Freitag, 29. März 2024

Archiv

Vor dem Klimagipfel in Paris
Der Kampf gegen die Erderwärmung

Die Klimapolitik hat in letzter Zeit viel Dynamik erhalten. Selbst China investiert in den Klimaschutz und will den Verbrauch von Kohle prinzipiell reduzieren. Die EU hat hingegen die Rolle gewechselt: vom Treiber zum Getriebenen. Ob aber auf der Klimakonferenz in Paris eine verbindliche Begrenzung des Temperaturanstiegs herauskommt, bleibt fraglich.

Von Georg Ehring | 29.11.2015
    Wasserdampf steigt am 11.02.2015 aus den Kühltürmen eines Braunkohlekraftwerkes in Jänschwalde (Brandenburg).
    Wasserdampf aus Kohlekraftwerken: Kohle spielt eine zentrale Rolle beim Anstieg der Temperatur. (Patrick Pleul, dpa picture-alliance)
    Der Arbeitstag beginnt mit dem Gang durch die Sicherheitsschleuse: Uhren und Gürtel ablegen, Schlüssel, Portemonnaies und Mobiltelefone in die Schale und Taschen durchleuchten lassen. Die Eingangsprozedur bei UN-Konferenzen unterscheidet sich kaum von den Sicherheitskontrollen auf Flughäfen. Wenn an diesem Montag der Weltklimagipfel beginnt, müssen sich die Teilnehmer auf besonders akribische Kontrollen einstellen. Die Anschläge vor zwei Wochen in Paris haben vieles verändert: Plötzlich war selbst die Ankündigung von Christiana Figueres, der Chefin des UN-Klimasekretariats, keine Selbstverständlichkeit:
    Christiana Figueras: "Cop 21 continues as planned."
    Der Klimagipfel von Paris, im Diplomatenjargon COP 21, findet statt wie geplant. Um die Sicherheit zu gewährleisten, sollten alle Teilnehmer auf dem Konferenzgelände, dem Flughafen von Le Bourget, ihre Augen aufhalten.
    "Es wird alles stattfinden, soweit das möglich ist. Und wir alle sollten uns möglichst umsichtig verhalten. Letztlich ist jeder für seine eigene Sicherheit verantwortlich – überall, in jedem Land, in jeder Stadt und zu jedem Zeitpunkt."
    Ausfallen werden hingegen Veranstaltungen am Rande des Gipfels, vor allem zwei Großdemonstrationen in Paris selbst. Die Behörden sehen sich nicht in der Lage, für die Sicherheit der Teilnehmer zu garantieren. Erlaubt sind angemeldete Proteste dagegen auf dem Veranstaltungsgelände selbst – so etwas hat Tradition bei Klimakonferenzen.
    Maximal 1,5 Grad Temperaturanstieg: Dies forderten Aktivisten beispielsweise bei der letzten Gipfel-Vorbereitungskonferenz im World Conference Centre in Bonn. Sie unterstützen damit zum Beispiel manche Inselstaaten, die bei höheren Temperaturen absehbar im Pazifik verschwinden werden. Um diese Entwicklung zu stoppen, soll der Pariser Gipfel ein weltumspannendes Klimaschutz-Abkommen beschließen. Einer der strittigen Punkte: Welcher Temperaturanstieg wäre gerade noch erträglich?
    Ein Grad Anstieg seit Beginn der Industrialisierung
    Seit Beginn der Industrialisierung ist es um knapp ein Grad wärmer geworden auf der Erde und schon die bisher ausgestoßenen Treibhausgase werden für eine weitere Erwärmung um mehrere Zehntelgrad sorgen. Doch die Folgen sind heute schon sichtbar: Hitzewellen werden häufiger, Küstenregionen, zum Beispiel in Bangladesch, versalzen durch den steigenden Meeresspiegel, in Afrika leiden große Gebiete unter zunehmender Trockenheit, dramatische Wirbelstürme treffen Entwicklungsländer wie die Philippinen. Und, so Klimaforscher Anders Levermann:
    "Wir wissen auch, dass zum Beispiel die Korallenriffe bei anderthalb Grad starken Schaden nehmen schon. Wir wissen, das grönländische Eisschild hat wahrscheinlich den Kipppunkt irgendwo bei anderthalb Grad bis zwei Grad. Aber: Das Entscheidende ist, dass sich das Risiko verändert. Je mehr Erwärmung, desto mehr spielen wir mit dem Klima."
