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Vor 90 Jahren
Die Aktion „Berlin im Licht“ beginnt

Lichtinstallationen bietet das "Festival of Lights" in Berlin jährlich im Oktober. Die Idee dafür entstand bereits vor 90 Jahren, als elektrisches Licht als Inbegriff für Fortschritt und städtisches Leben galt. Mit der Aktionswoche wollte man auch damals Touristen in die Reichshauptstadt locken.

Von Regina Kusch | 13.10.2018
    Das Festival of Lights verzaubert Berlin: Tausende Besucher bei Eröffnung 2018
    Das Festival of Lights verzaubert Berlin: Tausende Besucher bei der Eröffnung 2018 (imago / A. Friedrichs)
    Kurt Weill – Berlin im Licht:
    "Komm mach mal Licht, damit man sehen kann, ob was da ist.
    Komm mach mal Licht, und rede nun mal nicht.
    Komm mach mal Licht, dann wollen wir doch auch mal sehen,
    ob das ’ne Sache ist, Berlin im Licht."
    Das Festival "Berlin im Licht" war eine Kampagne der Elektroindustrie, die vom 13.-16. Oktober 1928 stattfand und die Reichshauptstadt als zukunftsorientierte Metropole inszenieren sollte. Kurt Weill hatte im Auftrag der Berliner Stadtwerke diesen Foxtrott komponiert und Bert Brecht den Text dazu geschrieben.
    Kurt Weill – Berlin im Licht:
    "Ja wat denn? Ja wat denn?
    Wat ist dat für ne Stadt denn?"
    Berlin wurde mit der Elektroindustrie groß
    "Die Intensität einer Weltstadt kann gemessen werden an der Intensität ihres nächtlichen Lichtbildes. Wo nachts keine Lichter brennen, ist finstere Provinz."
    So postulierte der fortschrittliche Architekt und Stadtplaner Hugo Häring den Einsatz von künstlicher Beleuchtung in der deutschen Hauptstadt. In Berlin hatte man bereits um die Jahrhundertwende begonnen, die Nacht zum Tag zu machen. Der Historiker Daniel Morat von der Freien Universität:
    "Licht ist vor allen Dingen für Berlin eine wichtige Angelegenheit, weil Berlin mit der Elektroindustrie groß geworden ist. AEG, Siemens und Osram waren die großen Industrieunternehmen, die am Ende des 19. Jahrhunderts, zur Wende zum 20. Jahrhundert, die Industrialisierung von Berlin geprägt haben, und die auch zu dem rasanten Wachstum von Berlin beigetragen haben."
    Sündenbabel im Lichterglitzer
    Ende der 20er Jahre hatte sich die Stromwirtschaft in Berlin etabliert. Durch die Einführung von Nachtarbeit in hell erleuchteten Werkshallen erhöhten viele Unternehmen ihre Gewinne. Elektrisches Licht eröffnete außerdem neue gestalterische Möglichkeiten: Zahlreiche Fassaden und Denkmäler wurden angestrahlt, bunte Leuchtreklamen prägten das nächtliche Stadtbild.
    "Das hat natürlich das städtische Leben verändert. Das ganze Image von Berlin als Party-Stadt - würde man heute sagen, Sündenbabel hat man damals gesagt - hat natürlich auch sehr viel mit dieser künstlichen Beleuchtung zu tun. Die ganze Unterhaltungsindustrie - Theater, Kinos, Lichtspielhäuser - haben natürlich alle mit dieser Technologie funktioniert."
    Der damalige Berliner Oberbürgermeister Gustav Böß versprach sich von der Aktion "Berlin im Licht" vor allem Werbung für die Stadt. Mit dem Slogan "Licht lockt Leute" wollte er den Tourismus ankurbeln.
    "Die junge Lichttechnik will allen zeigen, wie weit sie fortgeschritten, wie sie der Kunst, der Werbung und den Bedürfnissen des Lebens gerecht geworden ist. Im Wettkampf der Ideen sollen sich die Produzenten messen und kulturelle Werte schaffen, die bleiben, wenn das Fest verrauscht."
    1928: Die Hälfte der Haushalte hat Strom
    Auch die Stromwirtschaft erhoffte sich von der Kampagne erhebliche Profite.
    "1928 war es so, dass die Durchdringung der Privathaushalte mit elektrischem Strom noch nicht so weit fortgeschritten war. 1928 war es ungefähr die Hälfte der privaten Haushalte, die Strom hatten. Das heißt die Industrie hatte immer noch ein Interesse daran, in der Bevölkerung zu werben für künstliches Licht, elektrischen Strom."
    Das Konzept ging auf, die Aktion der Berliner Elektroindustrie wurde zum vielbesuchten Volksfest. 154 Wirtschaftsunternehmen illuminierten Schaufenster, Kirchen und Plätze, errichteten Lichtsäulen und spannten einen Lichterteppich quer über die Leipziger Straße. Sie ließen hell erleuchtete Luftballons steigen und organisierten nächtliche Rundflüge über die City.
    Kurt Weill – Berlin im Licht:
    "Und zum Spazierengehen genügt das Sonnenlicht,
    doch um die Stadt Berlin zu sehn genügt die Sonne nicht.
    Das ist kein lauschiges Plätzchen, das ist 'ne ziemliche Stadt,
    damit man da alles gut sehen kann, da braucht man schon einige Watt."
    Heute strahlt die Spreemetropole so hell, dass man sie vom Weltall aus als Lichtpunkt erkennen kann. Umweltbewusste Stadtentwickler fordern deshalb wieder weniger Beleuchtung, um Lichtverschmutzung zu reduzieren. Naturschützer warnen, dass zu viel künstliches Licht den biologischen Rhythmus von Menschen, Vögeln und Bäumen störe. In den Großstädten gibt es keine stockdunklen Nächte mehr, und einen sternenübersäten Himmel kann man nur noch auf dem Land bewundern.
    Kurt Weill – Berlin im Licht:
    "Komm mach mal Licht, dann wollen wir doch auch mal sehen,
    ob das 'ne Sache ist, Berlin im Licht."