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Wahlen in den USA
"Den Republikanern fehlt ein gutes Programm"

Die Demokraten haben zwar bei den US-Kongresswahlen ihre Mehrheit im Senat an die Republikaner verloren. Das bedeute aber nicht, dass es eine große Begeisterung für die Republikaner gebe, sagte der US-Jurist und Republikaner David W. Detjen im DLF. Positiv sei, dass der "Tea Party"-Flügel an Einfluss verliere.

David W. Detjen im Gespräch mit Bettina Klein | 05.11.2014
    Barack Obama im US-Kongress bei seiner Rede zur Nation 2014.
    Barack Obama spricht im US-Kongress zur "Lage der Nation" (dpa/picture alliance/Jim Lo Scalzo)
    Bettina Klein: Wir schauen an diesem Morgen wieder einmal in die Vereinigten Staaten von Amerika, und dies mit Spannung. Kongresswahlen gibt es in den USA alle zwei Jahre, alle zwei Jahre werden das Repräsentantenhaus und etwa ein Drittel des Senates neu bestimmt. In diesem Jahr, da kein Präsident gewählt wird, nennen wir es Zwischenwahlen, und erwartet wird ein weiterer Denkzettel für Barack Obama, sechs Jahre nach seinem Amtsantritt.
    Wir bleiben beim Thema und sind jetzt in der Nähe von New York verbunden mit einem Republikaner: kein Politiker, ein Jurist, aber jahrelang aktiv in der Partei. Er engagiert sich heute unter anderem am American Institute for Contemporary German Studies, eine Denkfabrik in Washington. Ich begrüße in Connecticut David Detjen. Schönen guten Tag!
    David W. Detjen: Guten Abend oder guten Morgen!
    Klein: Zunächst die Frage nach Ihren Eindrücken. Wie haben Sie diesen Wahlabend erlebt bisher als Republikaner?
    Detjen: Die meisten Experten haben mit einer republikanischen Mehrheit von 51 bis 53 Sitzen gerechnet, und das ist, soweit ich es feststellen kann, immer noch zu erwarten.
    Man stimmt eher gegen eine Partei als für eine
    Klein: Erkennbare Erfolge auf jeden Fall, eine Ohrfeige auch für Obama. Würden Sie so weit gehen?
    Detjen: Nicht unbedingt. In der Tat: Wir haben ja ein Zwei-Parteien-System hier in den Vereinigten Staaten, und es gibt ja Unruhe. Ich meine, Obama ist momentan nicht besonders beliebt hier in den USA. Aber Tatsache ist: Das heißt nicht unbedingt, dass es eine große Begeisterung für die Republikaner gibt. Es ist eher eine Tendenz der Amerikaner in diesem Zwei-Parteien-System, eher gegen eine Partei zu stimmen als für eine Partei zu stimmen. Die Amerikaner fühlen sich einigermaßen unwohl mit der Situation in Washington und sie wollen einige Änderungen verursachen, und sie haben mit dieser Wahl die Entscheidung getroffen, im Grunde genommen gegen die regierende Partei zu stimmen.
    Klein: Was ist denn Ihre Erklärung dafür, dass man die Schuld daran jetzt vor allen Dingen den Demokraten zu geben scheint, jetzt gemessen an den Wahlergebnissen heute?
    Detjen: Das Problem ist teilweise, dass im Senat die Führung der demokratischen Partei im Senat im Grunde genommen nur wenig geleistet hat. Der Fraktionsvorsitzende der demokratischen Partei hat ja die Entscheidung getroffen, keine Revidierung zu Gesetzesnovellen zu erlauben, mit dem Ergebnis, dass der Senat in den letzten beiden Jahren nur etwa 17 Gesetzesnovellen verabschiedet hat, und das ist hier eine ziemlich klägliche Leistung und die Wähler wollen etwas anderes haben.
    Republikanern fehlt klares Programm
    Klein: Aber als große Blockierer gelten hier eigentlich die Republikaner, die bisher ja relativ erfolgreich versucht haben, viele Gesetzesvorhaben des Präsidenten, wenn nicht alle zu stoppen.
    Detjen: Ja, einigermaßen. Das Problem liegt selbstverständlich daran, dass die Republikaner eine große Mehrheit im Abgeordnetenhaus haben, aber den Republikanern ist es nicht erlaubt, Revidierungen im Senat anzubieten, und in den meisten Fällen stirbt eine Gesetzesnovelle aus dem Abgeordnetenhaus eigentlich im Senat.
