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Vor dem Autogipfel
Klingbeil (SPD): Kaufprämie für Technologien der Vergangenheit problematisch

Vor dem Autogipfel der Bundesregierung hat SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil große Zweifel geäußert, ob eine Kaufprämie das richtige Instrument sei, um die geschwächte Branche zu stabilisieren. Die Verunsicherung in der Bevölkerung sei groß, es renne jetzt niemand los und kaufe Autos, sagte Klingbeil im Dlf.

Lars Klingbeil im Gespräch mit Philipp May |
SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil
SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil (dpa/picture alliance/Revierfoto)
Es stehe außer Frage, dass die Autoindustrie in Deutschland eine Schlüsselindustrie sei, an der viele tausende Arbeitsplätze hingen. Deshalb müsse auch die Politik ein großes Intersse daran haben, dass die Branche stark bleibe. Allerdings stehe sie auch vor großen Transformationenin Richtung Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Wenn wir der Autoindustrie geholfen werde, müssten auch diese Faktoren eine Rolle spielen, so der SPD-Generalsekretär. "Mit einer Kaufprämie, die Antriebssysteme der Vergangenheit fördert, habe ich große Probleme", sagte Klingbeil.
Er sei sich sicher, dass am heutigen Dienstag beim sogenannten Autogipfel der Bundesregierung mit Vertertern der Hersteller noch keine Entscheidung hinsichtlich einer Prämie fallen werde. Das Auftreten einiger Spitzenmanager im Vorfeld der Konferenz habe aber die Debatte nicht erleichtert, sagte der SPD-Politiker.
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Das komplette Interview mit Lars Klingbeil.
Philipp May: Ihr SPD-Ministerpräsident und VW-Aufsichtsrat Stephan Weil will die Kaufprämie für alle Neuwagen. Ihr SPD-Fraktionsgeschäftsführer Carsten Schneider spricht von dreisten Auftritten der Auto-Lobby. Wie positioniert sich der Generalsekretär, Team Weil oder Team Schneider?
Lars Klingbeil: Ich glaube, ganz so einfach ist es nicht. Man muss da, glaube ich, auch ein bisschen differenzieren. Niemand in der SPD stellt in Frage, dass die Automobilbranche wichtig ist, dass sie eine Schlüsselindustrie ist, dass wir an viele tausend Arbeitsplätze da auch denken, Familien, die da mit dranhängen, und dass wir natürlich in der schwierigen Situation, in der wir gerade sind, auch darüber nachdenken in der Politik, wie man einer solchen Branche unter die Arme greifen kann und wie man auch staatlich stützen kann. Die Debatte ist da, das ist auch gut, dass die geführt wird, aber es gibt schon Fragezeichen an den Instrumenten, die gerade vorgeschlagen werden, und ich sage Ihnen auch ganz klar, so manches Auftreten von Spitzenmanagern aus der Automobilindustrie hat die Diskussion nicht erleichtert in den letzten Tagen. Da gibt es, glaube ich, unterschiedliche Ebenen, auf denen man das Thema diskutieren muss. Dass man heute zusammenkommt, ist erst mal gut, dass man diskutiert. Ich bin mir aber recht sicher, heute wird es noch keine Entscheidung geben, und das ist auch richtig so.
In einem großen Transformationsprozess
May: Okay! – Aber ziehen wir jetzt einfach mal die B-Note bei der Autoindustrie ab und schauen rein auf die A-Note. Macht eine Kaufprämie auch für Verbrenner Sinn, ja oder nein?
Klingbeil: Ich glaube, dass da ein großes Fragezeichen dran muss, und das ist der Diskussionsbedarf, den ich habe. Wir erleben, dass die Automobilbranche gerade in einem großen Transformationsprozess ist, und der wird ja durch Corona nicht gestoppt. Im Gegenteil! Wir müssen alle ein großes Interesse daran haben, dass die Automobilindustrie stark bleibt in Deutschland. Sie hat aber Federn gelassen in den letzten Jahren und jetzt müssen wir gucken, wie wir eine Automobilbranche umstellen Richtung Nachhaltigkeit. Auch Digitalisierung spielt da eine große Rolle.
Wenn wir etwas machen in der Politik, in den nächsten Monaten, wenn wir uns entscheiden sollten, der Automobilbranche unter die Arme zu greifen, dann muss das auf jeden Fall eine Rolle spielen, und dann dürfen keine Technologien der Vergangenheit gefördert werden, sondern dann muss es Richtung Zukunft gehen.
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May: Das heißt, Sie schließen eine Kaufprämie für Verbrennungsmotoren im Prinzip aus?
