Politologe
Vorländer: Bundesverfassungsgericht hat vor allem politische Konflikte befriedet

Der Politikwissenschaftler Hans Vorländer hat davor gewarnt, dass der Konflikt um die Besetzung der Richterposten das Ansehen des Bundesverfassungsgerichts schädigen könnte. Die Bevölkerung glaube an die unparteiischen Entscheidungen des Gerichts und gebe ihm damit "einen Kredit", sagte Vorländer im Deutschlandfunk. Im Augenblick gehe es um die "Kreditwürdigkeit".

    Das Foto zeigt Hans Vorländer, einen Mann mit grauem Bart und grauen Haaren und Brille vor weißem Hintergrund.
    Der Politikwissenschaftler Hans Vorländer (picture alliance/dpa/Robert Michael)
    Vorländer, der Direktor des Zentrums für Verfassungs- und Demokratieforschung an der TU Dresden war, bezog sich auf die Wahl von drei neuen Richtern für das Bundesverfassungsgericht. Sie war vor der parlamentarischen Sommerpause kurzfristig abgesagt worden, weil die von der SPD nominierte Kandidatin Brosius-Gersdorf nicht die notwendige Unterstützung in der Unionsfraktion hatte. Vorländers Angaben nach hat es schon früher Konflikte um die Besetzung der Richterposten gegeben, aber unbemerkter von der Öffentlichkeit.

    Manchmal auch "aktivistische Note"

    Der Politikwissenschaftler räumte ein, dass die Entscheidungen des Gerichts manchmal auch "eine aktivistische Note" hätten. Das Verfassungsgericht habe sehr oft Politik weiterentwickelt, gerade im Bereich der Klimapolitik, des Datenschutzes und der sozialen Sicherungssysteme. "Und es gibt natürlich die Befürchtung, dass durch eine neue Zusammensetzung der Senate der Aktivismus wieder in die eine oder andere Richtung ausschlägt", hob Vorländer hervor. Das vom Gericht gesprochene Recht sei scheinbar manchmal wichtiger als das, was der Gesetzgeber macht. Aber Vorländer betonte, es liege am Gesetzgeber selbst, wie er damit umgehe. Das Bundesverfassungsgericht habe Deutungsmacht, aber keine Truppen, um seine Beschlüsse auch umzusetzen.

    Befriedende Funktion des Bundesverfassungsgerichts

    Vorländer verwies vor allem darauf, dass das Gericht auch politische Konflikte befriede: "Das ist die herausragende Rolle, die das Gericht bislang hatte". Aber das könne sich ändern, wenn das Gericht in das Kreuzfeuer der Parteipolitik gerate.
    Auch früher schon habe es Zeiten der politischen Polarisierung und großer Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts gegeben, sagte Vorländer. Er gab als Beispiel die 70er Jahre an, als das Verfassungsgericht zum Beispiel über den Schwangerschaftsabbruch entschieden hatte. Und dennoch genieße das Gericht seit Jahrzehnten das höchste Vertrauen der Bürger. "Repräsentative Befragungen, die wir immer wieder gemacht haben, zeigen, dass die Menschen das Gericht vor allem deshalb lieben, weil sie gar nicht so genau wissen, was dort eigentlich passiert", erklärte Vorländer. Das Bundesverfassungsgericht sei sozusagen ein Mysterium.
    Das Interview können Sie hier hören.
    Diese Nachricht wurde am 27.07.2025 im Programm Deutschlandfunk gesendet.