    Eine Beschränkung der Erderwärmung auf eineinhalb Grad kann der Gipfel zwar beschließen, die Umsetzung ist dagegen wohl Wunschdenken: Drastische Einschnitte in die Wirtschaftstätigkeit wären erforderlich, zu denen kaum ein Land bereit ist. Selbst eine Begrenzung auf höchstens zwei Grad ist nur noch schwer zu schaffen.
    Logo des Weltklimagipfels 2015 in Paris.
    Logo des Weltklimagipfels 2015 in Paris. (AFP / Jacques Demarthon)
    Dabei hat sich die Menschheit den Kampf gegen den Klimawandel schon seit Anfang der 1990er-Jahre auf die Fahnen geschrieben. Im Fokus stehen bisher vor allem die Industriestaaten, auf die der weitaus größte Anteil der Emissionen entfiel. Sie sollten sich zur Verringerung ihrer CO2-Emissionen verpflichten. Doch wer dabei welchen Anteil übernimmt, war von Anfang an umstritten.
    "Die Bundesregierung hat auf weltweite, verbindliche Zeitrahmen- und Mengenziele zur CO2-Verminderung gedrängt, so wie wir uns auf nationaler Ebene zur Reduzierung der CO2-Emissionen verpflichtet haben. Dies und das muss man klar aussprechen, war jedoch im Vorfeld von Rio noch nicht durchsetzbar. Andere Staaten waren dazu noch nicht bereit."
    Klagte der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl schon 1992 in einer Regierungserklärung zum Weltgipfel von Rio de Janeiro. Ergebnis des Gipfels war die UN-Klimarahmenkonvention mit dem Auftrag, einen gefährlichen Klimawandel zu verhindern. Doch der Auftrag wurde bisher nicht erfüllt. Nur ein einziges Mal gelang es, wenigstens die Industrieländer zu einer bescheidenen Verringerung ihres Treibhausgas-Ausstoßes zu bewegen: Das 1997 beschlossene Kyoto-Protokoll verpflichtete sie, den Treibhausgas-Ausstoß bis 2012 um gut fünf Prozent unter das Niveau von 1990 zu senken. Das Ziel wurde zwar erreicht. Trotzdem wird von Jahr zu Jahr mehr CO2 in die Atmosphäre entlassen: Zum einen, weil die USA als damals größter Emittent das Protokoll nicht ratifizierten. Zum anderen, weil Schwellenländer wie China, Indien und Brasilien die Industrialisierung nachholten – mit Kohlekraft als wichtigster Energiequelle, was größere Emissionen zur Folge hatten. Fazit: Heute werden mehr als 50 Prozent mehr Treibhausgase ausgestoßen als damals.
    Gipfel von 2009 war eine Enttäuschung
    Das Jahr 2009 sollte die Wende bringen, doch der mit großen Hoffnungen gestartete Klimagipfel von Kopenhagen endete mit einer dürren Abschlusserklärung und ohne das erhoffte Abkommen über die Begrenzung der Treibhausgase. Enttäuschung allenthalben, auch bei Bundeskanzlerin Angela Merkel:
    "Die Verhandlungen waren extrem schwierig und ich will auch ausdrücklich sagen, dass ich das Ergebnis mit sehr gemischten Gefühlen sehe. Wir haben zu entscheiden gehabt, ob wir den gesamten Prozess abbrechen oder aber ob wir das, was möglich war, nehmen und in diesem Prozess weiter arbeiten können."
    Man sieht auf einer Straße eine Gruppe von Demonstranten von den pazifischen Inseln, die Plakate und Schilder für einen besseren Klimaschutz halten. Einige tragen traditioneller Kleidung.  
