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Waffenembargo für Libyen
"Darf nicht dazu kommen, dass Schleuser unterstützt werden"

Man müsse das Waffenembargo für Libyen dringend besser kontrollieren, sagte der ÖVP-Politiker Lukas Mandl im Dlf. Man solle sich dabei aber auf den Land- und Luftweg fokussieren. Denn Präsenz auf dem Meer berge die Gefahr, Schleuserbanden zu unterstützen.

Lukas Mandl im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann |
Ein Schiff der EU-Mission "Sophia" im Hafen von La Goulette (Tunesien).
Ein Schiff der Mission "Sophia". Im Rahmen der Mission wurden auch aus dem Meer gerettete Geflüchtete nach Europa gebracht (dpa)
Die Kämpfe in Libyen gehen unvermindert weiter – trotz Waffenembargo. Denn das Embargo greift nicht. Die Überwachung sei löchrig wie ein Schweizer Käse, urteilte der stellvertretende UNO-Beauftragte für Libyen. Mögliche Folge: Millionen Flüchtlinge könnten sich übers Mittelmeer Richtung Europa aufmachen.
Am Montag (17.02.20) haben die EU-Außenminister über einen europäischen Beitrag zur Überwachung des Waffenembargos beraten. Wichtiges Ergebnis: Die EU will das Embargo für Libyen nach Angaben von Außenminister Maas mit einer neuen Marinemission überwachen. Wir haben vor Bekanntwerden des Beschlusses mit Lukas Mandl von der ÖVP, der Österreichischen Volkspartei, gesprochen. Er ist Mitglied des Auswärtigen Ausschusses im Europaparlament.
Dirk-Oliver Heckmann: Wie wichtig ist eine Überwachung des vereinbarten Waffenembargos für Libyen aus Ihrer Sicht?
Lukas Mandl: Die Überwachung des Waffenembargos ist sehr wichtig, und zwar auf militärischem Weg und durch die Europäische Union. Es ist daher wichtig, dass wir als Europäische Union ein gemeinsames Projekt in Gang setzen, das dort kontrolliert, wo tatsächlich Waffenlieferungen erfolgen, das Waffenembargo gebrochen wird, und das ist viel mehr als auf dem Wasserweg, auf dem Landweg und durch die Luft. Deshalb müssen Flughäfen und muss der Landweg stärker überwacht werden und wenn es zu Überwachungen im Wasser kommt, dann muss das im östlichen Mittelmeer sein, stärker in der Region von Ägypten, weil die wenigen Fälle von Waffenlieferungen, von denen wir wissen, sind im östlichen Mittelmeer, und es darf nicht wieder dazu kommen, dass Schleuserbanden im Endeffekt durch die Europäische Union, durch die öffentliche Hand auch noch unterstützt werden bei ihren Verbrechen. Vielmehr muss die Europäische Union dazu beitragen, den Schleuserbanden das Handwerk zu legen.
"Ich bin gegen die Mission Sophia"
Heckmann: Das heißt aber im Umkehrschluss, Herr Mandl, dass Sie sich jetzt nicht dezidiert konkret sperren würden gegen jeglichen Einsatz von Schiffen zur Überwachung dieses Waffenembargos?
Mandl: Ich bin gegen die Mission Sophia und ich nutze auch alle parlamentarischen Möglichkeiten, um zu verhindern, dass alte Bewältigungsstrategien für die bekannten Herausforderungen, die nicht funktioniert haben, jetzt auch noch wiederholt werden sollen. Sophia hat nicht funktioniert, hat zu einer Unterstützung von Schleuserbanden statt zu deren Bekämpfung geführt. Es wird eine solche Mission aus meiner Sicht nicht mehr geben dürfen. Was es geben muss, auch zur Kontrolle des UNO-Waffenembargos über Libyen, ist eine militärische EU-Mission mit der Betonung auf militärisch, eben auch auf dem Landweg und auch an den Flughäfen, nicht nur im Wasser und gar nicht primär im Wasser, und ich kann mir gut vorstellen, dass Österreich in seinem Rahmen auch seinen Beitrag dazu leisten würde.
