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Vorsitzende des Zentralrats der Ex-Muslime
"Aus meiner Sicht sind alle Religionen frauenfeindlich"

Der Zentralrat der Ex-Muslime setzt sich für die Rechte derer ein, die nicht mehr glauben. Die Vorsitzende des Zentralrats, Mina Ahadi, wurde im Iran wegen Apostasie, also Abfall vom Islam, zum Tode verurteilt. Auch in Deutschland, so sagt sie, müsse mittlerweile das moderne, säkulare Leben verteidigt werden.

Von Lisa Dorn |
    Mina Ahadi, Vorsitzende des Zentralrats der Ex-Muslime
    Mina Ahadi, Vorsitzende des Zentralrats der Ex-Muslime (imago stock&people)
    "Wir Menschen, die aus sogenannten islamischen Ländern nach Deutschland gekommen sind, waren vorher Ausländer und im Laufe der Zeit wurden wir Muslime. Wir haben gesagt, wir haben abgeschworen, wir sind nicht mehr Muslime, wir sind Ex-Muslime und wir haben auch eine Organisation gegründet: "Zentralrat der Ex-Muslime", sagt Mina Ahadi.
    Es gibt keine Möglichkeit, formal aus der muslimischen Glaubensgemeinschaft auszutreten. Mina Ahadi hat einen anderen Weg gefunden, um nicht mehr dazu gezählt zu werden. 2007 hat sie zusammen mit anderen den Zentralrat der Ex-Muslime gegründet, heute ist sie die Vorsitzende. Sie stammt aus dem Iran, studierte dort Medizin. 1996 kam sie nach Deutschland.
    Sie erzählt: "Ich komme aus einem Dorf und ich sollte als Kind einen Tschador haben und eine Burka. Aber mein Leben war so, mein Großvater war Atheist und ich war in Teheran mit meinem Großvater, und ich habe ein farbiges Leben ohne Kopftuch erlebt. Als ich 14 Jahre alt war, wollte ich z.B. einen Freund haben, das war verboten, die Antwort war immer: "Wir sind Moslems und Gott erlaubt das nicht." Im Laufe der Zeit habe ich auch Bücher gelesen, damals, zum Beispiel von Jean-Paul Sartre oder Marx. Mein Großvater hat sehr viele Bücher Zuhause gehabt und im Laufe der Zeit aber habe ich auch den Koran auf Persisch gelesen und habe gesagt: "Nein, das ist nicht mein Weg, ich möchte nicht mehr so leben. Dann habe ich aufgehört zu beten und nach einem Jahr habe ich gesagt, ich bin nicht mehr Muslim."
    "Wir haben abgeschworen"
    In Deutschland haben Ex-Muslime eine politische Plattform: den Zentralrat der Ex-Muslime. Dessen Motto "Wir haben abgeschworen!" spielt auf den Stern-Titel "Wir haben abgetrieben!" von 1971 an. Die Ex-Muslime brechen auch ein Tabu, indem sie ihre Abkehr vom Glauben öffentlich machen. Religion werde häufig als ein fester Bestandteil der Kultur sogenannter muslimischer Länder wahrgenommen. Das wollen die Ex-Muslime widerlegen.
    Mina Ahadi sagt: "Ich behaupte zum Beispiel, dass es im Iran eine große antireligiöse Bewegung gibt. Die Menschen haben sehr viel Erfahrung mit dieser Religion und auch dem politischem Islam gehabt. Es wird nicht sehr viel berichtet über diese Bewegung, aber wir haben jetzt, Gott sei Dank, sehr viele Kommunikationsmöglichkeiten und es gibt sehr viele Webseiten, zum Beispiel Humanisten oder Atheisten im Iran, oder Agnostiker im Iran mit 100.000 likes. Sie schreiben über Richard Dawkins und es wird sehr viel über Michael Schmidt-Salomon oder andere Leute geschrieben. Das finde ich sehr gut und ich finde auch sehr gut, wenn die deutsche Öffentlichkeit diese Bewegung im Iran, im Irak und in anderen sogenannten islamischen Ländern sieht."
    Der Verein Zentralrat der Ex-Muslime e.V. will laut Satzung, die allgemeinen Menschrechte und den Säkularismus durchsetzen, die Völkerverständigung fördern und – wie es wörtlich heißt - vernunftgeleitetes Denken ohne Rücksicht auf Traditionen unterstützen.
    Ahadi:"Wir sind der Meinung, Säkularismus ist die Antwort und wir brauchen einen säkularen Staat. Wir verteidigen eine moderne Kultur, wir verteidigen ein modernes Leben in Deutschland. Wir verteidigen Frauenrechte, Menschenrechte, freie Meinungsäußerungen und wir sind gegen islamische Organisationen."
    Plädoyer für Säkularismus und Humanismus
    Die islamischen Verbände ignorierten den Zentralrat der Ex-Muslime, erzählt Mina Ahadi. Wir haben beim Zentralrat der Muslime angefragt, eine Stellungnahme war bis Redaktionsschluss nicht zu erreichen. Von anderer Seite bekomme sie viele Reaktionen. Mina Ahadi erzählt von Zuspruch und Anerkennung, aber auch davon, dass sie wegen ihrer umstrittenen Positionen das Etikett "Islamhasser" trage. Nach der Gründung des Zentralrats für Ex-Muslime lebte sie lange Zeit unter Polizeischutz und bekommt immer noch anonyme Morddrohungen.
