Donnerstag, 28. März 2024

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Waffen für den Irak
"Deutschland darf nicht außen vor stehen"

Elmar Brok befürwortet die Lieferung von militärischen Gütern aus Europa in den Irak. Das zögerliche Verhalten der europäischen Regierungen kritisiert er. Es könne nicht sein, dass die reichste Industrieregion der Welt nicht in der Lage sei, zu helfen, sagte der CDU-Außenpolitiker im DLF.

Elmar Brok im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 13.08.2014
    Elmar Brok spricht vor einem Mikrofon, mit den Händen gestikulierend, vor blauem Hintergrund mit weißer kyrillscher Aufschrift.
    "Ein weiteres Vordringen der IS muss verhindert werden, " so Elmar Brok. (MLADEN ANTONOV/AFP)
    Er habe manchmal den Eindruck, dass man in Europa handlungsunfähig sei, so Brok, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Europaparlament, im Interview mit dem Deutschlandfunk. Dabei sei es jetzt notwendig, dass die Europäer zu einer schnellen Entscheidung kämen: "Es geht hier um Stunden und Tage." Deutschland und Europa könnten sich nicht aus dem Konflikt heraushalten. Auch deutsche Sicherheitsinteressen seien betroffen.
    Brok spricht sich für eine enge Kooperation mit Frankreich, England und den USA aus. "Es ist die Aufgabe der großen Staaten, hier tätig zu werden und den Völkermord zu stoppen." Entscheidend sei das Ziel, Menschenleben zu retten und die IS zurückzudrängen.
    Außerdem müsse dem irakischen Ministerpräsidenten Maliki deutlich gemacht werden, dass sein Machtspiel aufhören muss. Der Irak brauche dringend eine handlungsfähige Regierung.

    Das Interview in voller Länge:
    Dirk-Oliver Heckmann: Telefonisch zugeschaltet ist uns jetzt Elmar Brok von der CDU. Er ist Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Europäischen Parlaments. Guten Morgen, Herr Brok!
    Elmar Brok: Guten Morgen, Herr Heckmann!
    Heckmann: Herr Brok, was ist unmoralischer, Waffen in ein Spannungsgebiet zu liefern oder es zu unterlassen und einem Völkermord zuzusehen?
    Brok: Ich glaube, das Letztere. Es ist doch völlig klar, dass wir jetzt nicht ständig prüfen dürfen und die juristischen Zusammenhänge erläutern dürfen, bis alles zu spät ist und so viele Menschen gestorben sind. Wenn man dieses dramatisch schnelle Vorgehen dieser islamischen Dschihadisten sieht, dann muss man doch deutlich machen, dass jetzt schnell gehandelt werden muss, nicht nur, um die Flüchtlinge zu schützen, das ist auch völlig klar, aber das weitere Vordringen auch zu verhindern. Im kurdischen Gebiet sind viele Christen und Jesiden heute schon unter Schutz, aber wenn die Dschihadisten weiterhin auf Erbil zugehen sollten, sind sie dann auch dort gefährdet. Ich glaube, dass es deswegen notwendig ist, dass die Europäer endlich zu einer Entscheidung kommen, und das bedeutet auch, dass die militärischen Güter, egal, wie man sie qualifiziert, dort mit eingesetzt werden müssen.
    "Enge Zusammenarbeit mit den USA notwendig"
    Heckmann: Es muss schnell gehandelt werden, sagen Sie. Wer schnell handelt, das sind die USA. Ich habe es gerade ja schon mehrfach gesagt, es wird bombardiert, und zwar IS-Stellungen. Die Kurden werden mit Waffen ausgestattet. Die Europäische Union, die applaudiert den Amerikanern dafür, selbst hält man sich bisher jedenfalls vornehm zurück. Macht sich die Europäische Union also mal wieder einen schlanken Fuß?
