Freitag, 19. April 2024

Archiv

Vor 90 Jahren
Elly Beinhorns erster Alleinflug nach Afrika

23 Jahre alt war die Hannoveranerin Elly Beinhorn, als sie am 4. Januar 1931 mit einem Sperrholz-Kleinflugzeug - ohne Funk, Radar oder Nachtsichtgerät - zu einem Alleinflug nach Afrika aufbrach. Als Weltstar kehrte sie zurück. Später nutzte das NS-Regime die Popularität Deutschlands berühmtester Pilotin.

Von Ulrike Rückert | 04.01.2021
    Ein Schwarz-Weiß-Foto sus den 1930er-Jahren zeigtdie Fliegerin Elly Beinhorn in die Kamera lachend und winkend im Cockpit eines Kleinflugzeugs
    Die Fliegerin Elly Beinhorn in den 1930er-Jahren (picture-alliance / dpa)
    Luftaufnahmen für eine Forschungsexpedition in Afrika – ein Traumjob für eine junge Pilotin mit Lust auf Abenteuer. Siebentausend Kilometer flog Elly Beinhorn 1931 dafür von Berlin ins heutige Guinea-Bissau, allein in einer Sperrholzkiste mit vierzig-PS-Motor. Los ging es am 4. Januar, über Frankreich, Spanien und Marokko. Von unterwegs schickte sie Telegramme, und die Berliner Presse machte Schlagzeilen daraus:
    "Elli am Rande der Sahara" - "Wo ist Elli?" - "Elli wiedergefunden" - "Elli Beinhorn im Sandsturm"
    Nur einige Landeplätze für Postflieger gab es entlang der Saharaküste und dazwischen hunderte Kilometer nichts als Sand. Anfang Februar erreichte Elly Beinhorn den Dschungel von Guinea, wo das Expeditionsteam eines Völkerkundlers auf sie wartete, um Fotos aus der Luft machen zu können. Auf ihrer Rückreise im März, auf einer Inlandsroute, musste sie mitten in der Wüste notlanden. Hirten retteten sie, unversehrt gelangte sie nach Timbuktu – zu Fuß.
    Als sie schließlich in Berlin eintraf, war Elly Beinhorn ein Star: "Der Herr Reichsverkehrsminister selbst begrüßt die tapfere, unerschrockene Pilotin, mit ihm hohe Beamte des Reiches, der Lufthansa, Tausende von Menschen. Großer Empfang, Ehren über Ehren!"

    Berufsfliegerei blieb Frauen verwehrt

    Dreiundzwanzig Jahre war sie alt. Fliegerinnen waren der Inbegriff der modernen Frau: unabhängig, technikbegeistert und furchtlos. Aber in der realen Welt standen sie vor hohen Hürden: Ein internationales Verbot schloss sie aus der kommerziellen Luftfahrt aus, und in Deutschland war ihre Konkurrenz besonders unerwünscht.
    "Die Bestimmungen des Versailler Vertrags schränkten die motorisierte Luftfahrt in Deutschland sehr stark ein. Und man hatte durch den Ersten Weltkrieg in Deutschland sehr viele sehr gut ausgebildete männliche Piloten", so die Kulturwissenschaftlerin Maria Hermes-Wladarsch. Elly Beinhorn war als Kunstfliegerin aufgetreten und hatte Reklameflüge gemacht. Der Expeditionsjob in Afrika sollte ihr die Tür öffnen zur Welt der berühmten Piloten, die Kontinente und Meere überflogen. Dafür brauchte man Sponsoren, und um die zu finden, musste man sich einen Namen machen, so Maria Hermes-Wladarsch.
    "Ich hatte mit Politik nicht das Leiseste zu tun"
    Hanna Reitsch wurde eine der ersten Berufspilotinnen – und gehörte zu den größten Propagandastars Hitlers. Bis ans Lebensende blieb sie seine uneinsichtige Anhängerin.
    "Die Langstreckenflüge in den 1920er-Jahren waren sehr beliebt: Einmal aus sportlichem Interesse, zum anderen wurden sie aber auch sehr gut gefördert von verschiedenen Firmen und waren letztlich Werbeflüge. Nun waren Frauen, wenn sie flogen, doch etwas Besonderes. Die Firmen sponserten gerne Frauen, weil sich damit letztlich mehr Presse machen ließ."

    Geschickte Selbstvermarktung

    Und wirklich konnte Elly Beinhorn bald zum nächsten großen Flug aufbrechen: Nach Indien, Australien und Südamerika - die Ozeane allerdings überquerte sie per Schiff. Ihre Abenteuer vermarktete sie mit Vorträgen, Presseartikeln und Büchern. Darin zeigt sie aber auch tiefe Verachtung für die Menschen in den Ländern, die sie bereiste - sofern sie nicht weiß waren. Elly Beinhorn machte sich zur Botschafterin der Heimat für im Ausland lebende Deutsche und zum Aushängeschild der Nation – erfolgreich, wie ein Diplomatenbericht zeigt: "Der Besuch Elly Beinhorns ist in der Tat für das Deutschtum Australiens und für unser Ansehen hier von nicht zu unterschätzender Bedeutung."

    Tour als Repräsentantin NS-Deutschlands

    Den Reklamewert von Deutschlands berühmtester Pilotin schätzten auch die Nationalsozialisten. Von 1933 an wurde die Sportfliegerei ganz dem heimlichen Aufbau einer Luftwaffe untergeordnet, Frauen hatten darin keinen Platz mehr, sagt Maria Hermes-Wladarsch: "Die Frauen, die sich bereits vor 1933 in der Luftfahrt etabliert hatten als Pilotinnen, konnten weiterhin fliegen. Sie wurden teils auch für Propagandazwecke gebraucht und machten dabei auch ganz aktiv mit, das darf man auch nicht vergessen."
    Die von Amelia Earhart mit gegründete Vereinigung von Pilotinnen "Ninety-Nines" 1929 in Los Angeles.
    Pilotinnen-Club - Die Fliegerinnen von "Ninety-Nines"
    Die "Ninety-Nines", ein Club von Pilotinnen aus aller Welt, wurde vor 90 Jahren in den USA gegründet. Die wenigen Fliegerinnen, die es damals gab, schlossen sich zusammen, um gemeinsam für ihre Forderungen zu kämpfen – die waren für die Zeit radikal.
    1933 machte Elly Beinhorn eine Tour durch die früheren deutschen Kolonien in Afrika als "Repräsentantin des neuen Deutschlands", im nächsten Jahr warb sie in den USA für Hitlers Olympische Spiele, gegen die sich eine starke Boykottbewegung formiert hatte. Sie hat sich später nie öffentlich mit dem NS-Regime auseinandergesetzt, in ihren Autobiographien kommt es einfach nicht vor. Elly Beinhorn starb 2007, hundert Jahre alt und immer noch berühmt. Mit ihrem ersten Afrikaflug hatte die Karriere begonnen, von der sie geträumt hatte.