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Vor der Stichwahl in Rumänien
"Victor Ponta wäre das Ende des Rechtsstaats"

Am Sonntag entscheiden die Rumänen, wer neuer Präsident wird. Der Sozialist Victor Ponta tritt in der Stichwahl gegen Klaus Johannis an, den deutschstämmigen Bürgermeister von Hermannstadt. Für die frühere rumänische Justizministerin Monica Macovei ist klar: Ponta würde das Land in den Abgrund führen.

Monica Macovei im Gespräch mit Christoph Heinemann | 14.11.2014
    Christoph Heinemann: Die eine oder der andere wird froh sein, dass die Schlammschlacht endlich vorbei ist, wenn sie denn vorbei ist. Am Sonntag wählen die Rumäninnen und Rumänen einen neuen Präsidenten: Entweder Victor Ponta, den amtierenden Premierminister, oder den Bürgermeister von Hermannstadt, Rumänisch Sibiu, Klaus Johannis, einen siebenbürger Sachsen.
    Unterdessen blickt Reporter ohne Grenzen besorgt auf die rumänische Medienlandschaft. "Keine unabhängige Presse", so der Tenor. Die meisten Medien werden von Politik und Wirtschaft beeinflusst. Darum und um die Wahl der Auslandsrumänen wird es jetzt gleich gehen im Gespräch mit Monica Macovei. Die Abgeordnete des Europaparlaments hat selbst für das höchste Staatsamt kandidiert und erzielte in der ersten Runde 4,5 Prozent. Monica Macovei ist die "Mutter Courage" der rumänischen Politik. Als Justizministerin schuf sie 2005 die Anti-Korruptions-Behörde DNA, aus Sicht der Betroffenen ein unverschämter Haufen, denn die DNA leistet das, wofür sie gegründet wurde, und sie schickt Politiker und Wirtschaftsvertreter reihenweise vor Gericht und hinter Gitter. Auch das steht auf dem Spiel, sagt Monica Macovei. Ich habe sie zunächst gefragt, worin sich die beiden Kandidaten der Stichwahl voneinander unterscheiden.
    Monica Macovei: Herr Ponta, der Kandidat der Sozialistischen Partei, lügt ständig. Er wird das Land hoch verschulden. Er nutzt öffentliche Mittel für private Zwecke, wie schon im Wahlkampf. Er wird den politischen Kurs des Landes von Westen Richtung Osten ändern. Und er wird alle korrupten Mitarbeiter der öffentlichen Verwaltung, Minister und Parlamentsabgeordnete schützen. Und das ist das größte Problem. Ponta ist gegen die Unabhängigkeit der Justiz, auch wenn er sich immer dafür ausspricht. Die meisten Chefs der Regionalverwaltungen und Bürgermeister seiner Partei sind in Korruptionsverfahren verstrickt oder müssen sich wegen Geldwäsche verantworten. Er schütz sie alle. Seine Wahl bedeutete ein Ende des Rechtsstaates und der Antikorruptions-Arbeit in Rumänien. Auf der anderen Seite Herr Johannnis: er vertritt zwei Parteien, die Demokraten und die Liberalen. Ich glaube nicht, dass er den Kampf gegen die Korruption beenden würde. Und ich glaube nicht, dass er Rumäniens Kurs Richtung Westen und Demokratie ändern würde.
    Heinemann: Ist Klaus Johannis´ deutsche Herkunft ein Problem für ihn im Wahlkampf?
    Macovei: Für mich und viele andere ist es das nicht. Einige versuchen daraus ein Problem zu machen, oder aus der Tatsache, dass er keine Kinder hat, und dass er einer anderen Religionsgemeinschaft, der protestantischen, angehört. Nach der ersten Runde der Präsidentschaftswahl sind einige hier in Rumänien verzweifelt. Es gab Fälle von Wahlbetrug, von den Sozialisten organisiert.
    Heinemann: Befürchten Sie, dass Herr Ponta die politische Kontrolle der Anti-Korruptions-Ermittler verschärfen wird?
    Macovei: Ja, er wird die Anti-Korruptions-Ermittlungen stoppen.
    "Ponta profitiert von Wahlfälschungen"
    Heinemann: Wenn er so schlecht ist, warum ist er dann so erfolgreich?