Klingbeil: Herr May, wir fangen heute mit dem Dialog an und wir reden als Politik gerade mit ganz vielen Wirtschaftsbereichen. Das was wir nicht tun werden ist, dass wir einen Bereich rausziehen, dass wir für den jetzt spezielle Programme auf den Weg bringen. Wir müssen gucken – das hat Olaf Scholz angekündigt im Laufe des Mais, Anfang Juni, je nachdem auch wie der Gesundheitsverlauf der Corona-Krise ist, dass wir ein Konjunkturprogramm auf den Weg bringen und dass wir dann gucken, mit welchen einzelnen Maßnahmen wir auch die Branchen jeweils unterstützen können im Rahmen eines Gesamtkonzepts.
Ich schließe da heute gar nichts aus. Ich sage nur, mit einer Kaufprämie, die auch Antriebssysteme der Vergangenheit fördert, habe ich große Probleme. Ich glaube, das ist nicht zielgerichtet. Ich glaube generell, dass eine Kaufprämie in einer Zeit, wo die Menschen meiner Einschätzung nach eher verunsichert sein werden - - Ich glaube nicht, in dem Moment, wo wir jetzt weitere Lockerungen bekommen, wo wir auch sehen, es wird vielleicht wieder normaler in dieser Gesellschaft, dass die Menschen dann massenhaft losrennen und sich Autos kaufen. Ich glaube, die Verunsicherung ist groß, und deswegen stelle ich generell die Frage, ob eine Kaufprämie, ob das das richtige Instrument ist.
Diese Debatte wird jetzt geführt. Die muss dann irgendwann zu einem Ende kommen. Aber es geht jetzt nicht um schnelle Entscheidungen, sondern vor allem um kluge Entscheidungen, und der Prozess fängt jetzt erst an.
"Auftreten von VW-Chef Diess in letzten Wochen nicht hilfreich"
May: Was wäre denn die richtige Maßnahme zur Stützung der Autoindustrie von Ihrer Seite, wenn es eine Kaufprämie möglicherweise nicht ist?
Klingbeil: Erst mal haben wir jetzt Dinge auf den Weg gebracht, auf die ich als Sozialdemokrat auch sehr stolz bin, dass wir einen vernünftigen Sozialstaat haben, dass wir die Kurzarbeit ausgebaut haben, dass wir die Kurzarbeit gestärkt haben. Das sind ja schon mal Maßnahmen, wo wir Menschen auch gerade in Beschäftigung halten und wo wir stabilisieren. Der Dialog fängt ja heute erst an. Heute kommen die Konzernlenker mit Vertretern der Politik zusammen. Jetzt muss man in den Dialog gehen über die Frage, was sind eigentlich die geeigneten Instrumente, wie kann die Transformation gelingen, wie wird eigentlich das Kaufverhalten der Menschen sein, und da müssen jetzt Lösungen gefunden werden. Da will ich aber nicht vorweggreifen.
May: Was würden Sie denn, wenn Sie in den Dialog zum Beispiel mit dem VW-Chef treten, was würden Sie dem sagen?
Klingbeil: Ich würde ihm gerne vor allem sagen, dass sein Auftreten die letzten Wochen nicht hilfreich war. Noch mal: Niemand in meiner Partei – so kann ich das sagen – ist verschlossen zu sagen, wir unterstützen eine wichtige Schlüsselindustrie, wir wollen den tausenden Beschäftigten in der Automobilindustrie auch wirklich helfen, wir wollen Arbeitsplätze sichern. Aber dann muss man anders auftreten. Dann von Boni-Zahlungen zu reden, von Dividenden-Ausschüttung zu reden, davon zu reden, dass die Gewinne, die in der Automobilindustrie im letzten Jahr gemacht wurden, dass die nicht einbezogen werden sollen in all die Schritte, die jetzt gegangen werden, das ist schon dreist.
Ich sage Ihnen auch: Die Gewinne, die Automobilkonzerne gemacht haben im letzten Jahr, die können natürlich auch eingesetzt werden, um Kaufanreize zu setzen. Das muss ja nicht zwingend staatliches Geld sein. Da haben auch die Automobilkonzerne eine Verantwortung, und das macht es schwer, wenn man solche Redebeiträge, solche Wortbeiträge von Managern hört. Da fragt man sich schon häufig, ob da nicht ein bisschen auch das Gemeinwohl verloren gegangen ist und das gesellschaftliche Empfinden.
"Dividenden-Auszahlungen müssen dann ein No Go sein"
May: Das ist aus Sicht der SPD nicht denkbar, Staatshilfen auf der einen Seite und gleichzeitig Dividenden-Ausschüttung an die Aktionäre auf der anderen Seite?
