Donnerstag, 28. März 2024

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Wahl in Hamburg
"Kurs der Mitte wird Auswirkungen auf die Bundes-SPD haben"

Die SPD hat bei den Wahlen in Hamburg ohne Rückenwind durch die Bundespolitik und mit einem anderen Kurs gewonnen, erklärte der Politikwissenschaftler Frank Decker im Dlf. Mit hoher Wahrscheinlichkeit werde es wieder eine rot-grüne Koalition in Hamburg geben.

Frank Decker im Gespräch mit Jasper Barenberg | 23.02.2020
SPD-Spitzenkandidat und Erster Bürgermeister Peter Tschentscher jubelt nach der ersten Prognose auf der Wahlparty seiner Partei zusammen mit seiner Ehefrau Eva-Maria (Mitte) und Melanie Leonhard, SPD-Landesvorsitzende und Senatorin für Arbeit, Soziales, Familie und Integration in Hamburg
SPD-Spitzenkandidat und Erster Bürgermeister Peter Tschentscher jubelt nach der ersten Prognose auf der Wahlparty seiner Partei zusammen mit seiner Ehefrau Eva-Maria (Mitte) und Melanie Leonhard, SPD-Landesvorsitzende und Senatorin für Arbeit, Soziales, F (picture alliance/ dpa/ Christian Charisius)
SPD und Grüne bildeten zurzeit die einzige rot-grüne Landesregierung in Deutschland. Sie galt als Auslaufmodell. "Insofern ist Hamburg ein Sonderfall", betonte Frank Decker von der Universität Bonn im Deutschlandfunk. Die rot-grüne Koalition dort sei auch eine große Koalition, da SPD und Grüne die beiden stärksten Parteien in Hamburg darstellten. Die Schnittmenge der SPD in Hamburg mit den Grünen sei größer als die der Bundes-SPD als Juniorpartner in einer Großen Koalition mit der Union. Die SPD in Hamburg habe sich geschickt angepasst, etwa indem sie Ideen aus dem Verkehrskonzept der Grünen übernommen habe - was allerdings die Grünen geärgert habe.
Hamburger Modell der Mitte auch für die Bundes-SPD relevant
Das gute Abschneiden der SPD in Hamburg könnte auch Auswirkungen auf den Kurs der Bundes-SPD haben, meint Decker. Das Hamburger Modell eines Kurses der Mitte könnte beispielsweise den ehemaligen Ersten Bürgermeister und jetzigen Finanzminister Olaf Scholz wieder ins Spiel bringen. Dieser "schien schon fast weg vom Fenster", weil er den Kampf um den SPD-Vorsitz verloren hattte. Die Frage um die SPD-Kanzlerkandidatur sei jedoch noch zu klären. Scholz könnte hier mit dem Hamburger Modell werben. "Und so viele geeignete Kanzlerkandidaten hat die SPD nicht."
Peter Tschentscher (SPD), Erster Bürgermeister in Hamburg und Spitzenkandidat für die Bürgerschaftswahl im Wahlkampf, hier in der Wasserstoff-Elektrolyse Anlage bei einem Besuch der H&R Ölwerke. 
"Wirtschaftskompetenz wird eher der SPD zugeschrieben"
Die Hamburger SPD sei eine der wirtschaftsliberalsten in Deutschland, erklärt Hamburg-Korrespondent Axel Schröder. Viele Wähler hätten lieber auf die sozialdemokratische Wirtschaftsfreundlichkeit gesetzt als auf die Grünen.

Zukunft der AfD
Über das Ergebnis der AfD sagte Decker, die Partei lege zum ersten Mal bei einer Landtagswahl nicht zu. Die AfD pflege das Image einer bürgerlichen Partei, doch wenn radikale Teile immer größeren Einfluss gewännen, sei das diesem Image nicht dienlich. Bislang habe die AfD durch gute Wahlergebnisse ihre internen Konflikte übertünchen können. Der Burgfrieden zwischen Radikalen und Gemäßigten könne angesichts schlechterer Wahlergebnisse jedoch möglicherweise nicht mehr halten.
Die SPD kann laut der jüngsten Hochrechnung von infratest dimap mit 38,9 Prozent der Stimmen rechnen und ist damit trotz Verlusten weiter die stärkste politische Kraft in Hamburg. Dahinter kommen die Grünen, mit 24,4 Prozent. Die CDU erreicht mit 11,2 Prozent ihr bislang schlechtestes Ergebnis in der Hansestadt, die Linke liegt bei 9,1 Prozent. Die AfD wäre mit 5,1 Prozent knapp in der neuen Bürgerschaft vertreten. Die FDP muss mit 5,0 Prozent weiter um den Einzug bangen. Die Wahlbeteiligung lag mit 62 Prozent deutlich höher als bei der letzten Wahl 2015.