Heckmann: Aber es geht ja auch um die Überwachung des Waffenembargos auf hoher See, im Mittelmeer, denn das ist nicht ausgeschlossen, dass auch dieser Weg genutzt wird für Waffenlieferungen. Österreich wehrt sich gegen den Einsatz von Schiffen, wir haben es gehört. Aber mit einer reinen Überwachung aus der Luft können Sie ja keine Waffenlieferungen stoppen.
Portraitbild von Lukas Mandl
Seit November 2017 ist der ÖVP-Politiker Lukas Mandl als Nachfolger von Elisabeth Köstinger Mitglied des EU-Parlaments (imago stock&people)
Mandl: Die Verhandlungen sind ja nicht nur unter den Außenministerinnen und Außenministern am Laufen, sondern auch auf parlamentarischer Ebene, wo die Bürgerinnen und Bürger Europas parlamentarisch vertreten werden, und dort sagen wir nicht nur, was nicht geht. Wir sagen natürlich auch, was schon geht und was sogar notwendig ist, und das ist die militärische Herangehensweise an diese Herausforderung. Und das unterscheidet sich dann schon massiv von der alten Sophia-Mission, die nicht funktioniert hat.
"Fokus legen auf den Landweg und den Luftweg"
Heckmann: Das heißt ganz konkret: Was soll das bedeuten, militärische Lösung?
Mandl: Das heißt konkret, dass wir den Fokus legen auf den Landweg und den Luftweg, und dass, wenn Fälle auftreten, in denen die militärische Mission zu Wasser missbraucht wird für die Unterstützung von Schleuserbanden, dass dann diese Mission ein Mandat hat, das so flexibel ist, dass es auch sofort geändert werden kann. Ich bin auch sicher, es wird sich nicht ändern, dass die Waffenlieferungen primär dann aufgedeckt und aufgegriffen werden können auf dem Land und in der Luft und eben nicht im Wasser und dass diese Flexibilität des Mandats wichtig wäre, um die Unterstützung für Schleuserbanden zu verhindern. Wenn, dann aber militärisch, und ich sage noch einmal: Im Osten des Mittelmeers, wo die Waffenlieferungen tatsächlich stattfinden, aber bisher nicht die Schleuserbanden die Migrationsströme verlaufen haben lassen, wenn das im Osten stattfindet, dann kann es auch eine militärische Mission geben, die zu einem kleinen Teil im Wasser stattfindet, aber zum größeren am Land und in der Luft.
Heckmann: Josep Borrell, den wir heute schon gehört haben, hat als Kompromissvorschlag ein neues Einsatzgebiet von Sophia vorgeschlagen. Das heißt, es weiter nach Osten zu verlagern, abseits der Flüchtlingsrouten, damit nicht die Gefahr besteht, dass Flüchtlinge aufgegriffen werden müssen, um sie nach Europa bringen zu müssen. Wäre das ein Kompromiss, mit dem Sie mitgehen könnten?
Mandl: Dieser Vorschlag ist nicht neu. Wir haben den Vorschlag schon länger gemacht, weil die Waffenlieferungen stärker im östlichen Mittelmeer verlaufen. Es ist gut, wenn der Außenkommissar das aufgreift. Ich möchte auch deutlich sagen: Es ist das Europäische Parlament, wo die Bürgerinnen und Bürger vertreten werden, und der Außenkommissar ist ein bisschen zu weit gegangen, wenn er in Frage gestellt hat, ob ein Staat, der ein Binnenstaat ist, wie Österreich, eine Marinemission in Frage stellen darf, weil er ja selbst keine Marine hätte. Na ja, die ganze Mission ist eine Mission der Europäischen Union. Wir alle sind Europäerinnen und Europäer. Also sprechen auch alle gleichermaßen mit. Ich glaube, Josep Borrell muss da aus der nationalstaatlichen Sichtweise ein bisschen herauskommen.