    Brok: Ich habe manchmal den Eindruck - also ich glaube nicht, dass man sich einen schlanken Fuß macht, aber dass man handlungsunfähig ist, dass man nicht vorankommt. Wir beschimpfen die Amerikaner oder loben die Amerikaner. Aber wir als die reichste Industrieregion der Welt sind nicht in der Lage, hier moralisch zu helfen und auch praktisch zu helfen. Und deswegen ist es, glaube ich, notwendig, dass in enger Zusammenarbeit mit den Amerikanern wir unseren Beitrag leisten, dass hier ein Völkermord verhindert werden kann. Ich glaube, wir haben genug Beispiele des Nicht-Handelns. Ich möchte nur an Ruanda denken und an andere Fälle, wo man nicht gehandelt hat, und nachher hat man dann Krokodilstränen geweint. Ich glaube, hier es ist dringend notwendig, dies zu tun. Und übrigens, wenn Herr Gabriel sagt, es müssten auch Sicherheitsinteressen von Brüssel und Deutschland betroffen sein - die sind auch betroffen.
    Heckmann: Immerhin, es gibt eine neue Meldung aus Brüssel in der Nacht: Die Botschafter der Europäischen Union, die haben jetzt grünes Licht gegeben für Waffenlieferungen - aber jedes Land entscheidet selbst. Eine einheitliche Linie sieht nun wirklich anders aus.
    Brok: Nun ist gut, dass man wenigstens eine gemeinsame Position hat, dass man handelt, und es muss auch nicht jeder alles machen. Aber ich glaube, dass in dieser Frage Deutschland nicht außen vorstehen darf, und dass wir insbesondere auch mit den Franzosen und Engländern eng kooperieren sollten, um tätig zu werden und dies auch mit den Amerikanern tun sollten, und dieses über Brüssel. Das ist keine eigene deutsche Aktion, sondern das ist eine gemeinsame europäische Aktion, gleichgültig, wie viele Europäer sich daran beteiligen.
    "Machtspiel von Maliki ist unerträglich"
    Heckmann: Gleichgültig, wie viele Europäer sich daran beteiligen, aber es war doch immer das Ziel, eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik zu etablieren, und man sieht wiederum, wieder an diesem Beispiel: Davon ist nichts zu sehen.
    Brok: Nein. Es muss sich ja nicht jeder beteiligen. Luxemburg kann keine Waffen dorthin liefern. Ich glaube, dies ist an solchen Situationen die Aufgabe der großen Staaten, hier entsprechend tätig zu werden. Aber das ist ja nun ein wesentlicher Fortschritt, dass man hier eine gemeinsame Position erreicht hat, und jeder, der im Rahmen seiner Möglichkeiten etwas leisten kann, sollte das jetzt leisten, damit der Völkermord gestoppt wird und diese Islamisten gestoppt werden.
    Heckmann: Es gibt ja auch einige Bewegungen auf der Ebene der Bundesregierung, das haben wir ja gerade auch schon gehört. Außenminister Steinmeier, der wird heute mit den Worten zitiert in der "FAZ", er sei angesichts der dramatischen Lage dafür, bis an die Grenzen des politisch und rechtlich Machbaren zu gehen. Die Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, die sagt, es wird jetzt eine Lieferung von defensiver Militärausrüstung wie Schutzwesten beispielsweise und Helmen geprüft. Es gibt also Bewegung - Bewegung, die weit genug geht aus Ihrer Sicht?
    Brok: Ich finde, dass es eine gute Bewegung ist, die in den letzten zwei Tagen stattgefunden hat. Vor zwei Tagen war noch ein völliges Nein da. Und ich glaube, dass das jetzt in die richtige Richtung geht. Aber auch hier ist jetzt Geschwindigkeit geboten. Da geht es um Stunden und Tage, wenn man sich die Bilder dort vor Augen hält. Und deswegen glaube ich, dass man schnell tätig werden muss, in Absprache, auch in Arbeitsteilung, wer was liefert, mit Amerikanern, Engländern, Franzosen und anderen, die dort tätig sind, damit hier schnelle Hilfe geleistet werden kann und vor allen Dingen die Kurden in der Lage sind, hier voran zu gehen. Es muss auch deutlich gemacht werden endlich gegenüber Herrn Maliki in Bagdad, dass das Machtschauspiel, was er in diesen Tagen dort stattfinden lässt, unerträglich ist und dass die irakische Regierung endlich handlungsfähig werden muss, um von der Seite auch die Islamisten unter Druck zu setzen.
