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Waffenexporte
Berlin und Paris ringen um gemeinsame Rüstungsprojekte

Deutschland und Frankreich wollen einen neuen europäischen Panzer und einen neuen Kampfjet als Nachfolger des Eurofighters entwickeln. Doch beide Seiten streiten über Rüstungsexporte und Zuständigkeiten. Vor allem bei der Belieferung Saudi-Arabiens herrscht Uneinigkeit.

Von Johannes Reichart | 18.02.2019
    Nach einem Probealarm startet ein Eurofighter am 02.03.2017 auf dem Flughafen in Ämari (Estland). Angesichts der Sorgen der osteuropäischen Nato-Staaten vor Russland will die Verteidigungsministerin ihren Amtskollegen in Estland, Lettland und Litauen Beistand zusichern.
    Nachfolger für Eurofighter gesucht: Deutschland und Frankreich ringen um gemeinsame Rüstungsprojekte (Rainer Jensen/dpa)
    Mehr als einem Monat nach der Unterzeichnung des Aachener Vertrags, brodelt es zwischen Deutschland und Frankreich beim Thema Rüstungspolitik. Konkret geht es um die gemeinsame Entwicklung eines neuen Kampfflugzeugs.
    Supermoderner Jet soll bis 2040 fertig sein
    Das Projekt heißt FCAS, "Future Combat Air System". Ein supermoderner Jet, auf Augenhöhe mit dem F35-Flieger der US-Herstellers Lockheed Martin. Frankreich soll bei dem Projekt sogenannte "lead nation" sein und den Hut aufhaben, Deutschland dafür bei der Entwicklung eines neuen Panzers.
    Der Jet soll 2040 fertig sein. Nun macht sich bei deutschen Verteidigungspolitikern die Sorge breit, dass der französische Hersteller Dassault seinen deutschen Partner Airbus Defence and Space nicht auf Augenhöhe behandelt, in der Fachsprache "Prime"-Partner genannt, sondern als bloßen Zulieferer. Für den verteidigungspolitischen Sprecher der SPD im Bundestag, Fritz Felgentreu, ein Unding:
    "Wenn es eine Zusammenarbeit ist, dann kann es nicht so ein Verhältnis sein: Der eine kocht, der andere kellnert, sondern eine Partnerschaft, die sagt - wir teilen uns das 50/50 – muss dann auch eine echte Partnerschaft sein."
    Darum haben sich am Rande der Sicherheitskonferenz deutsche Parlamentarier mit der französischen Verteidigungsministerin Florence Parly getroffen und ihren Standpunkt deutlich gemacht. Auf französischer Seite wiederum ist man verärgert über mögliche Lieferbeschränkungen bei Exporten der gemeinsam produzierten Waffen. Während Deutschland etwa einen Exportstopp nach Saudi-Arabien beschlossen hat, beliefert Frankreich die saudischen Monarchen weiter, und geht nun sogar ein Joint Venture mit dem Land ein, zur gemeinsamen Herstellung von Kriegsschiffen.
    Unklarheiten bei Rüstungsausfuhren
    Wie wäre zwischen Paris und Berlin der Export von gemeinsam hergestellten Panzer und Kampfjet geregelt? Hier wollen die Franzosen endlich Klarheit haben, bevor das Projekt vorangeht. In Deutschland gehen die Meinungen auseinander. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen will beim Thema Rüstungsausfuhren auf Frankreich zugehen:
    "Wir Deutschen sollten nicht so tun, als seien wir moralischer als die Franzosen, oder menschenrechtspolitisch weitsichtiger als Großbritannien. Wir müssen die politische Kraft aufbringen für eine verlässliche, eine gemeinsame Linie, einen europäischen Standpunkt, der unsere Sicherheitsinteressen und unsere humanistischen und humanitären Prinzipien zusammenführt. Das geht."
    Auch Angela Merkel spricht sich für eine gemeinsame Linie mit Frankreich aus:
    "Man kann nicht von einer europäischen Armee sprechen und von einer gemeinsamen Rüstungspolitik oder Rüstungsentwicklung sprechen, wenn man dann nicht gleichzeitig auch bereit ist auch eine gemeinsame Rüstungsexportpolitik zu machen. Und da haben wir in Deutschland noch viele komplizierte Diskussionen vor uns. Das ist glaube ich kein Geheimnis, das ich Ihnen hier gerade verrate."
    Warnung vor Aufweichung deutscher Exportregeln
    Das sieht der Koalitionspartner anders. Der SPD-Abgeordnete Rolf Mützenich warnt vor einem Aufweichen der deutschen Exportregeln:
    "Frankreich ist weiterhin bereit, Waffen an Saudi-Arabien zu liefern. Wir sind endlich dazu gekommen, dass wir zurzeit eben an Saudi-Arabien keine Waffen liefern und ich würde erhoffen, dass auch der Koalitionspartner die Formulierung im Koalitionsvertrag endlich ernster nimmt."
    Grüne und FDP wiederum senden Signale der Verständigung. Die Liberale Marie-Agnes Strack-Zimmermann wäre für einen Kompromiss:
    "Unsere Toleranz gegenüber Exporten ist geringer als zum Beispiel in Frankreich, es kann aber nicht sein, dass wir die Richtung vorgeben, kann auch nicht sein, dass die Franzosen das tun, heißt, wir müssen uns an einen Tisch setzen. Da hängen auch Arbeitsplätze dran, auch viele mittelständische Arbeitsplätze."
    Hinweise auf Artikel: "German free"
    Tatsächlich wurden auf internationalen Rüstungsmessen Artikel mit dem Hinweis "German free", also frei von deutschen Bauteilen, angeboten, um mögliche Lieferungsauflagen auszuschließen. Die SPD bringt für Rüstungsprojekte mit deutscher Beteiligung die sogenannte De-Minimis-Regelung ins Spiel: Wenn ein Waffensystem einen gewissen Anteil an deutschen Komponenten nicht übersteigt, wäre es von den deutschen Ausfuhrregelungen befreit. Beim geplanten gemeinsamen Panzer und Kampfjet kommt dieser Mechanismus allerdings nicht in Betracht. Das deutsch-französische Miteinander in der Rüstungspolitik könnte also schwierig werden.