Aber da ist der Vorschlag, im Osten des Mittelmeeres das zu machen, gut und richtig. Schön, wenn Josep Borrell den aufgegriffen hat. Auf dieser Basis kann man weiter verhandeln, vor allem – ich betone das sehr gerne und wiederhole es gerne -, wenn der Fokus auf dem Land- und dem Luftweg liegt.
"Wir brauchen ein verlässliches Gegenüber in Libyen"
Heckmann: Trotzdem möchte ich noch mal bei dem Seeweg bleiben. Österreich blockiert ja den Einsatz von Schiffen zur Überwachung dieses Embargos. Borrell – wir haben es gerade gehört – rechnet nicht mit einer Einigung bei diesem heutigen Treffen. Folge könnte sein, Herr Mandl, dass sich niemand an das Embargo hält, es werden fleißig weiter Waffen in das Land gebracht, und am Ende haben wir mehr Flüchtlinge aus Libyen als weniger. Franziska Brantner von Bündnis 90/Die Grünen, ebenfalls Europaabgeordnete, Ihre Kollegin sozusagen, sagte heute Früh hier im Deutschlandfunk, sie sprach von einem großen Trauerspiel:
O-Ton Franziska Brantner: "Ich finde es wirklich absurd, dass die Europäer es nicht schaffen, sich auf eine neue Überprüfung des Waffenembargos zu einigen, nur weil sie es nicht schaffen, die geretteten Flüchtlinge, die dann vielleicht auch gerettet werden, in Europa zu verteilen."
Die Grünen-Abgeordnete Franziska Brantner
Franziska Brantner, Grüne - "Europa lässt aus Angst vor Flüchtlingen das Chaos in Libyen weitergehen"
Die Grünen-Außenexpertin Franziska Brantner spricht sich für die Marinemission Sophia vor der Küste Libyens aus. Diese müsse das Waffenembargo überprüfen und Flüchtlinge retten.
Heckmann: So Franziska Brantner. Hat sie nicht recht? Ist das nicht absurd?
Mandl: Absurd ist es, dass immer mehr Menschen entwurzelt werden, weil Schleuserbanden ihnen falsche Hoffnungen machen. Wir brauchen dafür die Überwachung des Waffenembargos, aber noch viel mehr. Wir brauchen ein verlässliches Gegenüber in Libyen, mit dem wir zusammenarbeiten können, wie das beispielsweise mit Ägypten oder mit Marokko schon besser funktioniert und in Ansätzen auch schon mit Libyen. Wir brauchen diese enge Zusammenarbeit mit den nordafrikanischen Staaten.
Die Überwachung des Waffenembargos ist eine Pflicht. Das stellt ja niemand in Abrede. Im Gegenteil! Wir wollen es ja richtig machen. Wir wollen nicht Schleuserbanden unterstützen, sondern das Waffenembargo auf richtige Art und Weise überwachen, um so als Europäische Union auch die Vereinten Nationen, die UNO entsprechend zu unterstützen. Es geht nicht darum, ob Flüchtlinge in Europa verteilt werden, was ja die Flüchtlinge nicht wollen und was die allermeisten Europäerinnen und Europäer nicht wollen – dieser Realität können wir ins Auge sehen –, sondern es geht darum, an der Wurzel anzusetzen und zu verhindern, dass immer mehr Menschen entwurzelt werden, ihnen Chancen zuhause zu geben durch Rechtsstaatlichkeit, durch demokratische Systeme, durch Bildungschancen und Aufstiegschancen in ihren jeweiligen Heimatländern. Das ist eigentlich die große Aufgabe. Natürlich gehört die Überwachung des Waffenembargos dazu, aber auch die Schaffung von verlässlichen Partnern in den nordafrikanischen Staaten.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.