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Vor dem Gipfel
Diesel-Streit und kein Ende

Wie lassen sich Fahrverbote für Diesel-Fahrzeuge in Großstädten vermeiden? Und wer trägt die politische Schuld an den jüngsten Skandalen in der Auto-Industrie? Vor dem morgigen Diesel-Gipfel wird darüber in Berlin gestritten. Es werden erste Rücktrittsforderungen an Verkehrsminister Dobrindt laut. Der wies Vorwürfe der Kumpanei zurück.

    Autos stehen auf der Autobahn 8 in Bayern im Stau.
    Autos auf der Autobahn 8 in Bayern (dpa / Matthias Balk)
    In der "Rheinischen Post" hatte der frühere Bundesumweltminister Trittin Dobrindt aufgefordert, sein Amt aufzugeben. Das Kraftfahrtbundesamt kontrolliere nicht die Autoindustrie, sondern kreiere industriefreundlich freiwillige Lösungen am Gesetz vorbei, kritisierte der Grünen-Politiker. Damit sei der CSU-Politiker zum obersten Vertuscher der Diesel-Affäre geworden. Trittin griff auch Bundeskanzlerin Merkel an und erklärte, das Autokartell sei keines der Industrie, sondern eine Folge der Kumpanei von Staat und Industrie.
    Dobrindt lehnt Reform des Kraftfahrtbundesamtes ab
    Dobrindt wies dem Vorwurf mangelnder Distanz zur Autoindustrie im ZDF zurück. Für Kumpanei stehe er nicht zur Verfügung, so der Verkehrsminister. Die Partnerschaft zwischen Unternehmen und der Politik sei allerdings die Grundlage der sozialen Marktwirtschaft. Forderungen nach einer Reform des Kraftfahrtbundesamts erteilte Dobrindt eine Absage. Nach Bekanntwerden des Diesel-Manipulationen seien die Kontrollen bereits angepasst worden, betonte er.
    Damit reagierte Dobrindt auf einen Vorschlag vom Umweltministerin Hendricks, SPD. Sie hatte in der "Nordwest-Zeitung" dafür plädiert, die Zuständigkeiten neu zu ordnen, um die Typgenehmigung und die Emissionskontrolle auf zwei Behörden zu verteilen.
    FDP-Chef Christian Lindner verlangte, Dobrindt müsse Vorwürfe aufklären, wonach es enge Absprachen zwischen dem Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) und Porsche gegeben habe. Aus E-Mails waren bereits Ende 2016 Abstimmungen über Formulierungen zur Abgasreinigung deutlich geworden. Bislang könne Dobrindt "nicht klar erklären, ob es sich hier um einen standardmäßigen Dialog zwischen Unternehmen und Aufsicht oder unzulässige Einflussnahme und eine Schönung von Ergebnissen gehandelt hat", bemängelte Lindner in der "Rheinischen Post".
    Streit um Verbraucherklagen
    Streit gibt es vor dem Gipfel auch um die Frage, ob Verbraucher künftig gemeinsam gegen Konzerne klagen können, wenn sie sich von diesen betrogen fühlen. Die rechts- und verbraucherpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion, Winkelmeier-Becker, kritisierte Verbraucherminister Maas von der SPD und erklärte, dessen Entwurf für sogenannte Musterfeststellungsklagen helfe nicht weiter. Maas' Konzept sehe vor, "dass Musterklagen in frühestens zwei Jahren ab Verabschiedung des Gesetzes möglich sein würden" sagte Winkelmeier-Becker der Deutschen Presse-Agentur. "Es ist also unredlich, so zu tun, als könne die Initiative die Lage von Verbrauchern im Zusammenhang mit den Abgasskandalen verbessern."
    Maas wiederum hatte der dpa gesagt, Musterklagen könnten "den Autokäufern in Deutschland bereits offenstehen, wenn CDU/CSU sie nicht in der laufenden Wahlperiode blockiert hätten".
    Bartsch beschuldigt Große Koalition der Kumpanei
    Linken-Spitzenkandidat Bartsch warf der gesamten Großen Koalition eine zu große Nähe zur Autoindustrie vor. Sie betreibe "Kumpanei mit den Konzernen zulasten der Verbraucher und des Mittelstands zum Schaden des Wirtschaftsstandorts Deutschland", sagte Bartsch der Deutschen Presse-Agentur. Den Diesel-Gipfel bezeichnete er als "Treffen des Kartells der Betrüger".
    Bei dem Treffen wollen die Bundesregierung, die betroffenen Bundesländer und die Autobauer unter anderem darüber beraten, wie die Abasreinigung von Diesel-Pkw verbessert werden kann. Ziel der Hersteller ist es bisher, vor allem mit Software-Updates in der Motorsteuerung geringere Emissionen zu erreichen. Es gibt jedoch auch Forderungen, die Hardware der Abgasreinigung nachzubessern, was wohl deutlich höhere Kosten verursachen würde.
    IG-Metall kritisiert fehlende Nachbesserungen
    Die Industrie-Gewerkschaft Metall warf der Autobranche vor, mit den nötigen Nachbesserungen bei Diesel-Fahrzeugen viel zu lange gezögert zu haben. Der baden-württembergische Bezirksleiter Zitzelsberger sagte im Deutschlandfunk, in der Belegschaft gebe es darüber Wut und Verärgerung, da die Nachrüstung von Software bereits vor über einem Jahr hätte passieren können. Grundsätzlich werde die Diesel-Technologie noch weiter benötigt, betonte Zitzelsberger. Ohne sie würde man die Emissionsziele reißen.
    Nordrhein-Westfalen fordert Zugeständnisse
    Die nordrhein-westfälische Landesregierung sieht jetzt vor allem die Autohersteller unter Zugzwang.
    Ministerpräsident Laschet - CDU - sagte in Düsseldorf, der morgige Branchengipfel müsse sich auf mehr einigen als eine Software-Umrüstung schadstoffreicher Diesel-Motoren. Denkbar sei etwa auch ein Fonds zur Luftreinhaltung, in den die Autoindustrie einzahle. Außerdem müssten die Hersteller deutlich machen, welche Umstellungen zu welchen Kosten führten, betonte Laschet.
    Bleibt das Kraftfahrbundesamt zuständig?
    Die Organisation Transparency International forderte, dass künftig nicht mehr das Kraftfahrtbundesamt, sondern das Umweltbundesamt für Zulassung und Abgaskontrollen zuständig sein müsse. Geschäftsführerin Müller sagte dem Deutschlandfunk, sämtliche umweltbezogenen Prüfungen sollten in die Zuständigkeit des Umweltbundesamtes übergehen. Entsprechendes müsse für die Zulassung neuer KFZ-Typen gelten. Für beides ist derzeit das Kraftfahrtbundesamt unter Verkehrsminister Dobrindt, CSU, zuständig. Nach Müllers Vorstellung könnte diese Behörde etwa die Zuständigkeit für Sicherheitsprüfungen behalten. Im Gegensatz zu Dobrindt plädiert auch Umweltministerin Hendricks von der SPD für eine Reform der Zuständigkeiten, allerdings innerhalb des Kraftfahrtbundesamts.
    (jasi,tep)