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Wahlen in Israel
Netanjahus Likud wohl vor Wahlsieg

Nach den ersten Prognosen zum Ausgang der Parlamentswahl in Israel hatten sich die beiden Kontrahenten Benjamin Netanjahu und Benny Gantz noch gleichermaßen zum Sieger erklärt. Mit Fortschreiten der Stimmauszählung zeichnet sich aber immer mehr ab: Netanjahus Likud hat wohl gewonnen.

Von Tim Aßmann | 10.04.2019
Benjamin Netanjahu winkt seinen Unterstützern auf einer Veranstaltung nach der Wahl.
Das Foto zeigt Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu am Wahlabend im Beisein von Unterstützern (picture alliance / dpa / Oliver Weiken)
Die erste Prognose im staatlichen Fernsehen um 22 Uhr Ortszeit sah Benny Gantz und seine Wahlliste Blau-Weiß mit einem Sitz vor Benjamin Netanjahus Likud. Auch zwei andere Prognosen kamen auf enge Werte, in einer davon führte Gantz sogar noch etwas klarer. Doch am frühen Morgen hatten sich die Zahlen zugunsten von Amtsinhaber Netanjahu verändert. Sein Likud würde demnach vorne liegen. Außerdem kommt der Block aus konservativen, nationalistischen und streng-religiösen Parteien, der bisher regierte, weiter auf eine Mehrheit der 120 Parlamentssitze. Benjamin Netanjahu hatte sich noch in der Nacht zum Sieger erklärt. Er verhandele bereits mit möglichen Koalitionspartner, sagte Netanjahu vor Anhängern.
"Ihr habt einen gigantischen Sieg herbeigeführt. Unvorstellbar, zu unmöglichen Bedingungen, gegenüber voreingenommenen Medien. Die Likud Partei ist dramatisch gewachsen. Das ist ein Wahnsinnserfolg. So etwas hat es noch nicht gegeben. Wann hatten wir jemals so viele Mandate? Ich erinnere mich nicht daran."
Strukturelle Mehrheit für Rechtskonservative
Die neue Regierung werde eine rechte Regierung sein, betonte Netanjahu, aber er wolle der Premierminister aller Bürger Israels sein. Basierend auf den Zahlen der ersten Prognosen beanspruchte auch Herausforderer und Ex-Armeechef Benny Gantz einen Wahlsieg.
"Freunde, ein großes Licht erhellt Israel. Es ist ein historischer Tag, über eine Million Menschen wählten Blau Weiß. Wir möchten Benjamin Netanyahu für seine Dienste für das Land danken, denn wir werden den Willen des Wählers respektieren. Es ist genau so, wie er es sagt: die größte Partei sollte das Mandat vom Präsidenten erhalten und die Regierung bilden."
Aber diese stärkste Kraft ist eben möglicherweise nicht die Wahlliste von Blau-Weiß von Benny Gantz, sondern vielleicht erneut Benjamin Netanjahus Likud. Mit Blick auf die politischen Lager bestätigen die aktuellen Wahlergebnisse die Machtverhältnisse der vergangenen Jahre. Das sogenannte rechte Lager aus dem national-konservativen Likud als stärkste Kraft und einer Gruppe von streng-religiösen und nationalistischen Parteien kommt in Israel weiter auf eine strukturelle Mehrheit, gegen die voraussichtlich nur regiert werden kann, wenn einzelne Parteien aus diesem Block das Lager wechseln sollten.
Linke Parteien bedeutungslos
Linke Parteien spielen im aktuellen Israel keine zentrale politische Rolle mehr. Die Arbeitspartei, die das Land nach der Staatsgründung Jahrzehnte regierte, wird nur noch eine Handvoll Sitze im nächsten israelischen Parlament, der Knesset, haben. Der Parteivorsitzende Avi Gabbay zeigte sich tief enttäuscht.
"Das ist kein leichter Abend für uns. Es ist überhaupt kein leichter Abend für mich. So wollte ich diesen Abend nicht beenden. Die ersten Prognosen sind eine unheimliche Enttäuschung. Das Ergebnis ist ein Schlag für die Arbeitspartei. Es ist ein echter Schlag, für jeden, der unseren Weg teilt."
Das Wahlergebnis macht auch die Spaltung der israelischen Gesellschaft deutlich. Die arabischen Israelis machen fast ein Fünftel der Gesamtbevölkerung aus, aber viele von Ihnen haben die Wahl boykottiert. Die Wahlbeteiligung der arabischen Israelis wird voraussichtlich historisch niedrig ausfallen. Möglicherweise wählte nur die Hälfte von Ihnen. Insgesamt zeichnet sich eine Wahlbeteiligung von rund 60 Prozent ab.
Auf palästinensischer Seite waren die Erwartungen an die Wahl schon im Vorfeld gedämpft. Nach Bekanntgabe der ersten Prognosen sagte der langjährige palästinensische Unterhändler Saeb Erekat, die Israelis hätten für eine Fortsetzung des Status quo gestimmt. Nun werde der Friedensprozess weiter auf Eis liegen.
Nach der offiziellen Bekanntgabe der Ergebnisse haben alle Parteien, die es ins Parlament geschafft haben zwei Wochen Zeit dem Staatspräsidenten zu sagen, wen sie für das Führen einer Koalition empfehlen. Der Präsident vergibt dann den Auftrag zur Regierungsbildung – entweder an die stärkste Kraft oder an denjenigen, der die größte Chance hat eine mehrheitsfähige Koalition zu bilden. Die größten Hoffnungen auf diesen Auftrag kann sich am Morgen nach der Wahl Benjamin Netanjahu machen.