    Teilnehmer einer Großdemonstration am 27.11.2015 anlässlich des bevorstehenden Weltklimagipfels in Paris. (AFP / Paul Crock)
    "Es ist fünf vor zwölf" - mit solchen Alarmrufen hatten Klimaschützer im Vorfeld von Kopenhagen erklärt, es bleibe nur wenig Zeit, um den Klimawandel doch noch zu begrenzen. Die Chance wurde bekanntlich verpasst und inzwischen ist es deutlich schwerer geworden, das Ziel doch noch zu erreichen. Aber es erscheint immer noch möglich. Oliver Geden beobachtet die Klimaverhandlungen für die Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin.
    "Nach Ansicht derer, die damals fünf vor zwölf gesagt haben, ist es immer noch fünf vor zwölf. Und das ist eigentlich erstaunlich, weil die Emissionen seither weiter gestiegen sind. Und wenn man sich anschaut, wie solche Berechnungen zustande kommen, dann wird jetzt einfach eine größere Transformationsgeschwindigkeit nicht nur angenommen, sondern auch für realistisch gehalten."
    Womöglich sind sogar negative Emissionen möglich
    Viele Modellrechnungen kalkulieren für die zweite Hälfte des Jahrhunderts sogar mit negativen Emissionen, um eine Begrenzung der Erderwärmung realistisch erscheinen zu lassen. Treibhausgase müssen der Atmosphäre also entzogen werden. Die Techniken dafür gibt es, die Anwendung ist allerdings noch nicht erprobt.
    "Sie bauen schnell wachsende Biomasse an. Die zieht über Photosynthese CO2 aus der Atmosphäre. Dann verbrennen Sie diese Biomasse in einem Kraftwerk, um Strom zu produzieren und scheiden aber das CO2 ab und bringen es unter die Erde. Dann haben Sie im Prozess CO2 aus der Atmosphäre gezogen. Ich kann mir schon vorstellen, dass das funktioniert, man braucht dafür aber sehr große Landflächen."
    Wie die Wende doch noch gelingen könnte, darüber wurde seit 2009 bei fünf Klimagipfel beraten. Herausgekommen ist ein ganz neuer Ansatz, der zur Dringlichkeit des Klimaschutzes in auffallendem Kontrast steht: Von dem Vorhaben, die gerade noch klimaverträglichen CO2-Emissionen auf die Welt aufzuteilen, haben sich die Unterhändler verabschiedet. Paris wird zwar vermutlich beschließen, dass die Erdtemperatur um höchstens zwei oder vielleicht auch um höchstens 1,5 Grad steigen soll. Doch ein Vertrag wird den einzelnen Staaten wohl nicht verbindliche Emissionsziele auferlegen.
    "Darauf haben sich die meisten Staaten nicht einlassen wollen und um den Prozess auch zu retten, und um auch pragmatisch voranzugehen, hat man dann eben gesagt: Okay, dann fragen wir alle Länder mal: Was seid Ihr denn zu geben bereit?"
    Viele haben ihre Ziele eingereicht
    Nahezu alle großen Emittenten von Treibhausgasen haben vor dem Pariser Klimagipfel ihre Ziele eingereicht. Und die fallen sehr unterschiedlich aus und sind nur schwer miteinander vergleichbar. Die Europäische Union will den Ausstoß von Treibhausgasen bis zum Jahr 2030 um 40 Prozent unter den Stand von 1990 drücken. Die USA planen bis 2025 eine Verringerung um 26 bis 28 Prozent verglichen mit 2005. China, der weltweit größte Emittent, genehmigt sich mit Hinweis auf seinen Status als Schwellenland einen weiteren Anstieg der Emissionen, will aber vor dem Jahr 2030 den Rückgang einleiten. Nicht bei allen Staaten ist klar zu sehen, wohin die Reise geht: Manche Länder nennen keine konkreten Zielwerte für den CO2-Ausstoß. Sie wollen den CO2-Ausstoß pro Einheit des Bruttoinlandsprodukts verringern, andere setzen sich Ziele verglichen mit einer fiktiven Entwicklung ohne Klimaschutz. Das eröffnet viel Spielraum für Interpretationen, sagt Ottmar Edenhofer, Direktor des Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change:
    Qualm kommt aus den Schornsteinen eines Kohlekraftwerks in Dezhou in der ostchinesischen Provinz Shandong.