    Macovei: Einmal wegen der Wahlfälschungen. Und wenn wir uns die Regionen anschauen, in denen er gewonnen hat, waren es vor allem die ländlichen. Über einen hohen Funktionär seiner Partei steht ihm ein Fernsehsender zur Verfügung. Zwei anderen Stationen hat er viel Geld bezahlt. Ein anderer, der für ihn gearbeitet hat, der Medienunternehmer Dan Voiculescu sitzt gerade für zehn Jahre im Gefängnis wegen Geldwäsche und Steuerflucht. Eine Gruppe Krimineller, die davonkommen und die Ermittlungen gegen sie beenden wollen.
    Monica Macovei hat an der Universität Bukarest Jura studiert. Von Dezember 2004 bis April 2007 war sie Justizministerin in Rumänien im ersten Regierungskabinett von Călin Popescu-Tăriceanu. Seit 2009 ist Frau Macovei Abgeordnete im Europäischen Parlament. Dort gehört sie der Fraktion der Europäischen Volkspartei an.
    Heinemann: Viele Auslandsrumänen konnten in den rumänischen Auslandsvertretungen nicht wählen. Glauben sie, die Regierung wollte nicht, dass sie an der Abstimmung teilnehmen?
    Macovei: Ja, bestimmt. Und das richtet sich gegen das Wesentliche der Demokratie. Das Wahlrecht ist nun einmal das Grundrecht. Die Regierung hat diese Wahlen organisiert, insofern trägt die Regierung die Schuld. Mehrere Botschafter haben vor der Wahl um mehr Wahllokale, Stempel und Wahlzettel gebeten. Das Außenministerium hat diese Anforderungen verweigert.
    Heinemann: Können die Auslandsrumänen den Wahlausgang beeinflussen?
    "Die Rumänen sind aufgewacht"
    Macovei: Ich glaube das. Was da passiert ist, in München, von dort habe ich Briefe erhalten, in Paris, in London, in New York, in Vancouver, in Italien oder Spanien, hat in Rumänien für erhebliche Unruhe gesorgt. Es gab Kundgebungen in Bukarest, Klausenburg, Temeschwar, in allen großen Städten. Und das wird weitergehen. Die Menschen in Rumänien sind aufgewacht.
    Heinemann: Warum ist Korruption in Ihrem Land so ein großes Problem?
    Macovei: Das Problem ist, das wir über wirksame Institutionen zur Bekämpfung der Korruption verfügen. Die Antikorruptionsbehörde DNA etwa, die ich 2005 gegründet habe. Die Ermittler klagen Politiker aller Parteien an. Und das ist das Problem: die wollen keine Ermittlungen, sei wollen nicht vor Gericht stehen und verurteilt werden.
    Heinemann: Die Rumänen haben eine Rezession und Ausgabenkürzungen mitgemacht, unter Vorgaben des Internationalen Währungsfonds. Befindet sich das Land auf einem guten Weg?
    Macovei: Das würde ich sagen. Wir hatten zwar Kürzungen bei den Einkommen. Das Problem ist, dass der zweite Schritt nicht gemacht wurde: die öffentliche Verwaltung wurde nicht verringert. Die ist zu groß und schafft zu viel Bürokratie. Ponta hat versprochen, dass er alles erhöhen will: Renten, Einkommen, ohne dass er dafür das Geld hat. Damit wird er das Land verschulden, denn er muss sich dieses Geld auf dem Markt leihen.
    Heinemann: Vor 25 Jahren endete die Ceaucescu-Diktatur. Gibt es in dem politischen System Rumäniens noch Elemente des Ceaucescu-Regimes?
    Macovei: Ich glaube ja. Der neue rumänische Außenminister war schon unter Ceaucescu im hohen diplomatischen Dienst. Und viele Leute sagen, er habe auch im Geheimdienst Securitate gearbeitet".
    Heinemann: Gibt es in Rumänien ein funktionierendes Securitate-Netzwerk?
    Macovei: Das glaube ich, aber ich kann es nicht beweisen. Dennoch glaube ich es: in der Wirtschaft, in der Politik, überall.
    Heinemann: Die Europaabgeordnete und ehemalige rumänische Justizministerin Monica Macovei.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.