostengünstig produzierten Möbel werden zu einem der raren Verkaufsschlager im Bauhaus-Repertoire: Die Wickelkommode kann als Schreibtisch genutzt werden. Ein Spielschrank ist Puppentheater und Bücherregal zugleich. Der Leiterstuhl dient als Sitzbank oder Stauraum, verwandelt sich in der Fantasie der Kinder aber auch in ein Feuerwehrauto oder einen Pferdewagen:
    "Der praktische Zweck hindere nicht die Spielmöglichkeiten. Lichte, bunte Farben steigern fröhliche, helle Stimmung."
    Über ästhetische Konventionen hinweggesetzt
    Spielerisch verbindet Alma Buscher die bildnerische Kraft ihres Bauhauslehrers Paul Klee mit reformpädagogischen Ansätzen. 1926 heiratet sie den Schauspieler und Tänzer Werner Siedhoff, einen Mitarbeiter Oskar Schlemmers an der Bauhausbühne.
    Die junge Familie mit Sohn und Tochter nimmt rege Anteil am Bauhaus-Leben mit Ausflügen und Festen. In dieser freien Atmosphäre entwickelt Alma Buscher außergewöhnliches Spielzeug: Ihre langgliedrigen Wurfpuppen aus Bast und Garn, die als Zufallsfiguren zu Boden fallen, werden zum Patent angemeldet. Das "Schiffbauspiel", eine Art Puzzle aus verschiedenfarbigen Holzelementen, avanciert zum Klassiker. In beiden Fällen führt die Designerin ihren Erfolg darauf zurück, dass sie sich über die engen Schranken der Stile und ästhetischen Konventionen hinweggesetzt hat:
    "Es will nichts sein – kein Kubismus, kein Expressionismus, nur ein lustiges Farbenspiel aus glatten und eckigen Formen nach dem Prinzip der alten Baukästen."
    Von Gropius an den Rand gedrängt
    Mit dieser Handschrift beschert Alma Buscher dem Bauhaus gewinnbringende Produkte. Aber alle Gesuche um ein eigenes Atelier werden abgelehnt – weil ihre Arbeit für den Direktor nur unter "ferner liefen" rangiert:
    "liebe frau siedhoff-buscher,
    … wie schon seit jahren ist es das verhängnis ihrer tätigkeit, dass sie aus der ganzen inneren struktur heraus nur an der peripherie steht. … ich habe mich aber überzeugen können, dass dennoch sehr viel verständnis gerade für ihre person unter den meistern und studierenden vorhanden ist. (sic!)
    ihr Gropius"
    Damit sieht sich Alma Buscher von Gropius buchstäblich an den Rand – wenn nicht gar hinausgedrängt. Die Bauhäuslerin verlässt Dessau, folgt ihrem Mann auf dessen Theatertourneen, führt Kunst und Design mit Gelegenheitsarbeiten fort.
    Nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wird sie dienstverpflichtet und muss in einer Fabrik bei Frankfurt Drillich-Anzüge für die Wehrmacht nähen. Dort kommt Alma Siedhoff-Buscher am 25. September 1944 bei einem Bombenangriff ums Leben.