    Qualm kommt aus den Schornsteinen eines chinesischen Kohlekraftwerks. (picture alliance / dpa / Da Qing)
    "Wenn man sich mal diese freiwilligen Selbstverpflichtungen anschaut, dann sind die alle im Wesentlichen sehr vage formuliert. Da steht dann zum Beispiel: Wir wollen die Emissionen gegenüber einem "Business as usual"-Szenario um X Prozent reduzieren. Das heißt mit anderen Worten: Wenn man diese freiwilligen Selbstverpflichtungen aufaddieren will, um mal zu sehen, wo man damit hinkommt, dann stellt man schon fest, dass die in ihrer Vagheit gar nicht präzise gefasst werden können und das ist natürlich für die Verhandlungen äußerst schlecht."
    Allerdings haben vor Paris viele Länder ihre Ziele beim Abbau der Emissionen verschärft, andere haben sich zum ersten Mal überhaupt dieser Aufgabe gestellt. Und mehrere Analysehäuser haben errechnet, dass die freiwilligen Klimaziele durchaus wirken – allerdings längst nicht genügend. Christiana Figueres, die Generalsekretärin der UN-Klimarahmenkonvention:
    "Wenn sie vollständig umgesetzt würden, dann wären wir nicht mehr auf dem Weg zu einem Temperaturanstieg um vier oder fünf Grad, sondern um vielleicht 2,7 bis drei Grad, was schon eine deutliche Verbesserung wäre. Aber wir wären noch nicht bei unter zwei oder 1,5 Grad. Aber das brauchen manche Länder nach wie vor für ihr Überleben und ihre Sicherheit."
    Obergrenze für die Erderwärmung im Mittelpunkt
    Die Obergrenze für die Erderwärmung steht auch für Bundesumweltministerin Barbara Hendricks im Mittelpunkt der Verhandlungen. Sie erwartet von einem Pariser Abkommen vor allem:
    "Das eine ist, dass wir uns verpflichtend wirklich alle darauf einstellen, dass das 2-Grad-Ziel wirklich eingehalten werden muss, also dass keinesfalls die Erderwärmung am Ende dieses Jahrhunderts über zwei Grad hinausgehen darf. Dazu gibt es bisher zwar eine Art Übereinkunft, aber noch keine völkerrechtliche Verpflichtung. Das ist das Erste. Das Zweite ist, dass wir uns gegenseitig versprechen, dass wir regelmäßig überprüfen. Wir sagen, ein Überprüfungsmechanismus alle fünf Jahre, ob denn das, was die Länder als ihre Beiträge der Weltgemeinschaft, der UNO gemeldet haben, auch wirklich umgesetzt werden."
    Außerdem müsse klar sein, dass Treibhausgase in der ganzen Welt mit gleichem Maßstab gemessen werden:
    "Damit eine Tonne CO2 überall auf der Welt auch eine Tonne CO2 ist. Auch das muss verpflichtend sein."
    Eine Welt ohne Klimaschutz würde sich in diesem Jahrhundert wohl um vier bis fünf Grad erwärmen, mit katastrophalen Folgen, sagt Anders Levermann:
    "Dann verlieren sie alle oder die meisten Gebirgsgletscher weltweit, das arktische Meereis ist weg, die Korallen, an denen 600 Millionen Menschen weltweit mit ihrem Lebensunterhalt hängen, sterben. Sie bekommen eine ganze Reihe von Veränderungen, die wir zu verhindern hoffen."