    Klein: Sie haben gerade gesagt, man solle es nicht als ein wirkliches Ja für die republikanische Partei werten. Ich erinnere mich an genau diesen Satz auch schon vor vier Jahren, als die Republikaner das Repräsentantenhaus ja durchaus auch mit Hilfe der Tea-Party-Bewegung für sich zurückerobert haben. Was ist denn Ihre Erklärung dafür, dass das immer noch nicht wirklich als Ja für die Partei zu werten ist? Fehlt es weiter oder immer noch an inhaltlicher Substanz und vielleicht auch an personeller Erneuerung?
    Detjen: Ja, ich meine schon in diesem Sinne. Tatsache ist, dass momentan die republikanische Partei kein klares, eindeutiges, gutes politisches Programm hat, und das ist wegen dieser inneren Spannungen innerhalb der Partei im Grunde genommen. Und ich muss sagen, von Bedeutung heute Abend ist die Tatsache, dass die Republikaner zusätzliche zehn Sitze im Abgeordnetenhaus gewonnen haben. Und je größer die Mehrheit der Republikaner im Abgeordnetenhaus, desto schwächer ist eigentlich der Einfluss des Tea-Party-Flügels, mit dem Ergebnis, dass der Fraktionsvorsitzende Boehner ein bisschen mehr Spielraum und Flexibilität hat. Das soll ihm im Grunde genommen helfen, mit McConnell als Mehrheitsvorsitzendem im Senat zusammenzuarbeiten.
    Nicht allzu viel Zusammenarbeit erwarten
    Klein: Das heißt, Sie würden davon ausgehen, dass wir jetzt nicht auf eine Komplettblockade zusteuern im Kongress, wenn beide Kammern von den Republikanern dominiert werden, sondern wir auf mehr Kompromissbereitschaft, auch was mögliche Vorhaben für die letzten zwei Obama-Jahre angeht, hoffen dürfen?
    Detjen: Schwer zu sagen. Ich würde eigentlich dem Kongress und auch dem Weißen Haus ganz ehrlich nicht allzu viel zumuten. Erstens gibt es immer noch diese Spannung innerhalb der republikanischen Partei. Außerdem gibt es ein paar Senatoren in der republikanischen Partei, die schon bereit sind, für die Präsidentennominierung der republikanischen Partei zu kandidieren, und die wollen sich hervorheben und für die ist eigentlich die höchste Priorität ihre Kandidatur, nicht unbedingt eine gemeinsame Front mit den republikanischen Kollegen im Senat zu bilden. Außerdem gibt es im Weißen Haus sicherlich in den nächsten Tagen eine große Debatte, innerhalb des Stabes im Weißen Haus: Sollen wir eigentlich mit den Republikanern zusammenarbeiten, oder sollen wir stur bleiben? - In der Hoffnung, dass in zwei Jahren einige Republikaner im Senat, die eigentlich ihre Sitze 2010 gewonnen haben, wieder kandidieren müssen, und zwar in Bundesstaaten, wo die Wähler zweimal für Obama gestimmt haben, und es könnte wohl sein, dass die Demokraten zu dem Schluss kommen, na ja, es ist besser, stur zu bleiben, wir lassen Obama durch Erlasse und Dekrete mehr oder weniger regieren, ohne den Kongress, und wir warten bis 2016 und dann können wir in einem Präsidentenwahlkampf hoffentlich die Mehrheit im Senat zurückgewinnen.
    Klein: Und abschließend mit Blick auf 2016 und die Präsidentenwahl. Was heißt das Ergebnis heute mit Blick auf die Republikaner dafür? Wie gut sind sie tatsächlich aufgestellt?
    Detjen: Es ist meines Erachtens möglich, dass in den Vorwahlen hier in diesem Jahr die politische Führung, die immer noch aus der Mitte kommt, sich durchgesetzt hat und es haben sich Kandidaten aus der Mitte in den meisten Wahlen durchgesetzt, mit entsprechendem Erfolg heute Abend, und die Frage ist, ob sie diese Entwicklung fortsetzen können, und zwar in zwei Jahren.
    Klein: David Detjen war das. Wir haben ihn erreicht in der Nähe von New York. Er ist Jurist und arbeitet unter anderem beim American Institute for Contemporary German Studies. Vielen Dank für Ihre Einschätzungen an diesem frühen Wahlmorgen hier in Deutschland und späten Wahlabend in den Vereinigten Staaten.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.