    "Meine Position war und ist immer: Wir reden über eine politische Bewegung und nicht nur über eine Religion", sagt sie. "Ich rede über den politischen Islam und das ist unmenschlich, das ist barbarisch, das ist terroristisch. Was die Religionen betrifft, aus meiner Sicht sind alle Religionen frauenfeindlich und gehören der Vergangenheit an und alle Religionen sollten ein Thema sein für eine Aufklärungsarbeit."
    Mit der anti-islamischen Position der AfD möchte sich Mina Ahadi nicht gemein machen. In einem offenen Brief an Frauke Petry schreibt sie zum Beispiel, dass die AfD mit ihrem traditionell-patriarchalischen Familienbild, ihrer Ablehnung einer fortschrittlichen Sexualerziehung und ihrer rückständigen Haltung zu Menschenrechten und Wissenschaft den gleichen fundamentalistischen Traum wie die Islamisten träume.
    "Mit einer humanen Kultur kann man eine Antwort geben und nicht mit rechtsextremistischen oder patriotischen Parolen. Das finden wir überhaupt nicht in Ordnung", kritisiert sie.
    Geflüchtete wenden sich an den Zentralrat der Ex-Muslime mit verschiedenen Anliegen. Mina Ahadi berichtet von einem Iraker, den die Behörden zunächst nicht als Atheisten registrieren wollten: "Ich muss betonen, diese Menschen zum Beispiel aus Syrien oder aus dem Iran, aus Pakistan, aus Afghanistan, sind in erster Linie Opfer von dieser politischen unmenschlichen Bewegung. Und jetzt versuchen diese politischen Bewegungen auch in Europa in unser Leben hier Unsicherheit zu bringen."
    Jugend ohne Gott
    Mina Ahadi wuchs im Schah-Regime auf und kämpfte in der linken Opposition gegen den Schah. Als Teenager im Iran war Atheismus für Mina Ahadi noch kein Kampfthema: "Ich komme aus dem Iran und ich bin jetzt fast 60 Jahre alt. Ich war 14, 15 im Iran, damals, es gab eine andere Regierung, habe ich gesagt: "Ich bin nicht mehr Muslim", also habe eine kritische Auseinandersetzung gehabt mit dem Koran, mit dem Beten. Meine Mama hat gesagt: "Ja, fast alle jungen Menschen fangen an, den Propheten Mohammed zu kritisieren." Und das war ein lustiges Thema, kein Tabu-Thema und auch nicht gefährlich. Aber in meinem Land war eine Revolution und dann haben Islamisten die Macht gewonnen. Dann habe ich gesehen: Wenn ich nicht mehr Muslim bin in einem solchen Land, dann ist es schon ein sehr, sehr gefährliches Thema. Ich habe im Iran eine Todesstrafe bekommen und mein Mann wurde hingerichtet im Iran. Das heißt, die politische Lage hat sich geändert und dieses Thema wurde sehr politisch."
    Als die linke Revolution im Iran scheiterte, Islamisten die Macht ergriffen und Chomeini den Kopftuchzwang anordnete, organisierte Mina Ahadi Protestaktionen und Demonstrationen. Sie konnte fliehen. In Abwesenheit wurde die Todesstrafe gegen sie verhängt – unter anderem, weil sie vom Glauben abgefallen war. "Auch wegen Apostasie", erzählt sie. "Aber ich war von Anfang an gegen dieses Regime, ich war auf der Straße, ich hab gegen das Kopftuch gekämpft, ich hab eine Rede gehalten, ich hab eine Demonstration organisiert. Am 8.März 1979 habe ich eine Rede gehalten gegen den Kopftuchzwang und gegen das islamisches Regime, aber ich war auch Ex-Muslimin damals. Das war auch ein Grund. Ich wurde im Iran verurteilt, eine Todesstrafe."
    Gegen die Verfolgung von Abtrünnigen
    Gegen Todesstrafe und Steinigung kämpft sie nun von Deutschland aus. 2001 gründete Mina Ahadi das Internationale Komitee gegen Steinigung, 2004 das Komitee gegen Todesstrafe:
    "Wir kämpfen für die Freilassung von sehr vielen politisch Aktiven und auch Apostaten in sogenannten islamischen Ländern und im Iran genau vor zwei Wochen haben sie zwei Personen festgenommen, die angeblich im Telegramm geschrieben haben, sie sind nicht mehr Muslims. Sie sind in Gefahr hingerichtet zu werden. Ich wünsche mir eine Welt ohne Religion, ich wünsche mir eine Welt, in der jeder Mensch an das glauben darf, was er oder sie möchte oder auch nicht glauben. Aber jetzt ist es Politik und dann machen wir auch Politik mit diesem Thema."
    Mina Ahadi macht Politik mit Apostasie. Und sie kämpft dabei für eine Gesellschaft, in der Apostasie kein politisches Thema mehr ist.