    EU mittlerweile nicht mehr Vorreiter
    Ein genauerer Blick auf die nationalen Minderungsziele zeigt, dass sich die Gewichte weltweit verschoben haben im Klimaschutz: Die Europäische Union lag lange Zeit relativ einsam an der Spitze, doch sie war in den vergangenen Jahren kaum noch handlungsfähig: Staaten wie Deutschland, Großbritannien und Frankreich drängten vergeblich auf mehr Aktivität, während Polen und andere osteuropäische Staaten größere Anstrengungen ablehnten. Zum Guten gewandelt hat sich dagegen die Rolle der beiden größten Emittenten von Treibhausgasen, sagt Christoph Bals von der umwelt- und entwicklungspolitischen Organisation Germanwatch:
    "Die EU ist in der Klimapolitik zu einem Stadium heruntergekommen, wo sie zu den Getriebenen gehört und nicht mehr zu den Treibern. Wir sehen in der Realität sowohl in den USA als auch in China flächendeckend deutlich mehr Klimaschutzdynamik als im Durchschnitt der EU. In Deutschland sieht es Gott sei Dank noch ein Stück anders aus. Wir haben hier die Energiewende, auf die guckt die gesamte Welt. Wird das erfolgreich weitergeführt und zu Ende geführt, und zwar so, dass es zu einem Wohlstandsmodell führt, das für die Welt auch nachahmenswert erscheint?"
    Dutzende Sonnenkollektoren stehen am in einem Solarpark des Photovoltaik-Spezialisten IBC Solar an der Autobahn 70 bei Buckendorf (Bayern).
    Solarkollektoren: Anteil an erneuerbaren Energien steigt. (dpa / David Ebener)
    Bemerkenswert ist insbesondere der Wandel in China: Noch vor wenigen Jahren wurden dort im Wochenrhythmus neue Kohlekraftwerke installiert, doch seit 2013 sinkt der Einsatz der Kohle. Schritt für Schritt führt China den Emissionshandel ein, um den Ausstoß von CO2 dort zu verringern, wo es besonders kostengünstig ist. Kein Land setzt derzeit so viel auf Wind- und Sonnenenergie wie das Reich der Mitte. Der größte Kohleverbraucher der Welt hat eine Energiewende begonnen – und in anderen Schwellenländern gibt es ebenfalls Bewegung in diese Richtung. Trotzdem ist das Kohle-Zeitalter noch längst nicht zu Ende, sagt Ottmar Edenhofer:
    "In der vergangenen Dekade war die Kohle-Renaissance im Wesentlichen getrieben durch China. Es ist zwar richtig, dass China jetzt sehr viel weniger neue Kohlekraftwerke baut, aber die Kohle-Renaissance setzt sich jetzt fort in Indien, in Indonesien, in Vietnam, im Übrigen auch in Afrika. Afrika spielt bei den weltweiten Emissionen heute noch keine große Rolle, aber in Afrika sind neue Kohlekraftwerke gebaut. Und auch in Osteuropa will man neue Kohlekraftwerke bauen und auch in der Türkei. Wir sind in einer Situation, wo der Anteil der Erneuerbaren am Strommix weltweit wächst, auch die Investitionen wachsen, aber trotzdem die Kohle weiter genutzt wird und die Emissionen weiter steigen."
    Ohne Verbrennung von Kohle ist Klimawandel nicht zu bremsen
    Doch ohne einen Ausstieg aus der Verbrennung von Kohle, aber langfristig auch Öl und Gas, ist der menschengemachte Klimawandel nicht zu bremsen. Länder, die weiter Kohlekraftwerke bauen wollen, verweisen auf ihren Nachholbedarf in Sachen Energieversorgung. Nach Ansicht von Harjeet Singh, Klima-Aktivist von der Organisation Action Aid in Indien, bräuchte sein Land für einen Ausstieg aus der Kohle mehr Hilfe von der internationalen Gemeinschaft:
    "Sie müssen bei der Kohle auf den Pro-Kopf-Verbrauch schauen und nicht auf die Gesamtmenge. Derzeit gibt uns die internationale Gemeinschaft noch keine konkreten Finanzierungsperspektiven mit der wir unsere Bergwerke schließen und unseren Energiebedarf auf andere Weise decken können. Wenn wir über die Kohle in Indien reden, dann müssen wir den Energiebedarf an die erste Stelle setzen."
