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Vor 75 Jahren
US-Truppen erobern die Rheinbrücke von Remagen

Die Eroberung der Rheinbrücke von Remagen durch US-Truppen gilt als psychologischer Scheitelpunkt: Von da an wussten alle, dass Nazi-Deutschland den Krieg unwiderruflich verloren hatte. Als Reaktion verschärfte die Führung von Partei und Wehrmacht den Terror gegen die eigene Bevölkerung.

Von Bert Oliver Manig | 07.03.2020
    Die erfolgreiche Eroberung der Rheinbrücke von Remagen war von der US-Armee nicht geplant, aber von psychologischer Bedeutung.
    Die erfolgreiche Eroberung der Rheinbrücke von Remagen war von der US-Armee nicht geplant, aber von psychologischer Bedeutung (dpa / picture-alliance / DB dpa)
    Als amerikanische und britische Truppen im März 1945 das Rheinland eroberten, erwartete kaum jemand, dass der alliierte Vormarsch in diesem hohen Tempo weitergehen würde. Vielmehr waren die Alliierten darauf gefasst, am Rhein auf verbissenen Widerstand der Wehrmacht zu treffen. Und in Berlin entwarf man bereits Flugblätter für die nächste Durchhaltekampagne unter der Überschrift: "Haltet die Wacht am Rhein!"
    Propagandaminister Goebbels notierte am 7. März in sein Tagebuch: "Vor dem Rhein hat man eine ausgesprochene Angst. Die Engländer und Amerikaner sind sich natürlich im Klaren darüber, dass sie eine Invasion wie im vergangenen Sommer nicht durchführen können."
    Doch der Rhein war keineswegs eine "starke Verteidigungsbarriere", wie Adolf Hitler seinem Propagandaminister noch zwei Tage zuvor weisgemacht hatte. Hitler und seine Generäle wussten das längst. Trotzdem ließen sie überall die Rheinbrücken sprengen, um das Kriegsende um ein paar Wochen hinauszuzögern.
    Ein nicht geplanter Erfolg
    Um so überraschter waren die Soldaten einer Vorhut der 9. US-Panzerdivision, als sie am Mittag des 7. März in Remagen die Ludendorff-Brücke intakt vorfanden. Ohne zu zögern nahmen die Amerikaner die gegenüberliegende Rheinseite unter Beschuss, um die vorbereitete Sprengung der Brücke durch deutsche Pioniere zu behindern.
    Mit Erfolg: Die Hauptsprengladung konnte wegen eines Kabelschadens nun nicht mehr gezündet werden und die ersatzweise gezündete Reservesprengung beschädigte die Brücke zwar, zerstörte sie aber nicht. Zwölf US-Soldaten reichten aus, um die Brücke im Handstreich zu nehmen und die überrumpelten Verteidiger auf der Gegenseite gefangen zu nehmen. Verluste hatten die Amerikaner nicht zu beklagen.
    Als die Nachricht von der Einnahme der Ludendorff-Brücke im alliierten Hauptquartier in Reims einging, brach dort Euphorie aus. Der Oberkommandierende der alliierten Invasionstruppen, General Dwight D. Eisenhower, erinnerte sich:
    "Das war einer der Augenblicke des Krieges, in denen ich wirklich von Herzen froh war. Im Kriege lassen sich Erfolge größeren Maßstabes gewöhnlich schon tage- oder wochenlang vorhersagen. Dieses Ereignis kam aber völlig unerwartet. Wir waren über den Rhein, wir hatten eine Brücke, der traditionelle Verteidigungsriegel des deutschen Mutterlandes war durchbrochen. Einstimmig sagten alle Anwesenden glückstrahlend ein baldiges Kriegsende voraus".
    Vergebliche Vergeltungsakte
    Eisenhower befahl, so rasch wie möglich alle verfügbaren Truppen über die lädierte, aber noch befahrbare Brücke zu bringen. Schon am nächsten Tag waren mehr als 8.000 G.I.s auf der anderen Rheinseite. Rasch wurde zusätzlich eine Pontonbrücke installiert, so dass Panzer und Geschütze in großer Zahl über den Fluss gebracht werden konnten. Die Wehrmacht ließ nichts unversucht, um die Bildung eines amerikanischen Brückenkopfes auf der rechten Rheinseite zu verhindern: Sogar elf der sonst nach England abgefeuerten Vergeltungsraketen V2 wurden auf Remagen gerichtet, verfehlten aber ihr Ziel.
    Die neben der Rheinbrücke in Remagen 1945 errichtete Pontonbrücke der US-Truppen.  Im Vordergrund sind zwei amerikanische Soldaten zu sehen.
    Neben die Brücke in Remagen errichteten die US-Truppen kurz nach ihrer Eroberung im März 1945 zusätzliche eine Pontonbrücken über den Rhein (imago images / glasshouseimages / JT Vintage)
    Zu keinem Zeitpunkt bestand für die Amerikaner die Gefahr, über den Rhein zurückgedrängt zu werden. Als die Ludendorff-Brücke zehn Tage nach der Eroberung doch noch einstürzte und 28 US-Soldaten mit in den Tod riss, hatte sich die US-Armee längst auf der rechten Rheinseite festgesetzt. Von dort aus stieß sie aufs Ruhrgebiet vor. Weitere Rheinübergänge der Alliierten mithilfe von Schlauchbooten und Pontonbrücken erfolgten fast ungestört - "geradezu friedensmäßig", wie ein deutscher General feststellte.
    Terror gegen eigene Bevölkerung
    Der Rheinübergang am 7. März 1945, der später als das "Wunder von Remagen" Stoff für ein Kinodrama bot, hatte erhebliche psychologische Wirkung. Die US-Armee ging nun voller Optimismus in die letzten Kämpfe. Und die deutschen Soldaten wussten nun ebenso wie die Zivilbevölkerung, dass der Krieg verloren war.
    Umso brutaler reagierte das Regime. Am 9. März ordnete Hitler die Einrichtung eines "Fliegenden Standgerichts" an. Die ersten Opfer dieser Terrorjustiz waren vier Offiziere, denen man die missglückte Sprengung der Remagener Brücke zur Last legte. Sie wurden unmittelbar nach dem Urteilsspruch hingerichtet.
    Propagandaminister Goebbels notierte in seinem Tagebuch: "Das ist wenigstens ein Lichtzeichen. Nur mit solchen Maßnahmen können wir das Reich noch retten. Ich bitte den Führer eindringlich, in diesem Stile mit seinen Maßnahmen fortzufahren."
    Der Terror wirkte. Zahllose Brücken, selbst in Dörfern, wurden entsprechend Hitlers Willen noch in den letzten Kriegswochen von den zurückweichenden deutschen Soldaten gesprengt, bevor am 8. Mai 1945 der Krieg zu Ende war.