    "Entscheidend ist das Ziel, Menschenleben zu retten"
    Heckmann: Aber um noch mal auf die möglichen Lieferungen jetzt für die Kurden zu sprechen zu kommen: Mit Schutzwesten kann man die Islamisten sicherlich nicht bekämpfen.
    Brok: Nein, aber es kann ja dazugehören, deswegen sage ich ja, abgesprochen: Was liefern die Franzosen, die Engländer, was machen die Amerikaner? Und in diesem Konzert soll jeder das Seine dann bringen. Und deswegen muss das schnell abgesprochen werden. Man soll nicht in Berlin so lange prüfen, sondern soll sich mit Paris, England, London und Washington zusammensetzen, und was machen wir jetzt gemeinsam und wer bringt etwas?
    Heckmann: Können Sie sich auch vorstellen, dass ein Punkt erreicht sein wird, wo Berlin sagt: Wir gehen noch einen Schritt weiter und liefern in der Tat Waffen, mit denen man schießen kann?
    Brok: Wenn das nicht nötig ist und die Amerikaner und Franzosen das liefern, dann soll es gut sein. Aber ich bin nicht bereit, lange zu überlegen, in welcher Weise wir jetzt einen Schritt noch gehen können. Entscheidend ist das Ziel, nämlich Menschenleben zu retten und die Islamisten zurückzudrängen. Alles andere muss von zweitrangiger Bedeutung sein.
    "Kurden stärken"
    Heckmann: Mit Luftangriffen und Hilfsgüter abschmeißen kann die Krise insgesamt in dem Land ja nicht beendet werden, Sie haben es gerade eben schon auch angedeutet. Dürfte der Westen gezwungen sein demnächst, sich richtig zu engagieren im Irak wieder?
    Brok: Also der erste Irakkrieg war schon ein Fehler und ich glaube, man sollte hier die dortigen Kräfte stärken, dass sie vorangehen können. Ich glaube, die Kurden haben eigentlich ein vernünftiges Verwaltungsszenario für sich aufgebaut und die müssen entsprechend gestärkt werden, dass sie verteidigen können. Und in Bagdad muss es eine Regierung geben, die inclusive ist, das heißt, es muss eine Regierung sein, die auch die Sunniten mit einbezieht. Es darf kein, ein schiitisches Regime allein sein. Deswegen sind die Versuche, die der irakische Präsident jetzt vornimmt mit Ernennung des neuen Ministerpräsidenten der richtige Weg dazu, und ich hoffe, dass Maliki hier nicht weitere Schwierigkeiten macht und auch da noch mit seinen Panzern ein Bürgerkriegsszenario einrichtet.
    Heckmann: Sie hoffen, dass Maliki da keine weiteren Schwierigkeiten macht. Welche Mittel hätte denn die Europäische Union, einzuwirken?
    Brok: Ich glaube, dass hier Iran eine gewichtige Rolle spielt. Und wie ich höre, ist auch der Iran inzwischen der Auffassung, dass Maliki fallengelassen werden soll, sodass er sich isoliert fühlt, um auf diese Art und Weise dort aufzugeben.
    Heckmann: In Berlin wird wie in Brüssel über die Frage gestritten, ob die Kurden mit Waffen ausgestattet werden sollen. Wir haben darüber gesprochen mit Elmar Brok, dem Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses im Europaparlament. Herr Brok, schönen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören!
    Brok: Auf Wiederhören, Herr Heckmann!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.