    100 Milliarden US-Dollar pro Jahr sollen ab 2020 für den Klimaschutz in Entwicklungsländern zusammenkommen. Das haben die Industriestaaten zum ersten Mal 2009 in Kopenhagen zugesagt, doch woher das Geld kommen soll, ist noch lange nicht klar. Steuergelder sollen nur ein Teil sein, auch private Investitionen. Im Gespräch sind auch Einnahmen aus dem Emissionshandel und aus neuartigen Abgaben etwa auf den Flug- oder den internationalen Schiffsverkehr. Ohne eine Erfüllung dieser Zusage ist für Harjeet Singh ein Klimavertrag in Paris nicht vorstellbar:
    "Meiner Ansicht ist das Geld die Schlüsselfrage. Und dann geht es darum, wie wir die Folgen des Klimawandels bewältigen. Aus Sicht der Entwicklungsländer ist es wirklich wichtig, dass wir konkrete Pläne haben, und zwar sowohl für die Verringerung des Klimawandels als auch für die Anpassung an seine Folgen und für den Umgang mit Verlusten und Schäden."
    Schadensersatz ist prinzipiell schwierig
    Das letztere Thema wird ein besonders heißes Eisen sein in Paris: Es geht um Ersatz für klimabedingte Schäden durch die Verursacher, also zum großen Teil die Industrieländer. Letztere haben ihre Verantwortung zwar im Grundsatz anerkannt, eine Pflicht zum Schadensersatz könnte sich aber als unkalkulierbar kostspielig erweisen. Zudem ist schwer nachweisbar, ob etwa ein Wirbelsturm oder eine Dürre ohne den menschengemachten Klimawandel anders verlaufen wäre.
    Ein Vertrag in Paris wäre ein neues Grundgesetz für den Klimaschutz – und noch kein Rezept für die Rettung der Welt. Wann die Emission von Treibhausgasen aufhört, zu steigen, und wie stark sie dann zurückgeht, wird im Vertrag nicht geregelt werden. Das ist Sache der einzelnen Länder und ihre Zusagen reichen derzeit bei Weitem nicht aus. Regelmäßige Nachbesserungsrunden alle fünf Jahre sollen dafür sorgen, dass die Erwärmung doch noch in Grenzen gehalten werden kann.
    Die Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, Barbara Hendricks (SPD), spricht am 30.10.2015 auf einer Pressekonferenz im Residenzschloss in Dresden (Sachsen).
    Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD). (dpa / picture-alliance / Arno Burgi)
    Bundesumweltministerin Barbara Hendricks hofft bei der regelmäßigen Überprüfung der Fortschritte einzelner Staaten auch auf den Druck der Weltöffentlichkeit:
    "Das bedeutet natürlich, dass damit auch, ich sag mal, öffentlich bekannt wird, wenn man denn das dann doch nicht tut. Und deswegen ist dieses, ich nenne das immer mal so einen Internationalen Peer Review, das ist nicht schlecht. Denn dann wird die Weltgemeinschaft darauf achten, ob denn die Zusagen auch wirklich eingehalten sind."
    Wenn der Pariser Gipfel einen Vertrag zustande bringt, dann kann er bestenfalls ein Startpunkt für einen ernsthaften Schutz des Weltklimas werden. Den Abschied von fossilen Energiequellen für die Erzeugung von Strom, für den Antrieb von Autos und für die Heizung muss jedes Land selbst umsetzen, sagt Christoph Bals von Germanwatch mit einem Vergleich aus dem Fußball:
    "Ronaldo hat mal gesagt: Es gibt zwei Aufgaben für einen Fußballer: Den Ball in die Strafraumnähe zu bringen und zweitens ein Tor daraus zu machen. Die Aufgabe der Klimagipfel ist es, den Ball in die Strafraumnähe zu bringen. Die Tore müssen dann national geschossen werden. Wir brauchen nächstes Jahr die Debatte in Deutschland, einen Beschluss zu haben, bis 2035 etwa aus der Kohle auszusteigen."