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Vorratsdatenspeicherung
Der Europäische Gerichtshof verhandelt weiter

2014 entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH): Die Vorratsdatenspeicherung, so wie es die europäische Richtlinie vorsah, ist mit Europäischen Grundrechten nicht zu vereinen und kippte die Richtlinie. Doch was erlaubt das europäische Recht eigentlich? Heute verhandelt der EuGH über einen schwedischen und einen englischen Fall.

Von Gudula Geuther | 12.04.2016
    Im Jahr 2014 entschied der Europäische Gerichtshof: Die Vorratsdatenspeicherung, so wie die entsprechende europäische Richtlinie sie vorsah, ist mit Europäischen Grundrechten nicht zu vereinen. Und kippte die Richtlinie. Gleichwohl forderten CDU und CSU eine Neuauflage, wenn nicht in Europa, so doch in Deutschland. Und viele sagten: Das geht nicht. Zu ihnen gehörte damals zuerst Bundesjustizminister Heiko Maas, SPD.
    "Es gibt ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes. Und das Urteil ist ganz eindeutig: Da steht nämlich drin, dass eine anlasslose Vorratsdatenspeicherung mit unseren Grundrechten nicht vereinbar ist."
    Was danach geschah, ist bekannt. Nach den Anschlägen auf Charlie Hebdo und den Jüdischen Supermarkt in Paris hielt auch SPD-Parteichef Sigmar Gabriel eine Neuauflage der Vorratsdatenspeicherung für nötig. Und derselbe Justizminister verteidigte im Bundestag ein Gesetz, das die anlasslose Speicherung in Deutschland wieder eingeführte.
    "Das ist ein Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung. Aber in der Abwägung der Rechtsgüter kommen wir zu dem Ergebnis, auch nach höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass dieser Eingriff nicht nur rechtmäßig, sondern verhältnismäßig ist, meine sehr verehrten Damen und Herren."
    Seitdem soll also wieder gespeichert werden, wer wann von wo mit wem telefoniert hat, wer SMS geschickt hat, im Internet war, die IP-Adressen. Die Frage, die unter anderem der Bundesjustizminister ursprünglich aufgeworfen hatte, blieb dagegen bis heute offen: Was erlaubt das europäische Recht eigentlich? Heute verhandelt der Europäische Gerichtshof. Über einen schwedischen und einen englischen Fall. Aber auch in der Bundesregierung verfolgt man mit Spannung, was in Luxemburg passiert. Auch der Vorstand des Provider-Branchenverbandes eco, Klaus Landefeld, sagt:
    "Wenn hier der schwedische und der englische Fall zu dem Ergebnis kämen, Vorratsdatenspeicherung kann in Europa überhaupt nicht gemacht werden, dann hätte das natürlich auch Folgen für unsere Rechtslage in Deutschland."
    Und das schneller als von deutschen Unternehmen gedacht. Denn die konnten sich bisher nur versuchen, sich vorsorglich vor Gericht gegen die Einrichtung der teuren Infrastruktur zu wehren.
    "Man ist ja momentan noch nicht zur Umsetzung verpflichtet, dafür muss erst mal eine technische Grundlage erarbeitet werden, die liegt momentan noch nicht vor, die soll so gegen Mitte des Jahres vorliegen. Vorher ist es für die Unternehmen natürlich sehr schwer, das abschätzen zu können, die eigene Betroffenheit zu zeigen."
    In Schweden dagegen gilt das alte nationale Recht fort. Nach der EuGH-Entscheidung von 2014 hatte aber Tele2 Sverige dem Staat mitgeteilt, man werde in Zukunft die Speicherung unterlassen. Die Post- und Telekom-Behörde wies das Unternehmen daraufhin an. Mit dem Argument, es müssten nur die Voraussetzungen der Datenschutzrichtlinie zur elektronischen Kommunikation erfüllt sein. Fraglich bleibt allerdings, wie der EuGH diese auslegt. Denn in ihrem Urteil von 2014 waren die Richter in einzelnen Formulierungen sehr weit gegangen, hatten eine vollständige Erfassung der Kommunikation kritisiert und zusätzliche Bedenken im Fall von Berufsgeheimnisträgern wie Ärzten oder Anwälten erhoben. Schwedische Gerichte legten den Rechtsstreit vor. Das erst vor Kurzem novellierte britische Recht geht sehr viel weiter als das deutsche, trotzdem gibt es auch hier Parallelen. Die Koalition hatte Wert darauf gelegt, dass nach dem neuen deutschen Gesetz ja nicht die gesamte Kommunikation erfasst werden soll. Tatsächlich sind E-Mails ausgenommen. Erste Hinweise, ob das reicht und welche Anforderungen sonst für eine anlasslose Speicherung von Telekommunikationsdaten gelten, könnten sich heute ergeben. Ein Urteil werden die Richter erst später fällen.