Klingbeil: Nein, das ist für uns völlig klar. Wenn der Staat Geld gibt, dann definiert der Staat auch die Spielregeln. Dann wird auch mitgeredet, in welche Richtung es geht. Für KfW-Hilfen ist das ja heute schon so, dass dann ausgeschlossen ist, dass Dividenden ausgeschüttet werden, und das wird sicherlich auch bei einem Konjunkturpaket der Fall sein, wenn der Staat Geld gibt. Wenn er unterstützt, dann redet er mit, aber Dividenden-Auszahlungen müssen dann ein No Go sein.
May: Das sieht Ihr Koalitionspartner ja anders. Der Will, dass der Staat Geld gibt, aber sich raushält, weil der Staat ist der schlechtere Unternehmer, sagt die CDU.
Klingbeil: Ja, wir müssen da mit dem Koalitionspartner nicht einer Meinung sein. Wir diskutieren das ja auch bei Lufthansa beispielsweise. Aber für mich ist doch völlig klar: Wenn der Staat Geld gibt – und noch mal: das schließe ich überhaupt nicht aus, dass wir in dieser schwierigen Phase Unternehmen unterstützen, wo wir auch ein strategisches Interesse haben, dass es diesen Unternehmen gut geht, dass tausende Arbeitsplätze erhalten werden -, dann redet die Politik mit. Die Spielregeln definiert immer noch die Politik in diesem Land und nicht die Unternehmen.
May: Okay. – Herr Klingbeil, was ist mit der Steuervermeidung? Die gibt es ja auch bei großen Autokonzernen mit Hilfe von Briefkästen in sogenannten Steueroasen. Delaware in den USA ist immer ein schönes Beispiel. Wird ein Ende dieser Praxis möglicherweise auch eine Bedingung sein für Staatshilfen?
Klingbeil: Wir haben uns klar positioniert, auch als SPD jetzt gerade in den letzten Tagen, auch innerhalb der Bundestagsfraktion, dass solche Steuerpraktiken aufhören müssen und dass das Gewährleisten von Staatshilfen, von öffentlichen Geldern genau daran geknüpft ist, dass solche Steuervermeidungsstrategien beendet werden.
Orientierung und Planbarkeit bei Lockerungen
May: Okay! – Dann lassen wir mal die Autos bei Seite und schauen auf die Gesamt-Corona-Lage. Sie sind Niedersachse, Sie sind Bundespolitiker. Wie finden Sie jetzt das Vorpreschen Niedersachsens, auch wieder Herr Weil mit den Lockerungsankündigungen?
Klingbeil: Ich finde das bemerkenswert und gut, dass jetzt endlich mal ein Ministerpräsident einen Plan vorgelegt hat vor einem Zusammentreffen der Ministerpräsidentenkonferenzen. Wir haben das ja in den letzten Tagen immer wieder erlebt und das hat mich wahnsinnig frustriert, dass Verabredungen getroffen wurden, und noch in dem Moment, wo Frau Merkel vor der Kamera sitzt und verkündet, was man im Kreise auch der Bundesregierung und der 16 Ministerpräsidenten beschlossen hat, gibt es die ersten Ministerpräsidenten, die wieder aus der Reihe ausscheren, die irgendwie Sonderregelungen verkünden. Jetzt hat Stephan Weil in seiner Regierung Dinge erarbeitet, wie mal ein Gesamtkonzept aussehen kann, wann geht das mit den Kitas los, wann geht das mit der Gastronomie wieder los. Die Menschen brauchen ja Orientierung und Planbarkeit und auch eine Gewissheit, wie das laufen kann. Dieses Angebot liegt jetzt auf dem Tisch und ich hoffe, da wird Mittwoch drüber geredet.
May: Aber, Herr Klingbeil, das war ja mehr als ein Vorschlag, den Herr Weil vorgelegt hat.
Klingbeil: Es ist eine Diskussionsgrundlage und ich kann Ihnen nur sagen, ich habe erlebt, dass Herr Weil in den letzten Wochen sich an alle Absprachen gehalten hat, die im Kreise der Ministerpräsidenten getroffen wurden. Immer wieder sind andere ausgeschert. Jetzt marschiert mal einer voran und sagt, das ist ein Diskussionsangebot. Das muss ja nicht immer von der Kanzlerin kommen, sondern das kann ja auch von einem Ministerpräsidenten kommen, und ich bin gespannt, wie die Diskussion morgen läuft.
Was für mich das Entscheidende ist – und das merke ich auch in den Diskussionen, die ich in den letzten Tagen führe: Die Menschen brauchen eine Perspektive, wie es weitergeht. Wie geht es weiter in der Gastronomie? Wie geht es weiter in den Kitas? Was ist das, worauf die Familien sich einstellen können? Das ist das, ,was ich auch erwarte, dass das rauskommt am Mittwoch, eine klare Perspektive für viele Menschen in diesem Land.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.